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Kein zweiter Prenzlauer Berg

Interview mit Ingo Malter

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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Foto: Doris Kleilein

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Kein zweiter Prenzlauer Berg

Interview mit Ingo Malter

Text: Kleilein, Doris, Berlin

Kann man günstigen Wohnraum erhalten und neu bauen ohne Subventionen? Welchen Einfluss hat die öffentliche Wohnungswirtschaft überhaupt auf die anstehende Aufwertung des Neuköllner Nordens? Ein Gespräch mit Ingo Malter von der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“, die in Berlin 48.000 Wohnungen verwaltet, unter anderem auch drei Wohnhöfe von Bruno Taut im Schillerkiez.
Mit 400 Wohnungen ist die „Stadt und Land“ größter Vermieter im Schillerkiez. Wie beurteilen Sie den Wohnungsbestand?
Das ist unauffälliger typischer Berliner Wohnungsbestand. Die Miete liegt bei fünf Euro nettokalt, unsere Wohnungen sind im Schnitt 60 bis 75 Quadratmeter groß und mit Bädern ausgestattet. Es gibt nicht mehr die Zustände, die man erwartet in einem Kiez, der in der Nachkriegszeit stiefmütterlich behandelt wurde. Insgesamt können wir aber gar nicht so viel Einfluss nehmen, da die Eigentümerschaft im gesamten Kiez fragmentiert ist. Es gibt viele Einzeleigentümer, die sich nicht so gut steuern lassen. Der Markt hat sehr unmittelbar Einfluss im Moment.
Wer zieht in den Schillerkiez?
Der Schillerkiez ist heute noch in einem Zustand wie viele andere Kieze in Kreuzberg vor 30 Jahren. Es kommen Studenten, Künstler, die den Nährboden für eine gute Subkultur suchen – das sind die Feldbereiter. Die Besserverdienenden kommen erst in Schritt Zwei oder Drei. Das ist ein langer Prozess und dauert ein bis zwei Jahrzehnte. Diese Entwicklung wird ihren Gang nehmen, egal, was die Akteure vor Ort dagegen unternehmen wollen.
Welche Rolle wird die „Stadt und Land“ als öffentliches Unternehmen spielen?
Wir verstehen unsere Aufgabe so, dass wir dämpfend wirken und versuchen, die größten Exzesse zu vermeiden. Wir wollen keine Entwicklungen aufhalten, die die Menschen per Fuß-Abstimmung unternehmen.
Wird der Kiez ein zweiter Prenzlauer Berg?
Das glaube ich nicht. Die Ausprägungen im Prenzlauer Berg sind besondere, das Viertel wird vor allem von jungen Familien aufgesucht. Wir werden im Norden Neuköllns eine Entwicklung erleben, wie sie im Zirkelschlag um die Innenstadt herum normal ist. Sicherlich wird mehr Kaufkraft kommen, was ehrlich gesagt auch nicht schwer ist, weil nach unten praktisch nichts mehr geht. Das wird auch Vorteile mit sich bringen, zum Beispiel wird es die Integration beschleunigen. Neukölln ist ein Durchlauferhitzer für Migranten. Je nachdem, wie schnell sie sich hier etablieren, verlassen sie Neukölln und führen ein bürgerliches Durchschnittsleben. Die, die etwas länger brauchen, bleiben hier und sind bislang sehr unter sich.
Machen Sie spezielle Angebote für Mieter mit Migrationshintergrund?
Wir agieren nicht im luftleeren Raum, sondern suchen die Kooperation mit dem Quartiersmanagement. Die größten Fraktionen unserer Mieter haben deutschen, türkischen und arabischen Hintergrund, aber das sind nicht alle, wir haben über 40 Nationen. Wir fördern Nachbarschaftsvereine, zum Teil initiieren wir sie auch. Wir machen aber kein großes Tam-Tam, sondern arbeiten im Kleinen, quasi in den Hausaufgängen. Wenn jemand in Schwierigkeiten gerät, haben wir eine Mietschuldenberatung.
