Kommentare der Schulleiter von 1960 und 2013
Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen
Text: Wieloch, Bruno; Behrens, Heinrich, Lünen
Kommentare der Schulleiter von 1960 und 2013
Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen
Text: Wieloch, Bruno; Behrens, Heinrich, Lünen
Der einstige, Bruno Wieloch (1960), und der heutige Schuldirektor, Heinrich Behrens über Hans Scharouns Schulbau in Lünen.
Schuldirektor Bruno Wieloch, 1960: „Keine Starrheit“
Sehr häufig wurde an mich die Frage gerichtet: Ist es notwendig, für eine höhere Schule eine so ungewöhnliche Bauform zu wählen? Was für pädagogische Gründe sprechen für diese Bauweise? Es wäre zu billig, wollte man nur antworten: Genauso wie man heute Wohnhäuser, Verwaltungsgebäude und Geschäftshäuser anders baut als vor einigen Jahrzehnten, wird auch für Schulen eine andere Bauweise erforderlich. Es geht beim Neubau des Mädchengymnasiums Lünen nicht darum, daß etwas anderes, ungewöhnliches entsteht. Bei diesem Neubau war allerdings der Gedanke maßgebend, dass alle Räume und Einrichtungen von der Funktion her ihre Gestalt erhalten sollen. (...)
Die Schule ist heute eine weitgehend vom Schüler selbst zu gestaltende Lebensstätte, also nicht nur eine von den Erwachsenen „organisierte“ Anstalt. Das starre Lehrprinzip muß dem demokratischen Prinzip der Zusammen- und Einzelarbeit sowie der Mitverantwortung weichen. (...) Das Wohlergehen der Schulgemeinschaft soll auch jeder Schüler als sein persönliches Ziel anstreben.
Es ist daher notwendig, dem gesamten Gebäude wie jedem einzelnen Klassenraum und seinen Einrichtungsgegenständen die strenge, rechteckige Starrheit eines vorgegebenen, kasernenmäßigen Einteilungsprinzips zu nehmen und beiden eine aufgelockerte Form zu geben, die diese Gestaltungsmöglichkeiten zuläßt und den Schüler zu aktiver Selbstgestaltung anregt. Dass dabei kein planloses Durcheinander entsteht (...) ist die besondere Kunst des Architekten, die vorausschauend den sinnvollen Ablauf des Schulalltags erfaßt.
Schulleiter Heinrich Behrens, 2013: „Dritter Pädagoge“
Artur Schopenhauer hat gesagt, Architektur sei gefrorene Musik. Würde man eine solche Perspektive auf das Scharoun-Gebäude der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen übertragen, dann hätte sich jeder schulpädagogische Aspekt von Architektur selbst ad absurdum geführt. Gefrorenes ist zwar schön Anzusehendes, aber Erstarrtes. Scharouns pädagogischer Ansatz ist gelebte und erlebte Musik, ist mitklingender und mitschwingender Raum. Das Gebäude lädt dazu ein, es zu bewohnen, einzuziehen, hier zu leben.
(...)
Die Klassenwohnungen sind ideale Räume für Schülerinnen und Schüler, da sie durch ihre Struktur zum Aufenthalt und zu vielen Aktivitäten animieren, die weit über das reine Unterrichten hinausgehen. Die Aufteilung der Klassenwohnungen in Klassenzimmer, Gruppennische, Eingangsbereich mit Garderobe und Waschbecken sowie Klassengarten ermöglicht es den Klassen, auf vielfältige Art Lern- und Begegnungsprozesse zu initiieren, sich durch individuelle Gestaltung den Klassenraum zu eigen zu machen und wie eine Wohnung anzunehmen.
Die Pausenhalle, der „Weg der Begegnung“, ist wie eine vielgestaltige Fußgängerpassage angelegt, ist Verkehrsraum und Ort für intensive soziale Kommunikation. Die Aula, die den Charakter eines Zeltes aufweist, das an Zirkus denken lässt und als polygonaler Raum mit einer ebenerdig liegenden Bühne an ein antikes Theater erinnert, ist Ort für intensive soziale Kommunikation. (...) Scharouns Architektur unterstützt wie ein „dritter Pädagoge“ aktiv erfolgreiches Unterrichten und Lernen.
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