Bauwelt

Praxis gegen sang- und klangloses Verschwinden

Denkmal-Ost-Moderne-Tagung in Weimar

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Pavillons der Stadtpromenade Cottbus, Aufnahme 2010, inzwischen abgebrochen, Gelände liegt seither brach
Martin Maleschka

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Pavillons der Stadtpromenade Cottbus, Aufnahme 2010, inzwischen abgebrochen, Gelände liegt seither brach

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Praxis gegen sang- und klangloses Verschwinden

Denkmal-Ost-Moderne-Tagung in Weimar

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Unbequeme Denkmale. Fast zwangsläufig fällt dieser Begriff, wenn man vom geschützten Erbe der ostdeutschen Nachkriegsmoderne spricht. Schließlich stammen die Bauten und Ensembles aus einem diskreditierten politischen System; und nicht selten zeichnen sie sich durch ein unzeitgemäßes, sprödes Äußeres sowie allerlei konstruktive Schäden aus.
Die zweite Ausgabe des Symposiums „Denkmal Ost-Moderne“ der Bauhaus-Universität Weimar, Ende Januar von der Professur Denkmalpflege und Baugeschichte gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung veranstaltet, nahm sich die vermutlich kniffeligsten Aspekte des denkmalpflegerischen Umgangs mit dieser Ära vor: Welche der vielen Objekte können überhaupt denkmalwürdig sein? Und wie soll man dabei mit dem moralischen, ästhetischen und konstruktiven Verschleiß der DDR-Moderne umgehen?
Das Interesse ist ungebrochen: Wie schon bei der Vorläuferkonferenz 2011 (Bauwelt 9.2011) war der Tagungsraum zum Bersten voll. „Sie alle sind der Rand, nicht die Mitte der Gesellschaft!“, erinnerte der Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung Philip Kurz das Publikum daran, dass der größte Teil der Bevölkerung die Nachkriegs- und im Besonderen die Ostmoderne „als unschön empfindet“ – während sich die rund 200 Teilnehmer als „Experten-Gesellschaft“ verstanden, die in der interessierten Öffentlichkeit durchaus breit verankert ist. Doch ob beim Laien geliebt oder ungeliebt: Entscheidende Teile dieses kulturellen Erbes sind für nachfolgende Generationen zu bewahren, darüber waren sich im Grunde alle Redner der beiden Tage einig.  
Platte und Denkmalschutz
Die gängige Inventarisierungspraxis der Denkmalpflege stößt da mitunter an ihre Grenzen, etwa bei den Typenbauten, die für das Baugeschehen in der späten DDR so charakteristisch sind. In den ersten Nachwende-Jahren, als man die meisten ostdeutschen Bauten pauschal in die Schublade „Platte“ schob, galten lediglich symbolträchtige Objekte, die die Zeitgeschichte dokumentieren, als erhaltenswert: Grenzanlagen oder Wirkungsstätten von Politik und Staatssicherheit zum Beispiel, daneben einige hochrangige, individuell konzipierte Sonderbauten. Sie wurden damals wegen der rasanten Überformung kompletter Stadtlandschaften in einer Art Schnell­erfassung auf ihren potenziellen Denkmalwert untersucht. Erst seit kurzem gerät auch die industrielle Serienproduktion in den Fokus der Denkmalpflege: die stadträumliche Aufenthaltsqualität einzelner Plattenbau-Ensembles – wie die oft präzise durchkomponierten Fußgängerzonen – oder die baukünstlerische Gestaltung einzelner Typenbauten.
Um einzelne Gebäude aus der Serienproduktion exemplarisch schützen zu können, müsste man eigentlich aus allen landesweit errichteten Bauten des jeweiligen Typs die wenigen herausfiltern, die noch originalgetreu erhalten sind. Für solche Reihen-Untersuchungen ist die Denkmalpflege jedoch weder finanziell noch personell ausgestattet. Selbst bei dem als Inkunabel der Ostmoderne geltenden zweiten Bauabschnitt der Berliner Karl-Marx-Allee, die größtenteils aus Typenbauten besteht, hat man nach der Wende neben den bekannten Solitärbauten – Kongresshalle mit Haus des Lehrers, Kino International und Restaurant Moskau – nur die Verkaufspavillons und die straßenbegleitenden Wohnblöcke unter Schutz gestellt.
