Rituale und Spiele
Jean-Pascal Flaviens „Häuser“ im Kunstverein Langenhagen
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Rituale und Spiele
Jean-Pascal Flaviens „Häuser“ im Kunstverein Langenhagen
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Bis die Galerie Giti Nourbakhsch in Berlin-Schöneberg im März dieses Jahres schloss, hatte dort auch das „no drama house“ des Künstlers Jean-Pascal Flavien für gut zwei Jahre sein Zuhause gefunden. Es war das dritte „Haus“ des polyglotten Franzosen, der 1971 in Le Mans geboren wurde.
Nach Studien- und Arbeitsaufenthalten in mehreren Ländern Europas, in den USA und Südamerika (hier entstanden seine beiden weiteren Architekturexperimente) lebt er nun sowohl in Rio de Janeiro als auch in Berlin.
Wir lieben unsere Probleme
Im Kunstverein Langenhagen ist derzeit eine Dokumentation der bisherigen Arbeiten des Künstlers zu sehen. Flaviens Häuser sind alles andere als einfach nur Bleiben, selbst wenn er in ihnen lebt, in ihnen arbeitet oder sie fürs Tagträumen nutzt. Sie bilden vielmehr minimalisierte Gehäuse für Selbstversuche einer permanenten Raumproduktion durch Gebrauch eines festgelegten Systems, Kontinuums und Volumens. Und Flavien schafft sich mit seinen engen „Packungen“ Probleme, an denen jeder normale Wohnraumkonsument verzweifeln würde. Flavien aber, indem er sich mit ihnen beschäftigt, deutet sie zu positiven „Situationen“ um. Ganz so wie die Prota-gonisten in Buster Keatons Film „One Week“, ein frisch vermähltes Paar: Der eifersüchtige Ex-Freund der Braut hat den Bausatz für das hölzerne Fertighaus durcheinandergebracht, nun sitzt das Dach falsch, es gibt keinen ebenerdigen Eingang, es ist überall undicht. Aber auch wenn es hineinregnet, ist das für das Paar kein Malheur, dann wird halt getanzt, denn: „Wir lieben unsere Probleme!“
Rituale und Spiele ersetzen auch für Jean-Pascal Flavien konventionelle Erwartungen ans Wohnen. Das no drama house hat die herausfordernden Abmessungen von 1x8 Metern, es ist zweigeschossig, der Zugang liegt im Obergeschoss, nur über eine außen angelehnte Leiter erreichbar. Seine substanzlose weiße Hülle mit einer bzw. zwei markanten Öffnungen pro Seite schwebt über einer Stahlbetonbodenplatte. Das Haus lässt in seinem Habitus an extreme Minihäuser in Japan denken. Im Gegensatz zu den asiatischen Beispielen manifestiert sich in ihm jedoch die pure Technikverweigerung: Es gibt nur einen einzigen Elektroanschluss, im Erdgeschoss, und auch nur einen Wasserauslass über einer flachen Spüle aus gelbem PVC.
P-lay-outs und Cinonema
Ein eigenes, spartanisches Möbelprogramm ermöglicht die Benutzbarkeit. Die aus Kant- und Sperrholz gefertigten Sessel, Tische, eine Liege und minimal gepolsterte blaue Hocker verorten sich zwischen Ferdinand Kramers Typenmöbeln und Donald Judds Kästen. In grafischen Notationen, Flaviens eigener Syntax, die er als „P-lay-outs“ bezeichnet, hält der Künstler unterschiedliche Arrangements der Möbel und verschiedene Aktionen fest: Ein einzelner blauer Kubus beispielsweise wäre ein abschließender „Punkt“, drei blaue Kuben könnte man als weiterführendes „etc.“ lesen. Mit einem linearen „Zug“ des gesamten Mobiliars spielte Flavien im Hof der Galerie Nourbakhsch allerlei Sequenzen durch, die sich aus dem Leben mit den Objekten im Haus ergaben. Zum Abschluss hat er dann 70 Microfilme, die jeweils eine einzelne Aktion in und mit dem Haus dokumentieren, sein „Cinonema“, auf die Außenhülle projiziert. Und da diese selbstreflexive Dokumentation der Raumerzeugung und -aneignung ihres Entstehungsortes eigentlich nicht bedarf, wandert die Filmprojektion nun kurzerhand nach London.
Modelle, Filme, P-lay-outs, Broschüren und das Mobiliar aus Berlin werden in Langenhagen gezeigt. Darüber hinaus bekommt man eine Vorahnung vom aktuellen Projekt, dem „Breathing House“, das Flavien augenblicklich im Park des Kunstvereins Pougues-les-Eaux in Frankreich realisiert (30. Juni bis 16. September). Auf 30 Quadratmetern Grundfläche soll es einer, zeitweilig zwei Personen Raum bieten. Eine funktionale Gliederung schreibt Flavien dem Haus mit perforierten Wandscheiben ein, die Kulissen ähneln. Die Durchlässigkeit im Innern soll aber auch als äußere Form und im Austausch mit dem benachbarten Gebäude des Kunstvereins zu erfahren sein. Probleme, nein: produktive Situationen, so ist zu vermuten, sind wieder reichlich beabsichtigt.
