Kommunikationsstrategien
Neue Pläne für den West Kowloon Culture District Hongkong
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Kommunikationsstrategien
Neue Pläne für den West Kowloon Culture District Hongkong
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Auf der Halbinsel West Kowloon soll das neue kulturelle Zentrum von Hongkong entstehen. Nach dem heftig kritisierten Wettbewerbsergebnis von 2001 waren in einem neuen Verfahren OMA, Rocco Design Architects und die damaligen Sieger Foster & Partners um Ideen gebeten worden. Die Darstellung ihrer Entwürfe zeigt, wie öffentlichkeitswirksam derartige Großprojekte heute kommuniziert werden.
Die Planungen für den West Kowloon Cultural District (WKCD) in Hongkong begannen Ende der 90er Jahre. Auf der aufgeschütteten Landzunge gegenüber der berühmten Skyline soll ein neuer Stadtteil entstehen, in dem große Flächen für Kultur und Entertainment vorgesehen sind. Den 2001 ausgeschriebenen Ideenwettbewerb mit 161 Teilnehmern gewann Norman Foster. Sein Vorschlag: das komplette, 40 Hektar umfassende Gelände, was einer Größe von rund 60 Fußballfeldern entspricht, mit einem Glasdach überspannen (Bauwelt 14.02). Nach heftiger öffentlicher Kritik und einem Wechsel im Chefamt der Sonderverwaltungszone Hongkong wurde die Ausschreibung jedoch später revidiert (Bauwelt 36.07). Offenbar hatte man verstanden, dass die Menschen bei derart großen Planungen in ihrer Stadt mitreden wollen. Im Jahr 2006 installierte Hongkongs Verwaltung eine Planungsbehörde, die in öffentlichen Foren mit (kulturellen) Interessengruppen, Investoren und Parteien mehrere Monate lang Vorschläge sammelte. Im Anschluss beauftragte die Behörde OMA, Rocco Design Architects und – erneut – Foster & Partners entsprechend den Ergebnissen dieser Gespräche ein Konzept für WKCD zu entwickeln: Allein 15 Orte für darstellende Künste standen im Raumprogramm, dazu eine als „M+“ bezeichnete Kulturinstitution mit einem Museum für moderne Kunst, ein Ausstellungszentrum für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft, eine Arena. Besonderer Wert wird auf die öffentliche Nutzung des Uferbereichs und die Verbindung zu den angrenzenden Stadtteilen gelegt. Zugleich waren mindestens drei Hektar öffentliche Freiräume gewünscht. Ende 2010 stellten die drei Büros ihre Ideen zur Diskussion, die auch im Netz geführt wurde (siehe Spalte rechts).
City Park
Üppiges Grün und runde Großstrukturen dominieren den ersten Eindruck des Vorschlags von Forster & Partners. Hier wird alles geboten, was der gängigen Vorstellung von einem lebendigen, ökologisch ambitionierten Stadtquartier entspricht: eine Mischung aus Kolonnaden, Gassen und Alleen, die Lebendigkeit erzeugen sollen, Parkanlagen mit Bühne und Promenade, fußgänger- und radfahrerfreundliche Straßen und unterirdischer motorisierter Verkehr. Dazu ist die ganze Palette üblicher Kulturorte im Plan markiert: Konzerthallen, ein Opernhaus, ein Museum für moderne Kunst, eine Arena mit Ausstellungszentrum, Orte für künstlerische Ausbildung und ein Wissenszentrum. Nicht zuletzt bezeichnen Foster & Partners ihren Entwurf als CO2-neutral. Die effektive Infrastruktur verbrauche wenig Energie. Zudem sind u.a. Grauwasser- und Müllrecycling und Einrichtungen für die Nutzung von Solar- und Windenergie vorgesehen.
Project for a New Dimension
OMA sehen West Kowloon als kommunal und teils landwirtschaftlich genutzten Park, in den sie drei städtische Zonen, die „villages“, einbetten. Damit wollen sie das große Areal in überschaubare Portionen teilen, und den Hongkongern einen vertrauten Begriff in die Hand geben. In seiner typisch markigen Sprache erläutert Rem Kohlhaas den jeweiligen Charakter. Das „Kunstdorf“ im Osten sei aufgebaut wie ein Barcode, mit übereinanderliegenden Bändern für Kunst, Design, Film und Popkultur, die in eine Kunstfabrik integriert sind. Das „Theaterdorf“ im Westen weise flexible Typologien auf, die sich sowohl klassischen und als auch modernen Produktionen anpassen können. Das „Mitteldorf“ sieht er als Erweiterung der Straßenmärkte von Kowloon. Kleine Läden, Galerien, ein Premierenkino für die lokale Filmbranche und ein Theater sind hier geplant.
