Bauwelt

L’Equerre

Nachdruck der belgischen Zeitschrift der Moderne

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Foto: Pierre Geurts

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L’Equerre

Nachdruck der belgischen Zeitschrift der Moderne

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Die Architekturzeitschrift „L’Equerre“, erschienen zwischen 1928 und 39, wurde nachgedruckt und zu einem dicken Buch gebunden. Alle Texte im Mantelteil sind zweisprachig englisch-französisch.
Pierre Hebbelinck ist Architekt in Lüttich. Sein Theaterneubau in Mons fand 2001 auch international Beachtung (Bauwelt 14.07). Zurzeit baut er mit seinem Partner Pierre de Witt das Theater seiner Heimatstadt um. Mit großer Begeisterung, aber nur geringem finanziellen Budget betreibt er in seinem Büro auch einen Buchverlag: die Editions Fourre-Tout. Erschienen sind bisher kleinformatige, zum Teil extrem kleinformatige Taschenbücher zur Architektur­theorie und Dokumentationen zu seinen Bauten, in denen er bis in alle Details den Prozess der Planung und Realisierung darlegt. Alle Veröffentlichungen weisen einen eigenwilligen konzeptionellen und gestalterischen Ansatz auf, den es zu entdecken gilt.
Nun kann Hebbelinck mit einer Besonderheit aufwarten. Ihm ist es nach jahrelanger Vorarbeit gelungen, die belgische Bauzeitschrift der Moderne „L’Equerre“ (Das Dreieck) in Faksimile komplett nachzudrucken. L’Equerre erschien von 1928 bis 39 in Lüttich und wurde von Studenten und wenig später von jungen, weniger bekannten Architekten gemacht, die, wie bei anderen Zeitschriften der Avantgarde in dieser Zeit, nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung hatten. Die redaktionelle Arbeit ist geprägt von der Passion für die Moderne mit ihren Bezügen zu Kunst, Technik und neuer Mobilität. Eindrucksvoll ist die Sonderausgabe Ende 1936. Darin wird die Flugplatzplanung für Brüssel zur Diskussion gestellt und mit anderen aktuellen Planungen in Europa verglichen. Überhaupt widmen sich die späteren Heften viel dem Vergleich der europäischen Strömungen der Moderne um deutlich zu machen, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Die Titelseiten der Hefte sind grafisch einfach und haben mit der festen Überzeugung, eine neue bessere Welt zu schaffen, eine klare Botschaft. Der Untertitel lautet eine Zeit lang „pour une meilleure architecture“. Die Dezember-Ausgabe 1933 gibt ein Interview mit Le Corbusier bei einem Besuch in Brüssel wieder. Darin spricht er voller Sorge von den politischen Strömungen gegen die Moderne in Deutschland und in der Sowjetunion. Zum gefährlichen Straßenverkehr in Brüssel soll er mit Blick auf die bessere Stadt, seine Ville Radieuse, ausgerufen haben: „Zum Teufel, un- ser Leben ist schlimmer als das der Hasen. Die brauchen nur während der Jagd den Tod befürchten.“ Vom Grand Place in Brüssel war er begeistert und sprach von einem „Meisterwerk des Kunsttischlerhandwerks“ – und fügte hinzu, „aber ist es noch Architektur?“
Der Nachdruck umfasst 1280 Seiten – hauchdünnes, glattes Papier. Hebbelinck hat fünf einführende Texte hinzugefügt, die die Entstehung und das Umfeld der Zeitschrift beleuchten. Hierfür gelang es ihm, u.a. den Bauhistoriker Jean Louis Cohen zu gewinnen, der einen umfassenden Blick auf die Zeitschriften der zwanziger Jahre wirft. Der belgische Historiker Sébastien Charlier berichtet von seinen Forschungen am Nachlass der Zeitschrift L’Equerre, mit einem reichen Schatz an Korrespondenz, der sich im Getty Research Institut in Los Angeles befindet.
Das Durchblättern der 107 erschienenen Ausgaben von L’Equerre ist auch insofern interessant, als dass die Zeitschrift immer wieder auch auf die Entwicklungen in Deutschland eingeht. Im Vordergrund steht jedoch, wie belgische Büros mit den Einflüssen aus der großen weiten Welt – meist im Wohn- und Siedlungsbau – umgehen. Baudokumentationen gibt es so gut wie keine. Alles reduziert sich auf wenige Fotos. Am Ende des insgesamt 1348 Seiten umfassenden und 3,5 Kilogramm schweren Werks hat Hebbelinck auch noch einen Index angefügt, eine akribische Liste der seit 2004 in den Archiven gefundenen Informationen und die Lebensläufe aller an der Produktion der Zeitschrift beteiligten Architekten mit ihren realisierten Bauten. Das Dokumentarische bis ins kleinste Detail – typisch für Hebbelincks „Baubücher“ – wird hier auf die Spitze getrieben.
Fakten
Architekten Hebbelinck, Pierre, Lüttich
aus Bauwelt 12.2013
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