„Mercedes-Fahrzeuge standen schon immer vor solchen Gebäuden“
Deutschland
Text: Adam, Hubertus, Zürich
„Mercedes-Fahrzeuge standen schon immer vor solchen Gebäuden“
Deutschland
Text: Adam, Hubertus, Zürich
Interview mit Savvas Ciriacidis und Alex Lehnerer über das Pavillonthema "Bungalow Germania"
Mit einer Collage konnten die in Zürich ansässigen Architekten Alex Lehnerer und Savvas Ciriacides im letzten Jahr die Jury für den deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale Venedig überzeugen. Die Visualisierung zeigte den Bonner Kanzlerbungalow von Sep Ruf, hineinmontiert in den Innenraum des deutschen Pavillons auf dem Biennale-Gelände in Venedig. Und dieses Bild haben die Architekten in den vergangenen Monaten auch umgesetzt: Ein Teilnachbau des Kanzlerbungalows steht im Innenraum des deutschen Pavillons. Der Nachbau erfolgte so authentisch wie möglich: im Maßstab 1:1, mit realen Materialien, mit den exakten Details des Vorbilds, und nicht als abstrakte Andeutung.
Alex Lehnerer | „Alles besteht aus Originalmaterial. Es gibt keine Abstraktion. Das ist nicht das Spiel. Wir zielen auf die Ambivalenz zwischen Ausstellung und Bau, nicht auf das Thema des Modells. Eine Anregung für uns war die Bauausstellung in Berlin 1931, bei der reale Häuser in Hallen errichtet worden waren.“
Der Eindruck, dass es sich letztlich um einen ephemeren Einbau in eine statische Hülle handelt, sollte unbedingt vermieden werden. Ziel war eine Gleichgewichtigkeit beider sich verschneidender Strukturen: man kann den „Bungalow Germania“ als dreidimensionale Kippfigur verstehen, bei welcher sich das Verhältnis von Vordergrund und Hintergrund, Innen und Außen ständig verändert.
Anders als bei den vergangenen Architekturbiennalen, bei denen der deutsche Pavillon zwar thematisiert oder kritisch hinterfragt wurde (zum Beispiel durch die Nutzung des Seiteneingangs, um den repräsentativen Charakter zu konterkarieren), er aber ansonsten als Container für mehr oder weniger klassische Architekturausstellungen diente, setzen Ciria-cides und Lehnerer auf das reale Erlebnis des Raums. Damit finden sie einen Ausweg aus dem Dilemma der Präsentation von Architektur in Ausstellungsräumen: Mit Verweismedien wie Zeichnungen, Plänen, Fotos und Modellen wird gemeinhin auf eine physische Realität verwiesen, die anderenorts erlebt werden kann, während der Ausstellungraum selbst in den Hintergrund tritt.
Savvas Ciriacidis | „Die räumliche Erfahrung ist das Entscheidende. Wir können und wollen die Materialität und die Physis der Gebäude nicht überdecken und zur Illustration machen. Es geht um die intellektuelle Herausforderung, die Physis und die Geschichte dahinter zusammenzubringen.“
Im diesjährigen deutschen Pavillon wird die Nebensache zur Hauptsache, sind zwei gebaute Realitäten hybrid miteinander verzahnt, wobei auf andere Exponate vollständig verzichtet wird. Dieser explizit architektonische Zugang ist nicht von einem didaktischen Impuls getragen, eröffnet aber neue Perspektiven – auf die beiden Bauten selbst. Und er ist wohltuend im Rahmen einer Architekturbiennale, bei der sich Ausstellung an Ausstellung reiht.
Im Gespräch erklären Ciriacides und Lehnerer, dass es ihnen nicht um eine denkmalpflegerische Rekonstruktion des Kanzlerbungalows geht, auch nicht primär um eine Auseinandersetzung mit der Architektur der sechziger Jahre. Vielmehr interessiert sie der repräsentative Charakter und die Instrumentalisierbarkeit von Architektur. Der deutsche Pavillon entstand im Jahr 1905, wurde aber 1938 von Ernst Haiger im Stile des NS-Neoklassizismus grundlegend umgebaut. Haigers Interventionen prägen die Wahrnehmung des Pavillons bis heute, auch wenn das Innere 1964 unter dem Generalkommissar Eduard Trier purifiziert wurde: durch Entfernung von Wänden und Zwischendecke sowie durch neue Deckenunterzüge aus Stahl. Es ist vielleicht ein Zufall, dass diese Überformung, die ausschließlich die Innenräume betraf, in das gleiche Jahr fiel wie die Fertigstellung des maßgeblich von Ludwig Erhard in Auftrag gegebenen Kanzlerbungalows im Park des Palais Schaumburg in Bonn. Mit seinen fließenden Raumsequenzen und seinen transparenten Wänden verkörperte das Wohn- und Empfangsgebäude des Bundeskanzlers das neue demokratische Deutschland.
Savvas Ciriacidis | „Dass sich der Pavillon mit dem Bungalow verschneidet, dieses Bild haben wir versucht zu bauen. Nicht in einer abstrakten Form. Es geht darum, beide Gebäude als Architektur wahrzunehmen und nicht den Pavillon als Container, in dem ein Einbau steht.“
Die Lage im Park – medial multipliziert wurden vorwiegend Bilder der Innenräume – verstärkte die Inszenierung von Privatheit. Intim und nicht extrovertiert, maßvoll und nicht maßlos, filigran und nicht monumental, gläsern und nicht steinern: Die Architektursprache der Moderne wird zum Ausdrucksträger der jungen Bundesrepublik, aber auch Indikator gesellschaftlichen Wandels. Eine Limousine wird mit offener Tür vor dem Pavillon Halt machen.
Alex Lehnerer | „Das Auto vor dem Eingang – die Staatslimousine von Helmut Kohl – bedient beide Gebäude, den Bungalow wie auch den Pavillon. Mercedes-Fahrzeuge standen schon immer vor solchen Gebäuden. Es ist das einzige historische Artefakt.“
Lehnerer und Ciriacides lassen zwei unterschiedliche architektonische Haltungen und zwei Konzepte architektonischer Repräsentation aufeinanderprallen. Das Jahr 1964 bildet dabei den Angelpunkt. Es ist vom Heute genauso weit entfernt wie vom Jahr 1914, das Rem Koolhaas den Länderpavillons als Referenz vorgegeben hat. Handelt es sich um Konfrontation oder Integration? „Bungalow Germania“ verbindet aus der Zeitperspektive 1964 heraus den Blick zurück mit dem Blick in die Zukunft, die inzwischen Vergangenheit ist. Letztlich geht es auch hier um die „Fundamentals“, nämlich um die Frage der Lesbarkeit von Architektur im Lichte politischer Repräsentation.
Das kommentierte Interview führte Hubertus Adam
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