Cultural Connect: Key to Sustained Vitality
Der Entwurf von Rocco Design Architects vermittelt den bodenständigsten Eindruck. Die Planer teilen die Fläche in drei „Layer“: die Grünzone, die Stadt und dazwischen die Kulturzone. Der städtische Teil im Norden, hauptsächlich für Wohnungen und Hotels vorgesehen, besteht aus V-förmigen Hochhäusern. Darauf folgt eine kulturell genutzte, deutlich niedrigere Bebauung, die durch Plätze strukturiert wird. Der Park nimmt die komplette Uferzone ein. Drei Straßenbahnlinien in Ost-West-Richtung erschließen das Gelände. Begrünte Dächer, natürliche Kühlung der Bauten durch die Ausrichtung entsprechend der Windrichtung, ein Kompost- und Meerwasserkühlsystem, Regenwasserrecycling, Windgeneratoren und PV-Paneele werden in Bezug auf Umweltfreundlichkeit aufgezählt.
Die Chefs höchstpersönlich
Sechs Sitzungen absolvierte die Jury, so die Presseerklärung auf der Seite www.wkcda.hk. Dabei habe sie die Projekte, zum Teil im Gespräch mit den Verfassern, in Bezug auf Flexibilität, Kosten, technische Machbarkeit und die Interessen der Bewohner und Investoren geprüft. Sie hat sich für den Entwurf von Foster & Partners entschieden. Das Projekt habe wegen des üppigen Grüns viel Unterstützung der Öffentlichkeit bekommen, heißt es unter anderem. Ob bei dieser Entscheidung planerische, wirtschaftliche oder eher kommunikative Aspekte den Ausschlag gegeben haben, wird niemand offiziell beantworten wollen. Die multimedialen Präsentationen der Teilnehmer und ihre Slogans jedoch zeigen, dass Verpackung und Kommunikation an Bedeutung gewinnen. Während Foster & Partners für Hongkong einen dichten, sonnendurchfluteten deutschen Wald rendern, lassen Rocco Design Architects die künftigen Bewohner in Comiczeichnungen auftreten. Und OMA betonen die Gleichzeitigkeit der Events, indem sie ihren Plan im Stil der Webseiten-Pop-up-Grafik visualisieren. In den zur Präsentation gehörigen Filmen agieren die Chefs selbstverständlich persönlich. „Kultur bedeutet Arbeit, nicht passives Konsumieren. Wir brauchen Sie!“, heißt es bei Rem Kohlhaas. Von einem „Ort für alle Menschen jederzeit“ spricht Rocco Yim. „Unsere Mission: Weltklasse, mit Symbolcharakter und für alle!“, verkündet Norman Foster.
Sechs Sitzungen absolvierte die Jury, so die Presseerklärung auf der Seite www.wkcda.hk. Dabei habe sie die Projekte, zum Teil im Gespräch mit den Verfassern, in Bezug auf Flexibilität, Kosten, technische Machbarkeit und die Interessen der Bewohner und Investoren geprüft. Sie hat sich für den Entwurf von Foster & Partners entschieden. Das Projekt habe wegen des üppigen Grüns viel Unterstützung der Öffentlichkeit bekommen, heißt es unter anderem. Ob bei dieser Entscheidung planerische, wirtschaftliche oder eher kommunikative Aspekte den Ausschlag gegeben haben, wird niemand offiziell beantworten wollen. Die multimedialen Präsentationen der Teilnehmer und ihre Slogans jedoch zeigen, dass Verpackung und Kommunikation an Bedeutung gewinnen. Während Foster & Partners für Hongkong einen dichten, sonnendurchfluteten deutschen Wald rendern, lassen Rocco Design Architects die künftigen Bewohner in Comiczeichnungen auftreten. Und OMA betonen die Gleichzeitigkeit der Events, indem sie ihren Plan im Stil der Webseiten-Pop-up-Grafik visualisieren. In den zur Präsentation gehörigen Filmen agieren die Chefs selbstverständlich persönlich. „Kultur bedeutet Arbeit, nicht passives Konsumieren. Wir brauchen Sie!“, heißt es bei Rem Kohlhaas. Von einem „Ort für alle Menschen jederzeit“ spricht Rocco Yim. „Unsere Mission: Weltklasse, mit Symbolcharakter und für alle!“, verkündet Norman Foster.
Bis zum Sommer soll auf Grundlage des Foster-Vorschlags ein Entwicklungsplan erarbeitet werden. Darin sollen auch Ideen der beiden anderen Entwürfe, die bei der Bevölkerung großen Anklang gefunden haben, einfließen.
Der kritische Blick | Kommentare aus dem Netz
Bevor die Jury ihre Entscheidung bekanntgab, waren alle drei Entwürfe im Netz veröffentlicht. Wir haben einige Kommentare von Nutzern der englischsprachigen Designplattform dezeen.com übersetzt. Sie sezieren die Bilder und Texte der Teilnehmer und liefern teils nachvollziehbare Argumente.
