Kompromittierende Details
Edward Burtynskys „Oil“ bei C/O Berlin
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Kompromittierende Details
Edward Burtynskys „Oil“ bei C/O Berlin
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Die Gewinnung des schwarzen Goldes ist ein im Wortsinne schmutziges Geschäft. Die Branche lässt sich ungern in die Karten schauen. In Saudi-Arabien durfte Edward Burtynsky erst gar nicht fotografieren.
Der kanadische Fotograf Edward Burtynsky hat sich auf Industrielandschaften spezialisiert. Einmal, 1997, auf dem Weg zu einer Kohlemine, sei ihm das Benzin ausgegangen, so erzählt er. In seinem Auto festsitzend, sei ihm plötzlich bewusst geworden, dass alles in seinem unmittelbaren Blickfeld, vom Armaturenbrett bis zur Outdoor-Kleidung, seinen Ursprung im Öl hatte – und wie sehr unsere Lebensweise auf diesem Rohstoff basiert. Er begann, über Öl als Sujet nachzudenken. Seither dokumentiert er den Kreis-lauf des Öls: von der Gewinnung über die Veredelung, den Einsatz in der Konsumkultur bis hin zum Recycling auf den Schrottplätzen. Rund 30 seiner eindrucksvollen, großformatigen Aufnahmen sind zur-
zeit bei C/O Berlin zu sehen.
Burtynsky fotografiert meist aus der Vogelperspektive. Dafür mietet er Hubschrauber, klettert auf Kräne oder lässt sich mit einem speziell für seine Arbeit angefertigten „Lift“ in die Höhe heben. Viele seiner unwirtlichen, meist menschenleeren Landschaften erinnern an dystopische Science-Fiction-Filmsets. Andere Bilder, von verlassenen Ölfelder etwa, verströmen auf den ersten Blick den harmlos-morbiden Charme einer untergegangenen Epoche: die mit unzähligen Förderhämmern bestückten, endlosen Weiten Nordamerikas; die gründerzeitlichen Bohrfelder rund um Aserbaidschans Hauptstadt Baku mit ihren grazilen, spinnenbeinähnlichen Türmchen. Schon früh bedeutete Öl gleichzeitg Macht. Baku war das erste Eldorado für Ölsucher (Bauwelt 36.2009). Etwa die Hälfte der Welt-Rohölproduktion des frühen 20. Jahrhunderts kam von dort; der Versuch der deutschen Wehrmacht, diese Ölfelder einzunehmen, endete bereits in Stalingrad. Längst sind die damaligen Vorräte erschöpft und man fördert off-shore im Kaspischen Meer.
Die Gewinnung des schwarzen Goldes ist ein im Wortsinne schmutziges Geschäft und geschieht oft an abgelegenen Orten. Die Branche lässt sich ungern in die Karten schauen. In Saudi-Arabien durfte Burtynsky erst gar nicht fotografieren. Seine Aufnahmen beeindrucken durch eine scheinbar makellose Ästhetik, enthüllen bei genauem Hinsehen aber kompromittierende Details von den Folgen der Erdölförderung: Pipeline-Bündel, die dichte Wälder zerschneiden, riesige Ölteppiche, die, an historische Landschaftsmalerei erinnernd, im Golf von Mexiko treiben. Das andere Ende der Verwertungskette mutet nicht minder gespenstisch an: Barfüßige Arbeiter zerlegen an den Abwrackstränden im Golf von Bengalen die verseuchten Schiffe mit einfachsten Werkzeugen. Teile von Bordwänden werden im seichten Wasser von einer schlammigen Ölmasse umspült. Der Küstensaum ist übersäht mit ausrangierten Tankern und Frachtschiffen. Bei einsetzender Flut müssen sie von Hand ans Ufer gezogen werden.
zeit bei C/O Berlin zu sehen.
Burtynsky fotografiert meist aus der Vogelperspektive. Dafür mietet er Hubschrauber, klettert auf Kräne oder lässt sich mit einem speziell für seine Arbeit angefertigten „Lift“ in die Höhe heben. Viele seiner unwirtlichen, meist menschenleeren Landschaften erinnern an dystopische Science-Fiction-Filmsets. Andere Bilder, von verlassenen Ölfelder etwa, verströmen auf den ersten Blick den harmlos-morbiden Charme einer untergegangenen Epoche: die mit unzähligen Förderhämmern bestückten, endlosen Weiten Nordamerikas; die gründerzeitlichen Bohrfelder rund um Aserbaidschans Hauptstadt Baku mit ihren grazilen, spinnenbeinähnlichen Türmchen. Schon früh bedeutete Öl gleichzeitg Macht. Baku war das erste Eldorado für Ölsucher (Bauwelt 36.2009). Etwa die Hälfte der Welt-Rohölproduktion des frühen 20. Jahrhunderts kam von dort; der Versuch der deutschen Wehrmacht, diese Ölfelder einzunehmen, endete bereits in Stalingrad. Längst sind die damaligen Vorräte erschöpft und man fördert off-shore im Kaspischen Meer.
Die Gewinnung des schwarzen Goldes ist ein im Wortsinne schmutziges Geschäft und geschieht oft an abgelegenen Orten. Die Branche lässt sich ungern in die Karten schauen. In Saudi-Arabien durfte Burtynsky erst gar nicht fotografieren. Seine Aufnahmen beeindrucken durch eine scheinbar makellose Ästhetik, enthüllen bei genauem Hinsehen aber kompromittierende Details von den Folgen der Erdölförderung: Pipeline-Bündel, die dichte Wälder zerschneiden, riesige Ölteppiche, die, an historische Landschaftsmalerei erinnernd, im Golf von Mexiko treiben. Das andere Ende der Verwertungskette mutet nicht minder gespenstisch an: Barfüßige Arbeiter zerlegen an den Abwrackstränden im Golf von Bengalen die verseuchten Schiffe mit einfachsten Werkzeugen. Teile von Bordwänden werden im seichten Wasser von einer schlammigen Ölmasse umspült. Der Küstensaum ist übersäht mit ausrangierten Tankern und Frachtschiffen. Bei einsetzender Flut müssen sie von Hand ans Ufer gezogen werden.
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