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Nachlese zur MIPIM 2013 in Cannes

Text: Escher, Gudrun, Xanten; Brensing, Christian, Berlin

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Nachlese zur MIPIM 2013 in Cannes

Text: Escher, Gudrun, Xanten; Brensing, Christian, Berlin

Muscheln, Käseplatte, Sauvignon, Merlot – in Anderson’s Bar & Grill in Birmingham treffen sich seit vier Jahren lokale Projektentwickler, die wegen der Krise nicht mehr nach Cannes fahren können, zur ­„Alternativen MIPIM“
Drinnen und draußen
Die MIPIM zeitigte 2013 mehr denn je gespaltene Welten: Drinnen, im Palais des Festivals, die Städte und Regionen – meist „Metropolregionen“ – draußen, auf Yachten, in Cafés und Strandzelten die Treiber der Immobilienmärkte: Investoren, Makler, Berater, Fondgesellschaften und Immobilientöchter von Banken. Drinnen die Welt der Projekte und Ideen dafür, wo, wie und für wen neue Satelliten und urbane Inseln entstehen könnten – wenn, ja wenn sich Projektentwickler, Geldgeber und letztlich Nutzer dafür erwärmen könnten. Draußen das Kapital, das dringend nach Anlagechancen Ausschau hält, gerne nach Jahren der Zurückhaltung auch wieder für Projektentwicklungen und „opportunistische“ Investments (ohne 80-prozentige Vorvermietung), aber leider gebe es zu wenig passende Angebote.
Beide, Anbieter und Geldgeber, zusammen zu bringen, sollte doch nicht so schwer sein. Doch was Stadt- und Regionalplaner für zukunftsfähig halten, ist durchaus nicht mit dem identisch, was Bewertungsstrategen im Auftrag von Investoren suchen, auch wenn der Zeitpunkt für neue Großprojekte günstig sei, wie die Experten des Immobiliendienstleisters BNPPRE bestätigen: Gerne im „sicheren Hafen“ Deutschland, aber auch in Frankreich – weniger in Spanien (nur Barcelona war auf der MIPIM vertreten), Italien (der italienische Pavillon meist verwaist) oder Osteuropa (Russland war mit zahlreichen Ständen vertreten). 
In England, so war zu hören, plant das Bauministerium einen 260 Mio. Euro schweren Fonds, um ins Stocken geratene Bauprojekte wieder flott zu kriegen: eine zweifelhafte Lösung. Nicht minder merkwürdig die Botschaft des Immobilienentwicklers Hermitage, der seit sechs Jahren versucht, den Bau der „Hermitage Towers“ in La Défense, entworfen von Norman Foster, finanziert zu bekommen. Nun werde die russische Sberbank einsteigen, darüber hätten sich die Präsidenten Putin und Hollande verständigt – sind Immobiliengeschäfte jetzt schon Angelegenheiten der hohen Politik? Am Stand der Sberbank wusste man nichts von dem Deal.
Eine Brücke zwischen jenen drinnen und denen draußen könnten Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung schlagen, nicht nur für russische oder chinesische Satellitenstädte. Das funktioniert auch im alten Europa, z.B. in Marseille, der Kulturhauptstadt Europas 2013 (Bauwelt 15). Deren Standabtrennung kopierte das Spitzendeckchenmuster von Rudy Ricciottis MUCEM. Die Stadt profitiert von einer beeindruckenden Revitalisierung des öffent­li-chen Raums: Rings um den alten Hafen wurden die Kais für Fußgänger verbreitert und anstelle der alten Hochstraße entlang des Außenhafens dehnt sich heute die Uferpromenade als Zugangsebene zu neuen Museen und einem künftigen Shopping Center in den Sub­struktionsarkaden unter der Kathedrale La Major. Auch sonst wurden in der Innenstadt die Fußgängerzonen besser vernetzt und der Verkehr zurück gedrängt. Von solchen Qualitäten profitiert nicht zuletzt der Immobilienmarkt mit neuen Investitionen.
Eine der zukunftsträchtigsten Botschaften dieser MIPIM dürfte eine globale Studie des World Green Building Councel sein, die das Royal Institute of Chartered Surveyors RICS anlässlich der Messe kommentierte. Demnach lohnen sich Investitionen in „grüne“ Immobilien für alle Beteiligten. Aber künftig müssten sowohl die Innenräume als auch die Quartiersebene stärker einbezogen werden. Ergo: Investiert in einen menschenfreundlichen öffentlichen Raum, ins Draußen, dann funktioniert’s auch mit dem Drinnen! 
Gudrun Escher

