Bauwelt

Rettungsanker Shopping

Zittau streitet über ein neues Einkaufszentrum

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

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Ostseite des geplanten „Fachmarktzentrum Neustadt“
Ansicht: nhp-partnership

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Rettungsanker Shopping

Zittau streitet über ein neues Einkaufszentrum

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Irgendwann scheint es jede strukturschwache Stadt zu erwischen: die Diskussion über den Bau eines Shopping­centers in der Innenstadt. Segen oder Fluch? Darüber gibt es in der ostsächsischen Kleinstadt Zittau gerade eine heftige Kontroverse.
Es geht um das „Fachmarktzentrum Neustadt“, das die AVW Immobilien AG aus Buxtehude mitten in der Zittauer Altstadt errichten will: 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und ein Parkhaus mit 310 Stellplätzen. Die Planung stammt vom Büro nhp-partnership aus Seevetal. 2014 soll das Center eröffnen. Der Stadtrat hatte im September 2011 beschlossen, einen entsprechenden Bebauungsplan aufzustellen.
Die Auseinandersetzung um das Zittauer Center spielt sich vor folgendem Hintergrund ab: Einerseits verfügt die 27.000-Einwohner-Stadt über einen baukulturellen Reichtum, wie ihn nur wenige Städte dieser Größe vorweisen können. In der Altstadt reihen sich Häuser aus der Renaissance und dem Ba­-rock aneinander, deren Pracht von der Blütezeit der Stadt im 17. und 18. Jahrhundert kündet. Mit über 1500 Einzeldenkmälern gehört Zittau zu den Städten mit der höchsten Denkmaldichte in Deutschland. Andererseits befindet sich Zittau seit 1990 in einer bislang ungebremsten Abwärtsspirale. 1989 lebten 38.000 Menschen in der Stadt; wenn man die zwischenzeitlich erfolgten Eingemeindungen abrech­-net, sind es derzeit noch rund 21.000.
Für den wertvollen Gebäudebestand in Zittau ist dieser Aderlass eine Katastrophe. In der Altstadt stieg der Wohnungsleerstand auf über 35 Prozent. Und wo der Leerstand um sich griff, da fehlte das Geld für Instandhaltung und Sanierung. Einige Eigentümer hatten ihre Gebäude für viel Geld saniert und mussten wegen fehlender Einnahmen Insolvenz anmelden. Andere überließen ihre Baudenkmäler solange dem Verfall, bis sich das Problem durch Einsturz erledigte. Und noch andere entschlossen sich gleich zum Abriss ihrer unrentablen Immobilien. Seit der Wende sind allein in der Altstadt mehr als 60 Baudenkmäler verloren gegangen. Die Stadtverwaltung hat zwar versucht, möglichst viele davon zu retten, doch ihre Bemühungen wurden und werden durch den Bevölkerungsrückgang konterkariert, der, so die Prognosen, auch so bald nicht abreißen wird.
Böse Shoppingcenter – gute Shoppingcenter?
Für die Stadtverwaltung ist die AVW Immobilien AG vor allem der lange erhoffte Investor – der immerhin 200 Arbeitsplätze verspricht. In einer Stadt, in der Investoren nicht eben Schlange stehen, erscheint dieses Projekt als seltene Chance. Die Projektgegner, die sich im Juni 2012 in der Bürger­initiative „Bessere Mitte für Zittau“ organisiert haben, verweisen dagegen auf die möglichen Nega­tivfolgen. Zum Beispiel: Die ohnehin schwierige Lage der Händler in der Altstadt würde sich weiter verschärfen – bereits jetzt stehen dort über 90 Läden leer; das neue Center würde viele Händler in die Insolvenz treiben und den Ladenleerstand ver­größern. Für die Baudenkmäler der Stadt wäre das katastrophal, oft sind die Ladenmieten die wichtigste Einnahmequelle der Hauseigentümer.
Auf Widerspruch stößt auch der Standort des großmaßstäblichen Komplexes in der kleinteiligen Altstadt. Zum Teil soll er zwar auf einer seit Jahren brach liegenden Fläche errichtet werden, doch dar­über hinaus muss dafür Altbau-Substanz abgerissen werden. Von zehn Altbauten ist die Rede, da­runter fünf Baudenkmäler. Bedroht sind Kaufmannshäuser aus der Zeit um 1700, die noch heute über wertvolle Innenräume mit Kreuzgratgewölben, barocken Stuckdecken und Türgewänden verfügen, ein klassizistisches Bürgerhaus aus der Zeit um 1850 und ein Neorenaissancehaus von 1899. Zwei weitere Denkmäler sollen in das Center einbezogen werden, womit sie aber ihre ursprüngliche Struktur verlören. Nicht zuletzt droht eine gravierende Verän­derung des Stadtgefüges: Die Albertstraße soll mit Stegen überbaut werden, die das zu beiden Seiten der Straße gelegene Center verbinden, und würde sich damit in eine überdachte Mall verwandelt.
Während die Stadtverwaltung betont, es entstünde in Zittau eben keines der üblichen, nach innen gerichteten Einkaufszentren, da sich alle Ladeneingänge und Schaufenster zu den Straßen orient­ieren würden, wächst die Zahl der Kritiker. Die erwähnte Bürgerinitiative macht mit Infoflyern und Veranstaltungen mobil. Unterstützung erhält sie vom Landesamt für Denkmalpflege. Dieses hat in einer Stellungnahme vom Mai letzten Jahres massive Bedenken angemeldet und einige der vorgesehe­nen Abrisse verweigert. Im Sommer hat sich auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die in Zittau mehrere Projekte finanziert, in einem offenen Brief zu Wort gemeldet und ihren Unmut bekundet.
Die Stadtverwaltung hält an der Planung fest. Sie macht zwar einige kleinere Zugeständnisse wie den Erhalt weiterer denkmalgeschützter Fassaden und eine kleinteilige Gestaltung der Fassade des Centers selbst. Doch grundsätzlich will sie das Projekt nicht in Frage stellen. Die Gegner wiederum haben juristische Schritte angekündigt. Außerdem fordern sie einen Bürgerentscheid. Ausgang offen.
Fakten
Architekten nhp-partnership, Seevetal
aus Bauwelt 1-2.2013
Artikel als pdf

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