Bauwelt

Lockruf aus dem Westen

Editorial

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Foto: Agata Achermann

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Lockruf aus dem Westen

Editorial

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Authentizität als Mixtur aus nostalgischen Eindrücken der Aufbruchstimmung in den fünfziger Jahren und einer neuartigen Shop- und Erlebniswelt. Dafür steht das Bikini-Haus mit seinen Nachbarn in der City-West von Berlin
Früh am Morgen werden die Paviane zum ersten Mal gefüttert. Dann kommt Unruhe auf. Die Tiere drängen lautstark zu Grünzeug und Bananen. Auch die anderen Affen und die etwas entfernter untergebrachten Löwen sind bei der Fütterung zu hö­ren. Das kann mitunter etwas bedrohlich klingen. Das 1957 errichtete „Bikini-Haus“ grenzt direkt an den Felsen der Paviane im Zoologischen Garten von Berlin. Das Tiergeschrei bekommt der frühe Besucher der neuen Terrasse mit den Edelboutiquen im ehemaligen Bikini-Luftgeschoss mit. Darunter, im Erdgeschoss, befindet sich „Deutschlands erste Concept Mall“. Dort, am großen Panoramafenster in den Zoo, ist der Lärm nicht zu hören, die Paviane aber sind immer präsent.
Doch auch abseits der Affen ist im Bikini-Haus eine in dieser Form neue Einkaufswelt entstanden. Für deren Macher ist das klassische Shopping Center längst passé. Es geht darum, mit Erlebnissen und schnellem Wechsel Neugier zu wecken. Um vor allem junge Kunden, die verstärkt im Internet bestellen, hierher zu locken, brauche man ein „Trendforum“ oder einen „modernen Marktplatz“, der spannende Shops miteinander kombiniert. Hierfür sammelt man keine der üblichen Filialisten zusammen, sondern „kuratiert“ das Ganze mit Na­men, die man zuvor kaum gehört hat, damit etwas Einzigartiges herauskommt (mit Ausnahme des Supermarkts „Kaiser’s“). Einkaufen wird als kulturelle Leistung vermarktet! Es kommt dabei in der Mall sogar zur „kreativen Explosion einer Supernova – die kurz aufleuchtet und dann verglüht“. Bei der Auswahl der Boutiquen im Ex-Luftgeschoss nahm der Berliner Concept-Store-Unternehmer Andreas Murkudis eine wichtige Rolle ein. Ins Erdgeschoss sind zusätzlich 19 „Bikini-Boxen“ aus Holz und Metallgitter eingestellt. Hier kann man schon für drei Monate Pop-Up-Stores mieten, die kleinste Einheit mit 19 Quadratmetern soll je nach Dauer für monatlich ab 1900 Euro zu haben sein. Ist die Ähnlichkeit der Boxen mit den Zookäfigen Zufall?
Unser Autor hat das Bikini-Haus besucht und das unmittelbar angrenzende Gebäude, das in den letzten Jahren zum Hotel „25hours“ umgebaut wurde. Werner Aisslinger kam hier zum Zuge und füllte es zu einer Erlebniseinrichtung. Ob dieses zusammengewürfelte Interieur mit viel Stoffoberfläche auch nur wenige Jahre durchstehen wird? Vielleicht ist das aber gar nicht wichtig, weil Kreativität auch hier stetigen Wechsel bedeutet.
Die Fassade des Bikini-Hauses zum Breitscheidplatz hat hingegen Bestand. Sie gewann ihre große Qualität zurück, und es ist den Münchner Architekten Hild und K zu danken, dass hierbei auf die Details geachtet wurde. Nur die geforderte Aufstockung überzeugt nicht. Sie ist etwas zurückgesetzt und fällt daher glücklicherweise nicht ins Auge. Die Büros in den Obergeschossen sind noch nicht fertig, hier hat jeder Mieter eigene Architekten mitgebracht.
Das Großkino Zoo-Palast gehört ebenfalls zum alten „Zentrum am Zoo“ von 1957. Es wurde vorbildlich saniert und umgebaut – und auf seiner Westseite unglücklich ergänzt. Nur wenige Schritte entfernt wird in diesem Jahr die renommierte Fotogalerie C/O Berlin im ehemaligen Amerikahaus eröffnen und eine weitere neue Adresse in City-West-Lage sein.
Das 2013 fertiggestellte Hochhaus Zoofenster ist mit seinen 119 Metern der große, das gesamte Quartier bestimmende Bau. Dessen Vorgeschichte war äußerst schwierig und lang. 1993 gab es ein Projekt von Richard Rogers. Der Bauherr zog sich zurück. Viele Jahre lag das Grundstück brach. Es folgte ein Neustart mit Geld aus Abu Dhabi, dem Betreiber Waldorf Astoria und dem Architekten Christoph Mäckler. Die Turmkomposition mit glattem und geriffeltem Naturstein zeigt unverkennbar die Handschrift Mäcklers, so wie das Turmprojekt vor über zwanzig Jahren unverkennbar Rogers zugeordnet werden konnte. Zum Zoofenster bleibt man auf Distanz. Das städtische Leben ist dort noch nicht angekommen.
Fakten
Architekten Aisslinger, Werner, Berlin; Hild und K, München; Prof. Christoph Mäckler Architekten, Frankfurt am Main
aus Bauwelt 16.2014
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