Müll und Ski
Abfallverbrennungsanlage in Kopenhagen
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Müll und Ski
Abfallverbrennungsanlage in Kopenhagen
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Eine Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen soll das schlechte Image dieses Industriezweigs verbessern und sich in die Stadt integrieren. Die Jury kürte eine Idee, die aus einem Kindertraum stammen könnte.
Dänemark hat eines der weltweit modernsten Konzepte für die Müllentsorgung. Mehr als die Hälfte des Hausmülls wird dort verbrannt und dabei in Heizwärme und Strom umgewandelt. Doch das Image der sogenannten thermischen Abfallverwertungsanlagen ist schlecht. Mit ihrer Wuchtigkeit und den hohen Schornsteinen dominieren sie die Skyline vieler Städte oder konkurrieren mit deren Kirchtürmen. Vor drei Jahren hatte ein Betreiber in Roskilde Architekten um Verschönerungsideen gebeten. Den Wettbewerb gewann Erick van Egeraat, der vorschlug, die Anlage als Kathedrale zu verkleiden (Bauwelt 21.08.) Das Projekt ist im Bau.
Ein anderer Betreiber, Amagerforbrænding, plant, die 40 Jahre alte Müllverbrennungsanlage im Kopenhagener Hafengebiet durch einen Neubau zu ersetzen. Dieser soll nicht nur effizienter arbeiten und attraktiv aussehen, sondern auch zum selbstverständlichen Teil der Stadt werden. Während die technischen Parameter und das Volumen der Anlage mit dem Schornstein feststanden, sollten sich die Wettbewerbsteilnehmer Gedanken um die Hülle machen und Büros für die Verwaltung sowie ein Besucherzentrum mit Aussichtsplattform integrieren. 36 Bewerbungen waren eingegangen, die Vorraussetzung: Ein dänisches Büro musste im Team sein.
Im Kolloquium hatte Ulla Röttger, die Chefin von Amagerforbrænding, den sechs ausgewählten Teams von der begehbaren Dachlandschaft der Osloer Oper (Bauwelt 21.08) vorgeschwärmt und dabei, wie sie sich jetzt erinnert, ihrem Bedauern Ausdruck verliehen, dass Skateboardfahren wegen des empfindlichen Marmors verboten ist.
Einige Teilnehmer haben darin den Wunsch der Betreiber nach weiteren Funktionen erkannt. Wilkinson Eyre haben für das Umfeld Erdbeerfelder, Gewächshäuser und ein Thermalbad vorgeschlagen. 3XN würden die monströse Anlage durch einen terrassenförmig ansteigenden Garten optisch verkleinern. BIG erklärten das Dach kurzerhand zur Skirampe. Solch einen Kindertraum muss man erst einmal ernsthaft verfolgen wollen und der Jury glaubhaft vermitteln! Doch wer Bjarke Ingels Schlachtruf „Nachhaltigkeit muss Spaß machen“ und den befahrbaren Pavillon auf der Expo in Shanghai (Bauwelt 23.10) kennt, wird sich nicht wundern. In einem 119 Seiten starken Dokument hat das Büro nicht nur Renderings, Piktogramme und Prozentanalysen zur Abfallwirtschaft zusammengestellt, sondern in bekannter comicartiger Grafik zum Beispiel auch Vertreter des nationalen Skiverbands und Tourismusstrategen die Vorteile ei-ner Piste in Kopenhagen erklären lassen. BIG bringen schlüssige Argumente: Im Vergleich zu Dubai wird es in Kopenhagen kalt, doch es gibt keine Hügel. Viele Skifreunde fahren am Wochenende nach Südschweden, um dort 150 Meter hohe Berge herunterzuwedeln. Der individuelle Transportenergieaufwand entfiele, außerdem richtet der erosionsintensive Sport in einer künstlichen Landschaft keinen Schaden an. Wie viele Touristen die Skipiste anziehen könnte und wie viel Energie für das Präparieren der Abfahrt notwendig würde, sagen BIG nicht. Stattdessen erfreut der Vorschlag mit einem ironisch spieleri- schen Höhepunkt. Die Berliner realities:united haben für den Schornstein ein System entwickelt, dass jedesmal, wenn bei der Verbrennung eine Tonne CO2 zusammengekommen ist, einen Rauchring aus- stößt. „Der Ring ist das ultimative Zeichen von Hedonismus“, erklärte Bjarke Ingels in einem Interview mit der Zeit. Das Blasen von Ringen beim Rauchen vereine Sünde und Verspieltheit. Und es verwandele etwas Abstraktes in Zählbares.
Mit dem Bau soll 2012 begonnen werden. Wenn das Wetter keinen Schnee zulasse, so Ulla Rötger, solle man auf Matten fahren können. Pistenbetreiber hätten bereits Interesse signalisiert. In Dänemark steht die Privatisierung der Müllverbrennungsanlagen an. Was das Image betrifft, wäre Amagerforbrænding dann gut gerüstet.
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