Raumkreuz in der Schotterebene
Kirche Seliger Pater Rupert Mayer in Poing
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Raumkreuz in der Schotterebene
Kirche Seliger Pater Rupert Mayer in Poing
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Identität für einen Umlandort: Der Neubau der katholischen Kirche soll die Basis legen für den Aufbau neuer, gemeinsamer Bräuche und ein Wahrzeichen des neuen Ortszentrums werden. Die Chancen zur Verwirklichung einer architektonisch anspruchsvollen Lösung stehen gut, betrachtet man das Ergebnis der Konkurrenz.
Poing ist eine Gemeinde, wie sie im Umkreis großer Städte häufig anzutreffen ist: Überall blüht und sprießt und wächst es, aber die Wurzeln reichen noch nicht tief. Klein ist der alte Kern, groß sind die Neubaugebiete; wenig, was um diesen Kern kreist, viel, das aus ihm hinaus weist und hinein in die globale Ökonomie, mit der ein Ort wie Poing wesensmäßig verbunden ist.
Ein solcher Ort macht Planer froh. Es gibt eine „Entwicklungsachse“, die führt nach München, der nahen Metropole im Westen, und zum Luftdrehkreuz im Norden, einen S-Bahn-Haltepunkt gibt es und ein neues Ortszentrum. Dieses braucht auch in Poing eine katholische und eine protestantische Kirche. „Die Gemeinbedarfsflächen Religion liegen nördlich von Ortsmitte und Gruber Straße am Beginn des nach Nordwesten verlaufenden großen Grünzuges, der in Verzweigungen die einzelnen Neubaugebiete W1 bis W8 unterteilt“, so werden diese beiden Kirchen im Planerdeutsch präzise verortet. Die Protestan-
ten haben ihr Zuhause bereits, für die Kirche der Katholiken wurde jetzt ein Wettbewerb durchgeführt.
ten haben ihr Zuhause bereits, für die Kirche der Katholiken wurde jetzt ein Wettbewerb durchgeführt.
Der Bauplatz ist prominent gelegen gegenüber dem neuen politischen und kommerziellen Zentrum des Ortes an der Hauptstraße. Dort wird der Neubau jenen architektonisch banalen Fertigteilbau aus dem Bild des Ortszentrums nehmen, den sich die evangelische Gemeinde vor zehn Jahren hier geleistet hat. Entsprechend selbstbewusst soll der Neubau der katholischen Kirche auftreten, um wirksam mitzubauen an der noch schwachen Identität von Poing und seiner Gemeinde. „Kommt und seht“, lautet das Motto. Die Architekten waren eingeladen, ein Gebäude mit Zeichenkraft zu entwerfen; „eine städtebauliche Akzentsetzung mit einer unverwechselbaren Fassade direkt an der Gruber Straße“, so die Auslobung. „Die Kirche würde diesem Merkmal nicht entsprechen und die Aufgabe verfehlen, wenn sie sich hinter blockartige Mauern zurückziehen und nur über einen Innenhof erreichbar sein würde“, heißt es weiter. Der Innenraum soll nicht als traditionelle Wegekirche angelegt sein, sondern der vom 2. Vatikanischen Konzil geforderten „Circumstanz-Lösung“ folgen. Verlangt ist „ein spannungsreich gegliederter, variabler Raum, der so proportioniert ist, dass er sich für 50 wie für 350 Gottesdienstbesucher gleichermaßen eignet“. Auch der Namenspatron der Kirche steht bereits fest: Es ist der Selige Pater Rupert Mayer, der, nach Jahren der Drangsalierung und Isolation durch die Gestapo erst seit Kriegsende wieder als Seelsorger in München tätig, während der Messe am Allerheiligentag 1945 vor dem Altar der Michaelskirche tot zusammenbrach.
Elf Teilnehmer des Wettbewerbs waren direkt eingeladen, 26 weitere in einem Bewerbungsverfahren ausgewählt. Unter den 36 abgegebenen Arbeiten sprach die Jury unter Vorsitz von Hannelore Deubzer einstimmig und mit deutlichem Abstand (ein 2. Preis wurde nicht vergeben) dem Entwurf von meck architekten, München, den 1. Preis zu. Das mag auf den ersten Blick insofern überraschen, als der Vorschlag darauf verzichtet, eine zentrale Forderung der Auslobung umzusetzen: einen silhouettenwirksamen Turm auszubilden, der den profanen Schlauchturm der Feuerwehr überragen und „zum Wahrzeichen für das neue Poing“ werden soll. Die Unterbringung des Geläuts in einem separaten Kleinkörper, der den Vorplatz zur Straße auf der Ostseite fasst, ist zwar städtebaulich überzeugend, kann aufgrund der geringen Höhe des Quaders aber nicht einmal die Aufgabe erfüllen, das Geläut möglichst weithin hörbar zu machen. Dieser Teil der Arbeit bedarf denn auch der Überarbeitung. Davon abgesehen aber waren die Preisrichter voll des Lobes: Städtebaulich bilde das Ensemble aus Pfarrhaus, Kirche und Turm eine einladende Situation, und die skulpturale, mit weißen Kacheln bedeckte Form der Kirche selbst sei nicht nur im öffentlichen Raum wirkmächtig, sondern biete auch einen vielfältigen und feierlichen Innenraum. Dieser Zentralraum sei „aufgeteilt in differenzierte Raumzonen, die allein durch die unterschiedlichen Höhen eines expressiven Deckenspiegels in Form eines Raumkreuzes und die damit generierte sehr differenzierte Lichtführung gebildet werden“. Seine zweigeteilte Materialität – weiße Kacheln für die skulpturale Bedachung, Nagelfluh als typischer Konglomeratstein der Münchner Schotterebene – soll die Dualität von Himmel und Erde widerspiegeln, schreiben die Architekten.
Dem Auslober hat die Jury einstimmig empfohlen, den erstplatzierten Entwurf zu realisieren, und dieser wiederum hat bereits in der Auslobung angekündigt, einen der Preisträger bis einschließlich Leistungsphase 5 zu beauftragen, um die gewünschte Qualität zu erlangen. Über das Resultat wird in ein paar Jahren zu berichten sein. Doch scheint mit dem Ergebnis dieses Wettbewerbs zumindest eine Konfession der Aufgabe gewachsen, mit ihrem Kirchenbau der neuen Ortsmitte von Poing eine künstlerische Prägung zuteil werden zu lassen.
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