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Sollten Stadtplaner Computerspiele spielen?

Text: Devisch, Oswald, Hasselt (Belgien)

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SimCity 4
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In Second Life finden auf dem Berliner Alexanderplatz Austellungen und Lesungen statt.
Screenshot: YOUin3D.com GmbH

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Sollten Stadtplaner Computerspiele spielen?

Text: Devisch, Oswald, Hasselt (Belgien)

Stadtplanung mit Computersimulationen – das schien nach der kurzen und schmerzhaften Liaison der sechziger Jahre ad acta gelegt. Einen technologischen Quantensprung später wird heute in manchem Kinderzimmer die Stadt in Computerspielen realistischer simuliert, als die damaligen Planer es sich je erträumten. Hat die Technologie also eine zweite Chance verdient?
Städte sind chaotische und unvorhersehbare Orte, Systeme, die sich unabhängig von Planung selbst organisieren, behauptet Juval Portugali 2000 in seinem Buch „Self-Organization and the City“. Planern bliebe nichts anderes übrig als „dazusitzen und zuzuschauen oder bestenfalls zu Beteiligten in diesem sich selbst organisierenden Prozess zu werden“. Um Beteiligte zu werden, fährt er fort, bräuchten die Planer Simulationsmodelle, digitale Labore, in denen sie versuchen könnten, künstliche Welten wachsen zu lassen, an denen sich die Mechanismen entdecken ließen, die die Entwicklung der Stadt vor­antreiben. Derartige Modelle unterstützen einen iterativen Typ der Planung, bei dem man Auswirkungen eines Projekts durch die unverzügliche Beobachtung der Reaktionen einer virtuellen Bevölkerung einschätzen kann. Mitchel Resnick, Professor für Lernforschung am MIT, erklärt: „Das Ziel besteht nicht darin, bestimmte Systeme und in der Welt auftretende Prozesse zu simulieren, sondern die Art und Weise, in der Menschen generell über Systeme und Prozesse denken, zu überprüfen, in Frage zu stellen und zu entautomatisieren“.
Portugalis Appell wurde erhört: Simulationsmodelle in großer Zahl wurden entwickelt, die sich mit Phänomenen wie Gentrifizierung, Zersiedelung oder Stau befassen. Kaum eines dieser Modelle hat es bis ins Planungsbüro geschafft hat. Wie anders verhält es sich in der Computerspielbranche! Ein Spiel wie „Die Sims“, das nichts anderes ist als ein Modell, das das Alltagsleben von Menschen simuliert, wurde seit seiner Markteinführung im Jahr 2000 über 16 Millionen Mal verkauft und ist damit das meistverkaufte Computerspiel überhaupt.
Sollten Stadtplaner also Computerspiele spielen? Um diese Frage zu beantworten, wollen wir uns zwei Spiele näher anschauen: SimCity und Second Life.
SimCity und Second Life
SimCity ist ein sogenanntes Strategiespiel, das heißt, der Erfolg hängt von geschicktem Vorgehen ab. Themen von Computersimulations-Strategiespielen können Kriege, Wirtschaftssimulationen, Rollenspiele oder auch – so im Fall von SimCity – das Errichten von Städten sein. Um seine Chancen zu verbessern, muss der Spieler die Spielregeln lernen. SimCity ist in erster Linie ein Spiel für einen Spieler. In der Rolle des Bürgermeisters muss er entweder eine neue Stadt aus dem Nichts erschaffen oder eine bestehende durch Ereignisse wie Naturkatastrophen oder die Kernschmelze in einem Atomkraftwerk führen. Der Spieler entscheidet, was für eine Art von Stadt er bauen will und ob dabei ihre Größe, ihr Wohlstand, ihre ästhetische Qualität oder die Umweltverträglichkeit im Vordergrund stehen sollen. Um seine Ziele zu erreichen, baut er Häuser, setzt Steuern fest, plant ein Stromnetz und öffentliche Verkehrssysteme und dergleichen mehr. In den neueren Versionen von SimCity ist die Stadt von Sims bewohnt. Ein Sim steht für eine Einzelperson mit eigenen Merkmalen, Fertigkeiten und Einstellungen. Die Sims verhalten sich autonom und reagieren auf ihre Umwelt. Beispielsweise fährt jeder Sim morgens mit dem Auto zur Arbeit. Wenn die Verkehrsdichte zu groß wird, sucht er sich eine alternative Strecke. Wenn das zu häufig geschieht, entscheidet er sich womöglich, die Stadt zu verlassen. Wenn andere seinem Beispiel folgen, kommt der Bürgermeister in Schwierigkeiten.
