Bauwelt

Krise und Berufsethos

Zur prekären Situation griechischer Architekten

Text: Constantopoulos, Elias, Athen

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Robert Wallace

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Krise und Berufsethos

Zur prekären Situation griechischer Architekten

Text: Constantopoulos, Elias, Athen

Seit den 90er Jahren boomte die Architektur in Griechenland, wie man es hier nie zuvor erlebt hatte. Einen kräftigen Impuls gab das Jahr 2004, als die Olympischen Spiele in Athen die Fertigstellung vieler Großprojekte (ungeachtet einer Reihe schwerwiegender Mängel) vorantrieben.
Dann kam die Finanzkrise, und fast alle Projekte wurden gestoppt. So etwa der kurz nach der Jahrtausendwende initiierte Plan für ein Netz neuer Nationalstraßen – mit dem Ergebnis, dass in den abgelegenen Regionen Grie­chen­lands jede Form von Entwicklung zum Stillstand gekommen ist.

Ein Blick auf die aktuellen Daten der Bauindustrie, die das griechische Amt für Statistik (EL.STAT.) veröffentlicht hat, offenbart das ganze Ausmaß: Das Bauvolumen des Jahres 2012 betrug nur noch etwas mehr als ein Zehntel des Bauvolumens 2005. Dieser dramatische Rückgang zieht alle mit der Bauindustrie verbundenen Branchen in Mitleidenschaft. Die Arbeitslosigkeit ist dramatisch gestiegen. Und das Immobilien-Überangebot, besonders im Wohnungsbau, führt zu enormem Leerstand – weil die Menschen entweder ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder die Verkaufspreise zu hoch sind.
Selbstverständlich geht diese Entwicklung an den Architekten nicht spurlos vorüber, im Gegenteil, sie hat enorme Auswirkungen auf ihren Berufsstand, die ebenso komplex wie widersprüchlich sind. Einerseits steigt die Zahl der Arbeitslosen auch unter den Architekten; große Büros, die ihre Angestellten nicht halten können, sind gleichermaßen betroffen wie Ein- und Zwei-Personen-Büros. Andererseits steigt die Zahl der in Griechenland registrierten Architekten seit vielen Jahren, gegenwärtig sind es 18.641. Eine ganze Menge, verglichen mit anderen europäischen Ländern.
Die Sache ist allerdings weniger paradox, als sie scheint, wenn man bedenkt, dass neben den beiden traditionellen Architekturschulen in Athen und Thessaloniki seit 1999 vier neue Architekturfakultäten gegründet wurden: in Patras, Thessalien, Thrakien und auf Kreta. Die nun sechs griechischen Architekturschulen nehmen jedes Jahr mehr als 100 Studenten auf und vergrößern so spürbar die Zahl der Architekten, die in Griechenland selbst, aber auch im Ausland Arbeit suchen.
Zurzeit sind keine neuen Jobs zu erwarten, die Konkurrenz auf dem begrenzten Markt wächst. Diese Gemengelage führt zu einer Vielzahl von Nebenwirkungen im Verhältnis von Architekt und Bauherrn, die langfristig dazu angetan sind, das Berufsethos der Architekten zu zerstören. Privat finanzierte Projekte sind selten dieser Tage, da der Immobilienmarkt das erste Mal seit Jahrzehnten dramatisch nachgibt; bisher war man stets gewohnt, dass die Grundstücks- und Immobilienpreise steigen. Einfach um ihr täglich Brot verdienen zu können, führen viele Architekten jetzt Jobs aus, die kaum mehr als verfahrenstech­nische Angelegenheiten sind: Es geht um die nachträglich „Legalisierung“ illegaler Anbauten. Mit den neuen Baugesetzen ist das möglich, ja sogar erwünscht. Denn der Staat kann für diese dann offizi­ellen Bauten Steuern erheben – und gleichzeitig die Eigenheimbesitzer besänftigen. Eine Praxis, die die Glaubwürdigkeit weder unseres Landes noch unserer Profession besonders fördert.
Die Qualität öffentlicher Projekte, so es sie denn noch gibt, leidet nicht zuletzt unter den immensen Rabatten auf Architektenhonorare, die die Büros gewähren, um an einen Auftrag zu kommen. In dem kürzlich veröffentlichten Text „The Uncontrol­lable Collapse of our Dignity. On Discounts, Fees and Morals in Architecture“, weist der Architekt und Professor an der Technischen Universität in Athen G.S. Triantafyllou völlig zurecht darauf hin, dass Rabatte von derzeit 40 bis 70 Prozent entweder zu der Annahme führen, dass Architekten bisher monströse Profite eingestrichen haben, oder dazu, dass die Büros junge Architekten für ein entwürdigendes Gehalt von 300 Euro im Monat anstellen müssen.
Gibt es, trotz allem, irgendwelche positiven Zeichen dafür, dass wir aus dieser Krise herauskommen? Damit die Bauindustrie wieder auf die Beine kommt, braucht es öffentliches wie privates Geld. Doch hohe Steuern und die enormen Gehaltskürzungen behindern eine Entwicklung im Bauwesen und auf dem völlig darniederliegenden Immobilienmarkt ganz erheblich. Einige wenige Großprojekte stehen trotzdem in den Startlöchern, in Athen etwa die neue Nationaloper und die neue Bibliothek (unterstützt von der Stavros-Niarchis-Stiftung) und das Museum für Moderne Kunst; Wettbewerbe für das Museum für Unterwasseraltertümer in Piräus und für die Erneuerung der Athener Innenstadt (ausgelobt von der Onassis-Stiftung) sind abgeschlossen. Wenn es gelingt, diese Projekte zu realisieren, entstehen neue Arbeitsplätze, die ein wenig Hoffnung für die unmittelbare Zukunft geben. Eine Reihe weiterer Wettbewerbe für öffentliche Räume und Plätze ist ausgelobt worden insbesondere in Thessaloniki und im Norden Griechenlands, mit enthusiastischer Beteiligung junger Architekten, die in vielen Fällen Preise gewonnen haben. Eine andere Richtung, in die es für Architekten und Bauherren gehen kann: die Renovierung und Umnutzung bestehender Bauten vor allem auf Industriebrachen, was neue Möglichkeiten der Arbeit in den Stadtzentren eröffnen würde.
Und zu guter Letzt: Die Beharrlichkeit und Beständigkeit, mit der einige Vertreter der griechischen Architektur auch in schwierigen Zeiten ihren Anspruch durchgesetzt haben, sollte nicht unbeachtet bleiben. Der kürzlich verstorbene Orestis Doumanis, Gründer von „Architecture in Greece“, „Design + Art in Greece“ und des Griechischen Architekturinstituts, das in 18 Jahren mehr als 200 Veranstaltungen durchgeführt hat – ohne jegliche staatliche Unterstützung – Doumanis ist so ein seltenes Beispiel für Stehvermögen und Inspiration, an das man sich in diesen Zeiten erinnern sollte.
Aus dem Englischen von Jan Friedrich

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