Dies wurde kürzlich durch einen weitgehend unveränderten Plattenbau des Typs QP von Josef Kaiser und Klaus Deutschmann ergänzt. Der soll künftig als gestalterisch-konstruktives „Belegstück“ für den gesamten, ursprünglich für 15.000 Menschen konzipierten „sozialistischen Wohnkomplex“ fungieren. Der hohe Verwertungsdruck der Innenstadt-Lage führt jedoch an den Rändern des Areals zu diversen Nachverdichtungs- und Neubauprojekten bis hin zum aktuell am Alexanderplatz geplanten 150 Meter hohen Wohnturm im Gehry-Design (Bauwelt 9).
Warum ist Berlin nicht überall?
Überhaupt scheint die Lage eines ostmodernen Baudenkmals der wichtigste Aspekt seiner Erhaltungsperspektive zu sein. Und dabei ging es einmal nicht um am „falschen Ort“ errichtete Bauten, die der Rekonstruktion ihrer Vorgänger im Wege stehen, sondern um die wirtschaftliche Attraktivität und demografische Entwicklung der Standorte. Die „coolen jungen Denkmale“ in angesagten Metropolen ziehen baukulturell interessierte Touristen, Immobilieninteressenten und Architekten an. Deswegen konnten die überaus kämpferisch auftretenden Berliner Denkmalpfleger so viele Best-Practice-Beispiele zeigen – weshalb sich Mark Escherich, der Organisator der Tagung, zu einem frustrierten „Warum ist Berlin nicht überall?“ hinreißen ließ. In anderen Regionen sieht es nämlich ganz anders aus: Die jahrelang als Vorzeigeprojekt der Denkmalpflege gehandelte Bergarbeitersiedlung „Bieblacher Hang“ in Gera, die ge­radezu prototypisch die verschiedenen städtebaulichen Konzepte der DDR zeigt, steht wegen des mas­siven Bevölkerungsschwunds vor schier unlösbaren Problemen. Und in der thüringischen Provinz werden leerstehende Industriehallen „gerettet“, indem man ihnen riesige Photovoltaik-Anlagen aufs Dach stellt („die Pachtverträge der PV-Anlagen laufen über 25 Jahre, solange sind die Bauten auch geschützt“) und dabei in Kauf nimmt, dass bei der Montage die grazilen, oft nur 25 Millimeter dünnen Deckenelemente durchlöchert werden wie Schweizer Käse. In Dresden finden Totalumbau (z.B. des Kulturpalasts) und Abriss (aktueller Kandidat: Neue Mensa) stets von heftigen, letztendlich jedoch meist erfolg­losen Diskussionen begleitet statt. An anderen Orten verschwinden die Bauten der DDR-Zeit sang- und klanglos.
Unbequem, aber nicht uninteressant
Mittlerweile sind weitere Baugattungen in den Blick der Denkmalpfleger geraten. Während sich stillgelegte Zechen im Ruhrgebiet längst als schützenswertes kulturelles Erbe etabliert haben, verschwinden die Überbleibsel der abgewickelten ostdeutschen Industrie in rasantem Tempo. Die früheren LPGs werden reihenweise abgerissen, obwohl bestimmte Getreide-, Raps- oder Gärfuttersilo-Anlagen jahrzehntelang das Bild ganzer Landstriche prägten. Aber gerade bei derart markanten Objekten, die sich kaum bestandsverträglich umnutzen lassen, stehen die für eine Unterschutzstellung Verantwortlichen vor einer schwierigen Entscheidung. Das Fazit der Veranstaltung war entsprechend ambivalent: Ja, Teile des baulichen DDR-Erbes sind denkmalwürdig („unbequem, aber nicht uninteressant“). Doch angesichts der vielen bereits erfolgten Verunstaltungen und Abrisse wurden auch Zweifel laut, ob es überhaupt noch gelingen kann, eine repräsentative Auswahl der wichtigsten Objekte zu treffen – und diese auch zu erhalten.

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