Mikro- statt Makroinvestition?
Die Mitte März noch verschneiten Startbahnen von Frankfurt, Paris, London und Berlin können nicht allein Schuld an dem eher moderaten Besucherandrang auf der 24. MIPIM in Cannes gewesen sein. Trotz des Ehrengastlands Türkei mit seinen phänomenalen Wirtschaftswachstumsraten und des Immobilien-Booms in Deutschland stehen die Zeichen in Europa weiterhin auf Krise. Skeptisch-realistisch schätzte der Ökonom Jürgen Stark in seiner Rede die Lage ein; an gleicher Stelle hatte ein Jahr zuvor Joschka Fischer noch von einem wirtschaftlich geeinten Europa geträumt.
Für Deutschland setzt sich der Trend des Vorjahres fort: Laut Berechnung des Deutschen-Immobilien-Partners (DIP) stiegen 2012 die Umsätze im Vergleich zu 2011 um 15 Prozent auf 58,6 Milliarden Euro (2011: 51 Milliarden). Besonders beliebt bei Investoren sind Büro- und Geschäftshäuser, Einkaufspassagen, Hotels und verstärkt auch erstklassige Wohnimmobilien. Da der Investitionsdruck auf 1-A-Lagen in den „großen Sieben“ Berlin, München, Frankfurt am Main, Hamburg, Düsseldorf, Köln und Stuttgart beständig wächst, sehen sich die Anleger inzwischen auch in B-Lagen und in mittelgroßen Städten wie Nürnberg, Leipzig oder Hannover um. Nachdem die Euro-hypo und die Westdeutsche Immobilienbank weggefallen und die internationalen Großbanken auf dem deutschen Markt verschwunden sind, wird die Finanzierung der Objekte häufig über die ortsansässigen Sparkassen und Volksbanken abgewickelt – also regionale Anbieter, die ihre Hei-matmärkte bestens kennen. Da ist es kaum verwunderlich, wenn Berlin und München London von Platz Eins der Standortrangfolge europäischer Metropolen verdrängt haben. Viele Investoren sprechen von der „deutschen Sonderkonjunktur“ – und warten gespannt, wie lange sie sich halten wird.
Weil es im großen Maßstab meist wenig rosig aussieht, wenden sich viele Anleger kleinteiligeren Entwicklungen zu – und entdecken dort Potenziale. In den Londoner Docklands etwa ist die Nachfrage des Finanzsektors nach Flächen rückläufig. So versucht der Projektentwickler Canary Wharf Group nun, Forschung und (Immobilien-)Wirtschaft zusammenzubringen: Im 39. Stockwerk des Hochhauses One Ca-nada Square hat er einen „Technologiebeschleuniger“, einen Event Space, für Finanz- und Retailtechnologien eingerichtet. Und im Büro-Park Wood Wharf sollen Architekten wie Herzog & de Meuron, Stanton Williams und Allies & Morrison helfen, die Finanz-Monokultur abzustreifen und eine „mixed-use future city“ zu zaubern.
Der Wandel, der sich in London vollzieht, steht Frankfurt am Main mit seinen 1,6 Millionen Quadratmetern leerstehender Bürofläche (13,9 Prozent des Bestands) noch bevor. Kopfschmerzen bereiten vor allem reine Bürostädte wie Niederrad, wo rund ein Drittel des Bestands aus den 70er Jahren auf eine neue Nutzung wartet. Ein erster Büroturm wurde aufwendig zu Wohnungen, „Sky-Apartments“, umgebaut. Ob auf diese Weise ein ganzer Stadtteil modifiziert werden kann?
Dass das Immobiliengeschäft nicht einfach so weitergehen kann und jedem Boom fast unwiderruflich die Blase und der Crash folgen, ist auch bei den MIPIM-Organisatoren angekommen. Die Erkenntnis fand ihren Niederschlag im „MIPIM Innovation Fo-rum“: Etwas abseits der Messehallen stellten Architekten, Stadtplaner, Ökonomen und Firmen Alternativen zu den krisengeplagten, meist wenig originellen Immobilien-Visionen vor, die in den Hallen zu sehen waren. Das Ganze verströmte ein experimentelles, im MIPIM-Rahmen nachgerade anarchisches Flair. Man darf gespannt sein, welchen Einfluss das auf die restliche Messe haben wird. 
Christian Brensing

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