Sächsisches Greenwich
Der Mathematisch-Physikalische Salon im Dresdner Zwinger ist neu eröffnet
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Sächsisches Greenwich
Der Mathematisch-Physikalische Salon im Dresdner Zwinger ist neu eröffnet
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Die Planetenlauf-Uhr von Eberhard Baldewein aus den Jahren 1563/69, der Erdglobus von Willem Janszoon Blaeu und seinem Sohn Joan von 1645/1648, die Pascaline von Blaise Pascal (um 1650), eine der ältesten erhaltenen Rechenmaschinen – sie und viele weitere Meisterwerke des 1728 von August dem Starken eingerichteten „Königlichen Cabinets der mathematischen und physikalischen Instrumente“ sind endlich wieder zu sehen.
„Aus einer Zeit, in der man für Street View noch vor die Tür musste“, titelt die spritzige Werbekampagne anlässlich der Wiedereröffnung des Mathematisch-Physikalischen Salons im Dresdner Zwinger; sechs Jahre lag waren die Räume grundlegend saniert worden (Architekt: Siegmar Lungwitz, Dresden). Das neugestaltete Museum nimmt nun den gesamten westlichen Zwinger zwischen Kronentor und Wallpavillon ein; die vergrößerte Ausstellungsfläche verteilt sich auf Lang- und Bogengalerie sowie den prominent von den beiden Galerien eingefassten, zweigeschossigen Eckpavillon. Der ehemalige Grottensaal, den eine repräsentative Freitreppe erschließt, fungiert jetzt als Foyer mit Kassen- und Garderoben. In den dahinterliegenden Wallanlagen wurde ein fensterloser „Neuer Saal“ für besonders lichtempfindliche Exponate eingebaut.
Der Ort könnte traditionsträchtiger kaum sein. Seit dem frühen 18. Jahrhundert dienten die wissenschaftlichen Instrumente der kurfürstlichen Sammlung auch der Forschung; von einem eigens errichteten Anbau aus beobachtete man den Himmel. Mit einem Passage-Instrument und einer Pendeluhr wurde die Dresdner Ortszeit ermittelt und an andere Städte weitergegeben, zunächst mit Taschenuhren, später telegrafisch. Bis zur Schließung des Observatoriums 1928 war das Museum der offizielle regionale Zeitmesser, das Greenwich von Sachsen.
Das Büro Holzer Kobler Architekturen, Zürich/Berlin, das die Dauerausstellung neu inszenierte, orientierte sich bei deren Gestaltung allerdings an der ersten Nutzung der Galerien: als Orangerie. Die Räume, das war den Architekten wichtig, sollten wie früher zum Flanieren einladen. Die meisten Exponate präsentieren sich daher auf frei im Raum stehenden Podesten, in der Langgalerie auf einem thematisch zonierten „Catwalk“ in Tischvitrinen. Der unterirdische Neue Saal, in dem die Globen-Sammlung zu sehen ist, erinnert mit seinen wandfüllenden Vitrinen an eine geheimnisvolle Dunkelkammer. In den übrigen Räumen ist der barocke Geist des Hauses eindrucksvoll in Szene gesetzt; die neuen semitransparenten Stoffbahnen vor den großen Galeriefenstern dämpfen zwar das üppig einfallende Tageslicht, gewähren aber weiterhin überall (und ganz besonders im allseitig verglasten Festsaal) den Ausblick auf das Zwinger-Ensemble.
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