Welche Pläne haben Sie für den Bestand?
Auf keinen Fall werden wir verkaufen, wir werden auch nicht privatisieren. Ganz im Gegenteil: Wir werden sogar versuchen, mehr Bestände zu bekommen: entweder durch Zukauf – da stehen die Chancen im Moment nicht so gut, weil der Nachfragedruck hoch ist und wir nicht jedes Preis­niveau mitgehen. Die zweite Möglichkeit: durch Neubau auf dem Flugfeld.
Unter welchen Voraussetzungen würden Sie auf dem Flugfeld bauen?
Wir werden die Nähe zu unseren Beständen suchen und am östlichen Rand antreten. Eine weitere Bedingung ist, dass wir einen guten Wohnungs-Ausnutzungs-Mix hinbekommen. Es kann niemand ernsthaft behaupten, man könne Wohnungsneubau betreiben und dann für fünf Euro vermieten. Hier wird häufiger die alte Hinterhofstruktur bemüht, aber wir möchten nicht sechs Höfe bauen, um dann hinten angeben zu können mit preisgünstigem Wohnraum. Da muss man intelligenter vorgehen, Ideen gibt es genug.  Wir würden eine Quersubventionierung versuchen: Die Penthouse-Wohnung mit Dachterrasse können wir für 12 Euro nettokalt vermieten – warum sollten wir dann nicht in den Etagen darunter eine Miete von 6,50 Euro realisieren? Wenn wir das als öffentliches Unternehmen nicht versuchen, wer dann?
Haben Sie dafür bereits Konzepte?
Wir werden den Schulterschluss mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung suchen und die Grundstücksverfügbarkeit analysieren. Momentan ist das noch völlig offen. Ist das Taxiway-Konzept mehrheitsfähig? Das sehe ich noch nicht für gegeben. Wenn das klar ist, wird es um die Mischung gehen zwischen öffentlichen und privaten Investoren. Das Ganze muss kommunikativ intensiv begleitet werden. Wer gestern in der Frontlinie zum Flughafen gewohnt hat, findet sich jetzt in der Frontlinie zu schönen Sonnenuntergängen und soll morgen nicht mal mehr auf das Feld gucken können, weil gebaut wird. Das ruft nicht gerade Begeisterung hervor.
Reicht eine Quersubventionierung oder brauchen wir einen neuen sozialen Wohnungsbau? 
An dieser Stelle möchten wir keine Subventionen in Anspruch nehmen. Die Subventionspo­litik, die nach dem Kriege unumgänglich war aufgrund der Wohnungsnot, kann man aus wirtschaftlicher Sicht nicht als erfolgreich bezeichnen. Sie hat dafür gesorgt, dass die Bestände zwar mietpreispolitisch sehr stabil blieben, aber auch nicht mit der Zeit mitgeführt wurden. Oftmals laufen Wohnungen aus der Bindung, die 40 Jahre abgewohnt wurden. Man muss viele hundert Euro pro Quadratmeter neu investieren.
Diskutieren Sie alternative Fördermodelle, etwa eine Neuauflage der Subjektförderung?
Die Diskussionen sind im Gange. So richtig neu erfinden wird man die Subventionswelt allerdings nicht. Die Subjektförderung war ein später Versuch, die Wohnungsbauförderung in die 80er Jahre hineinzuführen, und sie ist grandios gescheitert. Da hatten wir Kostenmieten um die 30 Mark, und die musste sich dann der Mieter durch Offenlegung seines Einkommens runtersubventionieren lassen. Theoretisch ganz gut, praktisch wollte das keiner mitmachen. Wenn es etwas geben wird, dann wahrscheinlich wieder eine Objektförderung mit Belegungsbindung. Nur muss man sehen, wie man die Re-Investitionen in den Griff bekommt.
Es müsste also Förderung mit der Verpflichtung zur Investition in den Bestand geben.
Ja, aber wo wollen Sie dazu das Geld hernehmen? Da sind wir mitten im Verteilungskampf um öffentliche Mittel.

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