NMT | Häufig zerstören westliche Architekten die Stadtsilhouette asiatischer Städte, indem sie unser Wachstum und unsere Bedürfnisse als Spielwiese für ihre Entwurfsexperimente missbrauchen. Hongkong ist meine großartige Stadt, und ich bin froh, dass Foster sie nicht verunstalten will. Er hat das gut gemacht, weil er begriffen hat, was Hongkong braucht.
tma | Eine Kollage ohne Botschaft. Jedes Büro könnte so einen Vorschlag machen. Ich verstehe nicht, was Fosters Plan vermitteln will. Eine Stadt wie Hongkong sollte dieses besondere Grundstück als Chance begreifen, etwas zu entwickeln, das „wirklich“ nachhaltig ist. Mit Bäumen allein ist das nicht getan.
bigchilli | Ich denke Fosters Projekt hat nichts mit Hongkong zu tun. Es könnte auch in London, New York oder Dubai entwickelt werden. Es wirkt einfach nur wie ein weiteres kommerzielles Gebiet in einer Stadt mit so viel Tradition. Schöne Bilder, aber das ist nicht genug.
hong kong boy | Der erste „CO2-neutrale Park“, das muss eine Erfindung von Foster sein. Wenn es im Entwurf um den Park geht, was soll dort stattfinden? Ich sehe nichts als einen künstlichen Wald. Wenn das ein Wald sein soll, was hat dieser mit einem Kulturviertel zu tun? Wenn es ein Kulturviertel sein soll, warum sieht es dann aus wie ein Geschäftsviertel? Schließlich: Warum sieht dieses Geschäftsviertel wie irgendein beliebiges Einkaufszentrum auf der Welt aus?
Feesh | Ich mag den Vorschlag von Foster & Partners weil er als einziger eine nachvollziehbare Erschließung vorsieht. Wahrscheinlich ist es sehr teuer, die Autos unter die Erde zu verlegen, aber es scheint mir nötig, wenn das Gelände belebt sein soll. Die Erschließung ist mein größter Kritikpunkt an Roccos Entwurf. Während die einzelnen Bereiche im Quartier sehr gut verbunden sind, kehrt das Quartier Kowloon den Rücken zu. Die Räume zwischen den Dörfern von OMA scheinen mir vollkommen überdimensioniert. Vielleicht sind sie ja eine Hommage an Kohlhaas’ Aufenthalt im Arts Quad der Cornell University im bitterkalten Ithaca. Das ist ein wunderbarer Raum, aber ich glaube nicht, dass er im heißen, sonnigen Hongkong beliebt wäre. Da hilft auch nicht, dass OMA die Schatten der Morgensonne gezeichnet hat. Jeder Hongkonger weiß, dass die Nachmittagssonne die entscheidende ist.
erikbnyc | Mir gefällt OMA’s Idee der dichten, kleinen Gebäude, die eher kleine städtische Quartiere ergeben, als ein Konzept für das gesamte Gelände. Das Ufer wirkt aber irgendwie vergessen. Da fehlt eine Idee. Im Video wirkt Rem Kohlhaas wie der Mandela/Bono der kreativen Welt. Ziemlich komisch.
simon lee | Ein ehrlicher Vorschlag von OMA. Kein Gejubel wie erstklassig Hongkong durch die Planung sein wird. Es ist ja erst der erste Schritt.
simon lee | Ein ehrlicher Vorschlag von OMA. Kein Gejubel wie erstklassig Hongkong durch die Planung sein wird. Es ist ja erst der erste Schritt.
NMT | Vielleicht kann man Roccos Masterplan verwenden und Foster oder OMA die Gebäude entwerfen lassen? Roccos Vorschlag ist realistisch und hat einen menschlichen Maßstab, das passt zu Hongkong. Wir brauchen diese Art von öffentlichen Räumen, intim aber nicht isoliert.
gab xiao | Eleganter Vorschlag von Rocco, der sich mit der Geländegröße und seinem Uferbezug befasst. Logisch, machbar, ein starkes Bild von Stadt.
JulesTheGeek | Konzeptuell ist OMA am stärksten. Man könnte sogar sagen, die anderen haben gar kein Konzept. Ich mag die Romantik von Fosters Stadtpark. Ich mag wie OMA sich mit dem lokalen Kontext und den Menschen in Hongkong auseinandersetzen. Roccos Entwurf ist sensibel und kompetent und scheint auf den ersten Blick der beste zu sein. Schöne Idee, die Kultur zwischen Ufer und Altstadt zu klemmen, nur der Eingang in das Quartier wirkt schwach.
Kilgore Trout | Hongkong hat keinen einzigen schönen Park. Die Stadt braucht dringend eine gut entworfene Freifläche, die nicht betoniert ist wie Kowloon Park oder Victoria Park.
0 Kommentare