Jo’burg-Engel, sehr feminin
Die eigensinnige Welt des Pancho Guedes
Text: Rasmuss, Henning, Johannesburg; Rodseth, Philippa, Johannesburg
Jo’burg-Engel, sehr feminin
Die eigensinnige Welt des Pancho Guedes
Text: Rasmuss, Henning, Johannesburg; Rodseth, Philippa, Johannesburg
In unserem Garten in Johannesburg lebt unter den Jacarandabäumen ein 1,94 Meter großer Schutzengel. Er ist keiner dieser goldenen, barocken Engel Europas, die in Kathedralen leben und nur aus Kopf und Flügeln bestehen.
Er singt auch nicht mit süßlicher Stimme, er ist ein Flex-Engel, geschaffen von Pancho Guedes, hergestellt von Jurie van der Westhuizens Security Steelworks in Industria bei Johannesburg. Ein Engel aus dem afrikanischen Matriarchat, mit allen Rundungen an den richtigen Stellen und einem alles sehenden Auge. Wir hatten überlegt, ob wir ihre Epoxitharzbeschichtung mattschwarz oder hellrosa halten sollten. Aber Pancho entschied schließlich mit einem Glitzern in den Augen: „Auf mich wirkt sie sehr afrikanisch, ihre Haut soll tief dunkelbraun sein.“ Und so wurde sie an jenem Morgen in Juries Workshop eine Afrikanerin. Weit weg waren Bern und die Welt Paul Klees.
Pancho Guedes: 88 Jahre alt und immer noch kein ehrwürdiger Alter, immer noch auf der Suche, immer noch diese Genauigkeit, immer noch den Schalk im Nacken. Sich selbst hat er nie zu ernst genommen, die Architektur immer. Und er weiß den Wert einer Anekdote zu schätzen. Bei ihm gibt es immer die Story hinter der Architektur, die Geschichte der Menschen und ihrer Beziehungen. Und so hat auch der stille, weibliche, matriarchale Engel eine Geschichte.
Warum überhaupt ein Schutzengel? Nun, wir leben in Johannesburg, also brauchen wir einen. Eines Tages sagte meine Mutter: „Fahr niemals schneller, als dein Schutzengel fliegen kann.“ So dachte ich mir, ich bin 1,78 Meter groß, mein Schutzengel muss kleiner sein als ich, damit er umso schneller fliegen kann. Also erzählte ich Lonka Guedes, Panchos Tochter und seine Ministerin aller Ressorts, 1,46 Meter wäre die richtige Größe. Deshalb wurde sie so gezeichnet und berechnet.
Nun steht sie seit etwa zwei Monaten auf unserem Rasen. Etwa fünf Jahre lang hatten wir hin und her überlegt, wie wir ihr zur Geburt verhelfen könnten. Irgendwann inmitten des Fundraisings für Pancho Guedes’ Ausstellung in der Nationalgalerie in Kapstadt wurde die Idee geboren, einen Prototypen herzuherstellen und eine limitierte Auflage an Freunde und Sammler zu verkaufen: ein richtiger „Jo’burg Angel“, geboren aus einer Geschäftsidee. Das war dann schon ein Jahr nachdem sie gezeugt worden war von Pancho Guedes und nach Jahren des Studiums der Engel Paul Klees. Jahrelang zeichnete Pancho Engel, eine Skizze nach der anderen, besessen vom Wunsch, einen Engel zu erschaffen.
Eines Sonntags kam Pancho zu uns nach Hause, zu Kaffee und Erdbeeren und um sich den Bauplatz anzusehen, den Landeplatz für den Engel. Alles war schon hergerichtet für die Produktion in der darauffolgenden Woche. Aber beim Gehen drehte sich Pancho noch einmal um und sagte: „Henning, sie ist zu klein, sie muss mindestens 1,94 Meter groß werden.“ Keine Diskussion!
Also wurden die Zeichnungen geändert und die Berechnungen angepasst, sie wurde digitalisiert, geschliffen, gewalzt. Alles geschah, ohne dass wir es miterleben konnten, aber so ist es halt mit Engeln.
Die starken Niederschläge der Regenzeit haben begonnen auf ihre Stahlblechhaut zu prasseln. Sogar richtige Tattoos hat sie, wie ein unartiger Engel sie hätte: „SF“ – Still Feminine, ihr Name, tätowiert in das zarte Blech von sechs Millimeter Stärke, wird über’s Jahr verschwunden sein. Sie bleibt jedoch ohne Wenn und Aber weiblich. Alle Rundungen an den richtigen Stellen. Ihr Kopf schwebt über ihren entzückenden Schultern. Ihre Flügel sind zum Start bereit. Ihr Lächeln süßer als das der Mona Lisa. Und wir könnten schwören, sie hat denselben schelmischen Ausdruck, den Pancho immer hat.
Sagrada Família de Machava | 1961 | Machava
Guedes beschreibt diese Kirche als „Mutter, umgeben von Kindern mit lustigen Hüten“, mit einem „Dach wie eine Gondola“ – das „Boot des Lebens, bewacht von vier fetten Kreuzen“. Ein Haus mit „Wänden, die sich aufrollen und winden und Nischen bilden für alte Männer, die in der Sonne sitzen, junge Liebespaare oder Versteck-spiele. Ein Gebäude, entstanden aus Gefühlen und Erinnerungen, das Zeichen setzt, heimgesucht von freundli-chen Geistern und dunklen Engeln, gefüllt mit lauten Hymnen und geflüsterten Gebeten.“
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