Bauwelt

Öffentliches Bauen, öffentlicher Raum

Kraftakt Konjunkturpaket II

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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    Die Grundschule im bayerischen Riemerling wurde in zwei Baubschnitten 1950 und 1960, ...
    AG Keiner Balda / Jochen Weissenrieder

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Foto: Peter Groth

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Öffentliches Bauen, öffentlicher Raum

Kraftakt Konjunkturpaket II

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Gerade einmal zwei Jahre Zeit hatten die deutschen Städte und Gemeinden, um zehn Milliarden Euro der Bundesregierung zu verplanen und zu verbauen. Wir haben nachgesehen, was damit gelungen ist: 15 Beispiele aus acht Bundesländern.
Im November 2011 fragte der BDA Dortmund im Rahmen einer eigenen Veranstaltung nach den Ergebnissen des Konjunkturpakets in seiner Stadt. Als Bauwelt-Redakteur war ich eingeladen, Berliner Resultate vorzustellen. Die Vorbereitung war mühe- und freudvoll zugleich. Einerseits galt es, einen Stapel aus 172 Seiten mit rund 600 Projekten zu sichten, zu dem sich die Berliner Portfolios „Kindertagesstätten“, „Schulen“, „Hochschulen“, „Krankenhäuser“ und „Gebäudesanierung“ türmten, andererseits waren die Projekte von erfreulicher Qualität. Dagegen bot die Rundfahrt durch Dortmund wenig Anlass zu Euphorie, hat man sich dort doch meist mit Lösungen zufriedengegeben, die der Qualität der historischen Substanz kaum gerecht werden. Die Frage, ob das Konjunkturpaket II ein Impuls auch für die Baukultur gewesen ist, konnte an jenem Abend also nicht abschließend geklärt werden.
Um es gleich vorwegzunehmen, die Antwort lässt sich auch 2012, sechs Monate nach dem offiziellen Abschluss der Konjunkturpaketprojekte,  nicht geben – dafür war das Programm zu voluminös: Allein die nordrheinwestfälische Übersicht der kommunalen Projekte zählt 1294 Seiten mit jeweils rund fünf Maßnahmen, die der bayerischen immerhin 96 Seiten à 16 Projekte. Und sobald man beginnt, sich durch diese Masse zu arbeiten – Einweihungszeremonien hinterherrecherchiert, Planungsbeteiligte herauszufinden sucht, nach Fotos der fertigen Objekte fahndet –, wird klar, dass der Wunsch, eine baukulturelle Bilanz des Konjunkturpakets zu ziehen, am Programm vorbeizielt. Den politischen Ausgangspunkt des Konjunkturpakets sollte man nicht nachträglich missdeuten – es ging der Bundesregierung 2008, als das Programm beschlossen wurde, nicht um Baukultur, es ging darum, der Baubranche über die damals frisch ausgebrochene Finanzkrise hinwegzuhelfen.
Diese Grundeinstellung, die man in ihrer Schlichtheit kritisieren muss, gilt es zur Kenntnis zu nehmen; ob ihr Ziel erreicht wurde, wird in dieser Ausgabe allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen (siehe dazu auch das Interview mit Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die stellvertretend den Blickwinkel der Städte und Gemeinden einbringt). Trotzdem: Wenn die Bundesregierung 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, um in öffentliche Gebäude zu investieren, dann reicht es nicht aus, nur eine ökonomische (Wie viel Umsatz hat das Paket generiert? Wie viele Stellen hat es gesichert?) oder eine energetische Bilanz (Wie viel CO2 wird durch die Sanierungen jährlich nicht ausgestoßen? Wie viel Heizkosten sparen die Kommunen?) zu ziehen – vielmehr muss das Ergebnis angesichts des finanziellen Aufwands auch in seinen architektonischen Aspekten diskutiert werden. Denn der Zustand der öffentlichen Gebäude gibt immer auch Auskunft über die Verfasstheit der Gesellschaft. Die energetische Sanierung – ein Hauptziel des Konjunkturpakets – verlangt nicht nur danach, bestimmte Messwerte zu erreichen, sondern auch, die kulturelle und politische Dimension im Blick zu haben.
Sehen wir auf die Architektur: Ein kaiserzeitliches Schulhaus und ein bundesrepublikanisches, eines aus der Weimarer Republik und eines aus der DDR geben immer auch Hinweise auf das zu ihrer Zeit gültige Menschenbild, und zwar zunächst mit ihrem Äußeren. Aussagekräftig sind da die verschiedensten Maßstäbe: von der städtebaulichen Arrondierung über die Gliederung und Profilierung der Fassaden bis hin zur Ausbildung von Türknauf und Fenstergriff. Wenn ein Gebäude nun saniert werden soll, gilt es, dem Charakter dieser Elemente Beachtung zu schenken, will man nicht Gefahr laufen, die Architektur ihrer Wirkungskraft zu berauben. Dies wäre nicht nur aus baukulturellen Gründen fatal. Als potenzielle Bühne für politisches Engagement braucht gerade der öffentliche Raum die Verbindung zur Geschichte, die nichts anderes ist als die Geschichte von politischem Handeln. Wird diese Verbindung gekappt, indem die Geschichte unlesbar wird, werden die Fundamente beschädigt.
Bauherren und Architekten der ausgewählten Gebäude waren sich dieser Herausforderung bewusst. Die Projekte sind nur eine kleine Auswahl von dem, was uns bei der Recherche aufgefallen ist, getragen von dem Wunsch, eine möglichst große Bandbreite von Aufgaben und architektonischen Haltungen zu spiegeln. Dankbar sind wir den Bundesländern, die uns mit Informationen versorgt haben; oft war es mehr, als wir bewältigen konnten. So ließen sich all die überzeugenden Projekte aus Baden-Württemberg, Bayern und Berlin auch nicht annähernd darstellen, da uns auch eine geografische Vielfalt am Herzen lag. Thüringen und Sachsen-Anhalt, Hamburg und Schleswig-Holstein haben leider nichts geschickt; Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland nur Projekte mit eher geringem Entwurfsanteil oder solche, deren Gehalt zu dünn schien gegenüber jenen aus anderen Ländern. Ob dennoch eine anschauliche Reise durch die „Architektur des Konjunkturpakets“ gelungen ist, wird vielleicht die Diskussion gerade dort erweisen. Das Konjunkturpaket ein Erfolg für die Baukultur? Die Debatte darf weitergehen.

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