Kleine Monster der Moderne
Ina Weber im Haus am Waldsee
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Kleine Monster der Moderne
Ina Weber im Haus am Waldsee
Text: Crone, Benedikt, Berlin
Ina Weber spielt mit der Stadt wie mit einem Baukasten. Sie entnimmt ihr die wenig beachteten Objekte und setzt sie als kleine Prototypen ihrer eigenen Bautypologie ins Museum.
Die Blumen können nichts dafür, dass sie aussehen, als seien sie aus Plastik. Es ist die Umgebung der Primeln, die sie künstlich wirken lässt. Die Zierpflanzen stecken in drei Betonkübeln und warten auf ihre tägliche Dusche. Fußgängerzone heißt das Werk, das den Besucher begrüßt, wenn er die Ausstellung der Künstlerin Ina Weber im Haus am Waldsee betritt.
Gerade erst meint man sich vor der Wohlstandsödnis am südlichen Berliner Stadtrand in die Sakralität einer Kunstgalerie gerettet zu haben, da knallt einem die Banalität des öffentlichen Raums in Form von Kübel, Mülleimer und Straßenlaterne wieder vors Schienbein. Die Ausstellung „Hier“, die Webers Werke der letzten zwölf Jahre zeigt, holt die Stadt ins Museum. Nicht die üblichen Glanzstücke der Architekturgeschichte, sondern Bushaltestelle, Wohnhochhaus und den Asia-Imbiss um die Ecke.
Ina Weber (Jahrgang 1965) spielt mit der Stadt wie mit einem Baukasten. Sie entnimmt ihr die wenig beachteten Objekte und setzt sie als kleine Prototypen ihrer eigenen Bautypologie ins Museum. Auch wenn sie dabei oft die gleichen Materialien verwendet, aus denen das Original besteht, kopiert sie das Vorbild nicht einfach, sondern ändert neben der Größe auch Form und Farbe. Verschmähte Bauten des 20. Jahrhunderts werden so zu kleinen Betonmonstern, die nicht mehr scheußlich oder bedrohlich wirken, sondern niedlich und harmlos. Wer immer noch Berührungsängste hat, kann sich den Bauten im Garten des Hauses auch spielerisch nähern. Auf Minigolfbahnen können Besucher die Bälle durch Bauruinen rollen, vorbei an Wohnhäusern der 60er lenken oder über eine zerbrochene Brücke mit bunter Mosaikverzierung fliegen lassen. Gebäude und Stadtmöbel, die, verbunden mit der Vorstellung von einem neuen Leben in der Stadt, einst errichtet worden waren und über die Jahre in Vergessenheit geraten sind, holt Weber zurück ins Bewusstsein. Ein solcher Ort ist die Trinkerecke. Die Installation aus Putz und Holz mit wabenförmigen Kübeln und eckigen Sitzsteinen erinnert an die naive Hoffnung, menschliches Verhalten auf Plätzen mit Objekten steuern zu können. Heute stehen diese Sitzecken weniger für den intendierten Treffpunkt des öffentlichen Lebens als für die Abschottung einer Gruppe von Menschen mitten im öffentlichen Raum.
Ina Webers Skulpturen, Installationen und Aquarelle erscheinen surreal, fremd und vertraut zugleich. Wie die Fußgängerzone im Ausstellungsraum mit ihren künstlichen Kübeln und den echten Blumen.
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