Wir lieben unsere Probleme
Im Kunstverein Langenhagen ist derzeit eine Dokumentation der bisherigen Arbeiten des Künstlers zu sehen. Flaviens Häuser sind alles andere als einfach nur Bleiben, selbst wenn er in ihnen lebt, in ihnen arbeitet oder sie fürs Tagträumen nutzt. Sie bilden vielmehr minimalisierte Gehäuse für Selbstversuche einer permanenten Raumproduktion durch Gebrauch eines festgelegten Systems, Kontinuums und Volumens. Und Flavien schafft sich mit seinen engen „Packungen“ Probleme, an denen jeder normale Wohnraumkonsument verzweifeln würde. Flavien aber, indem er sich mit ihnen beschäftigt, deutet sie zu positiven „Situationen“ um. Ganz so wie die Prota-gonisten in Buster Keatons Film „One Week“, ein frisch vermähltes Paar: Der eifersüchtige Ex-Freund der Braut hat den Bausatz für das hölzerne Fertighaus durcheinandergebracht, nun sitzt das Dach falsch, es gibt keinen ebenerdigen Eingang, es ist überall undicht. Aber auch wenn es hineinregnet, ist das für das Paar kein Malheur, dann wird halt getanzt, denn: „Wir lieben unsere Probleme!“
Rituale und Spiele ersetzen auch für Jean-Pascal Flavien konventionelle Erwartungen ans Wohnen. Das no drama house hat die herausfordernden Abmessungen von 1x8 Metern, es ist zweigeschossig, der Zugang liegt im Obergeschoss, nur über eine außen angelehnte Leiter erreichbar. Seine substanzlose weiße Hülle mit einer bzw. zwei markanten Öffnungen pro Seite schwebt über einer Stahlbetonbodenplatte. Das Haus lässt in seinem Habitus an extreme Minihäuser in Japan denken. Im Gegensatz zu den asiatischen Beispielen manifestiert sich in ihm jedoch die pure Technikverweigerung: Es gibt nur einen einzigen Elektroanschluss, im Erdgeschoss, und auch nur einen Wasserauslass über einer flachen Spüle aus gelbem PVC.
P-lay-outs und Cinonema
Ein eigenes, spartanisches Möbelprogramm ermöglicht die Benutzbarkeit. Die aus Kant- und Sperrholz gefertigten Sessel, Tische, eine Liege und minimal gepolsterte blaue Hocker verorten sich zwischen Ferdinand Kramers Typenmöbeln und Donald Judds Kästen. In grafischen Notationen, Flaviens eigener Syntax, die er als „P-lay-outs“ bezeichnet, hält der Künstler unterschiedliche Arrangements der Möbel und verschiedene Aktionen fest: Ein einzelner blauer Kubus beispielsweise wäre ein abschließender „Punkt“, drei blaue Kuben könnte man als weiterführendes „etc.“ lesen. Mit einem linearen „Zug“ des gesamten Mobiliars spielte Flavien im Hof der Galerie Nourbakhsch allerlei Sequenzen durch, die sich aus dem Leben mit den Objekten im Haus ergaben. Zum Abschluss hat er dann 70 Microfilme, die jeweils eine einzelne Aktion in und mit dem Haus dokumentieren, sein „Cinonema“, auf die Außenhülle projiziert. Und da diese selbstreflexive Dokumentation der Raumerzeugung und -aneignung ihres Entstehungsortes eigentlich nicht bedarf, wandert die Filmprojektion nun kurzerhand nach London.
Modelle, Filme, P-lay-outs, Broschüren und das Mobiliar aus Berlin werden in Langenhagen gezeigt. Darüber hinaus bekommt man eine Vorahnung vom aktuellen Projekt, dem „Breathing House“, das Flavien augenblicklich im Park des Kunstvereins Pougues-les-Eaux in Frankreich realisiert (30. Juni bis 16. September). Auf 30 Quadratmetern Grundfläche soll es einer, zeitweilig zwei Personen Raum bieten. Eine funktionale Gliederung schreibt Flavien dem Haus mit perforierten Wandscheiben ein, die Kulissen ähneln. Die Durchlässigkeit im Innern soll aber auch als äußere Form und im Austausch mit dem benachbarten Gebäude des Kunstvereins zu erfahren sein. Probleme, nein: produktive Situationen, so ist zu vermuten, sind wieder reichlich beabsichtigt.
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