Bauwelt

Konzept-Körper-Hüllen

„Art & Fashion“ im Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Foto: Boy Kortekaas

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Konzept-Körper-Hüllen

„Art & Fashion“ im Kunstmuseum Wolfsburg

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Das Kunstmuseum Wolfsburg ist den Beziehungen zwischen Kunst und Mode bereits in mehreren Ausstellungen nachgegangen. Auffällig bei dem aktuellen Überblick ist die Dominanz niederländisch-belgischer Protagonisten.
Dass die menschliche Bekleidung genauso wenig rein funktionalen Notwendigkeiten gehorcht wie eine andere Körper-Hülle, die menschliche Behausung, ist ein Allgemeinplatz. Und dass die „Mode“ – allein schon verdeutlicht durch die etymologische Nähe zum Begriff „Moderne“ – immer auch ein Tummelplatz avantgardistischer Interdisziplinarität war, ist spätestens seit den Kostüm- und Kleiderentwürfen des russischen Konstruktivismus augenfällig, die wie kompakte Synthesen von dessen tektonischen und grafischen Prinzipien wirken.
Seit den 1960er Jahren hat sich die westliche Haute Couture vom vormaligen Ideal einer aristokratischen, teuren Eleganz verabschiedet und sich Elemente einer trivialen, mitunter gesellschafts­kritischen Pop Art zu Nutzen gemacht. Japanische Entwerfer mit ihrer minimalistischen Strenge wurden ab 1980 zu weiteren Trendsettern; der östlichen Sichtweise sind zudem die starren Grenzen zwischen angewandter und bildender Kunst fremd. Mit einer extremen formalen Individualisierung, aber auch mit der Dekonstruktion ihrer Entstehungsprozesse (beispielsweise in Form von nur teilweise fertig genäht wirkenden Stücken) ist die Mode seit geraumer Zeit als autonome Konzeptkunst in künstlerischen Sphären und musealen Sammlungen endgültig etabliert.
Das Kunstmuseum Wolfsburg ist den Beziehungen zwischen Kunst und Mode bereits in mehreren Ausstellungen nachgegangen. Auffällig bei dem aktuellen Überblick mit dem Titel „Art & Fashion. Zwischen Haut und Kleid“ ist die Dominanz niederländisch-belgischer Protagonisten. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Ausstellung auf Leihgaben des Museums Boijmans Van Beuningen in Rotterdam zurückgreift, und hat einen erfrischend hohen Unter­haltungsfaktor – mit dem provokantem Überschuss und den absurden Zuspitzungen, wie er für künst­lerische Artikulationen dieser Provenienz nicht nur in der Mode zur Zeit charakteristisch scheint.
Alle sechs Monate ein neues Statement
So liefert das niederländische Designerpaar Viktor & Rolf zu einem Kleid gleich die komplette Laufsteg­montur aus Licht- und Tonanlage mit. Oder durchbohrt in einem „Kettensägenmassaker“ den ausladenden Tüllrock eines konventionellen Ballkleids mit tiefen Löchern, die es wie ein übergroßes Stück Schweizer Käse erscheinen lassen. Der Belgier Martin Margiela, bis zum Verkauf seines Modehauses über 20 Jahre lang Speerspitze derartiger Konzeptmode, fertigt eine Weste aus den Scherben gängigen Tafelporzellans oder demonstriert seine handwerkliche Präzision an einem roten Mantel aus edlem Tuch, dessen verschiedene Werkphasen mit lockerer Heftnaht zusammengefügt sind. Exzentrischer Star der Szene ist augenblicklich Walter van Beirendonck, 1957 in Belgien geboren und Professor der Königlichen Kunstakademie Antwerpen, an der er selbst studiert hat. Er arbeitet unter anderem für Film und Theater, er hat Bühnenkostüme für U2 geliefert und liebt die Schnelligkeit der Mode, die alle sechs Monate ein neues Statement von ihm verlangt – reine Kunst wäre ihm viel zu langsam. Er zieht Inspirationen aus dem Sadomasochismus, hat keine Scheu vor der plakativen Sexualisierung des menschlichen Körpers mit diversen „Body Extensions“ und persifliert sich selbst als Teil des Systems Mode. So ließ er einmal seine Models vom Pariser Laufsteg fallen und veranstaltete eine Ausstellung zur plastischen Chirurgie aber auch zur Selbstverstümmelung. In Wolfsburg ist er unter anderem mit einem T-Shirt vertreten, das mit maskulinem Brusthaar bedruckt ist, und mit einem grünen Kunststoffbart samt Blumenschmuck aus der Sommerkollektion 2009. In Zeiten allgemeinen Epilierwahns, so scheint es, wird künstliche Behaarung zum ästhetisch möglichen Reservat.

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