Second Life hingegen ist eine sogenannte soziale virtuelle Welt. Anders als bei einem Strategiespiel besteht das Ziel nicht notwendigerweise im Gewinnen, ja noch nicht einmal im Spielen, sondern darin, Kontakte mit anderen Teilnehmern zu haben. Jeder Spieler kreiert sich einen Avatar. Avatare sind dreidimensionale Figuren, die Second Life bewohnen. Jeder dieser Avatar kann Objekte schaffen, seien es Schuhe, Gebäude oder ganzen Inseln. Diese Objekte bilden die Kulisse für das Zusammentreffen mit anderen Bewohnern. Second Life begann als eine leere Welt, die von den Spielern gefüllt werden sollte und, wichtiger noch, ohne festgelegte Spielregeln. Die Avatare treffen sich einfach, bilden Gemeinschaften und schließen, wenn erforderlich, die Gemeinschaft betreffende Verträge. Dies ist für den Computerspielbereich außergewöhnlich. Second Life wurde von Linden Lab entwickelt und 2003 veröffentlicht. Seit Ende 2006 wuchs seine Popularität stetig und erreichte 2009 den Spitzenwert von 88.200 gleichzeitigen Nutzern.
Obwohl sich SimCity und Second Life wesentlich unterscheiden, gibt es doch eine Reihe gemeinsamer Merkmale, von denen zwei für die Beantwortung unsere Frage von besonderer Relevanz sind. Zunächst lassen sich beide als digitale Labore kategorisieren. Das ist besonders deutlich im Fall von Second Life, da alles in dieser virtuellen Welt aus den (Inter-)Aktionen der einzelnen Avatare entsteht. Es trifft aber auch auf die aktuellen Versionen von SimCity zu, in denen die Sims interagieren und autonom auf die Eingriffe des Bürgermeisters reagieren. Ein zweites Merkmal, das beide Spiele gemeinsam haben, ist der pädagogische Reiz. SimCity wird beispielsweise benutzt, um Interesse an Software mit geographischen Informationen zu erwecken und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie Planungsentscheidungen miteinander zusammenhängen. Second Life wiederum wird als virtuelles Labor genutzt, um „die Geschichte, Theorie und Praxis der Repräsentation und Produktion von Architektur zu untersuchen“, wie Tor Lindstrand ausführt. Aber sind diese zwei Merkmale wirklich ausreichend, um Planer zu veranlassen, diese Spiele in ihre alltägliche Berufspraxis zu integrieren?
Was können Planer mit SimCity anfangen?
SimCity wächst parzellenweise, wobei eine Parzelle eine Fläche von ungefähr 15 x 15 Metern repräsentiert. Eine Parzelle beinhaltet ein Programm, das bis hinunter auf die Ebene von Elementen wie Laternenpfählen, Schwimmbecken, Mülltonnen und sogar Graffiti detailliert ist. Während des Spiels baut der Spieler seine Stadt, indem er solche Parzellen aus der Datenbank auswählt. Jede Parzelle ist von Sims bevölkert. Anders als in der Sims-Spielereihe können die Sims in SimCity nicht direkt angesprochen werden, sondern geben lediglich dem Bürgermeister ein Feedback. Der Spieler kann die Bevölkerungsstruktur nur indirekt beeinflussen: Errichtet er beispielsweise mehr Einfamilienhäuser, wird dies mehr Sims der Mittelschicht anlocken. Sowohl die Parzellen, als auch die Sims reagieren auf die Eingriffe, die der Bürgermeister vornimmt oder auf das, was zu tun er unterlässt. Diese Eingriffe können sehr allgemein sein, zum Beispiel die Festlegung der Steuersätze, aber auch sehr spezifisch, zum Beispiel die Anlage eines zusätzlichen Zebrastreifens.
Um SimCity wirklich zu einem nützlichen Instrument für Planer werden zu lassen, müsste zunächst das Maß der Parzellen auf das tatsächlicher Flurstücke reduziert werden. Sodann müssten die Sims von einer nahezu homogenen Masse zu einer vielschichtigen Bevölkerung aus autonomen Individuen werden. Mit einer solchermaßen verbesserten Version könnte der Spieler praktisch jede beliebige, real existierende Stadt auswählen und sie als eine SimCity reproduzieren, inklusive ihrer Bevölkerung. Unter diesen Bedingungen würde der Zweck des Spiels nicht mehr darin bestehen, sich mit UFOs oder den Folgen eines Erdbebens auseinanderzusetzen, sondern in Bezug auf eine tatsächliche Stadt mit einer tatsächlichen Bevölkerung die Auswirkung planerischer Eingriffe – von alternativen Verkehrsplanungen über Sanierungsprojekte bis hin zu baurechtlichen Bestimmungen – einzuschätzen und zu bewerten.
Die beiden genannten Veränderungen ließen sich technisch leicht umsetzen. Viel schwieriger zu verwirklichen wäre es, das festgelegte Verhalten der Sims flexibler zu gestalten. In den gegenwärtigen Versionen von SimCity nehmen die Sims beispielsweise immer den kürzesten Weg zur Arbeit und rea­gieren immer identisch auf sogenannte „Anziehungspunkte“ (attractors) und „Abstoßungspunkte“ (repulsors). Praktisch jedes Objekt im Spiel hat einen Satz zugeordneter anziehen­-der oder abstoßender Eigenschaften. Schulen ziehen beispielsweise Kinder morgens an und treiben sie fort, wenn der Schultag zu Ende ist. Baudenkmäler sorgen für einen Ansturm von Touristen und neu errichtete Gebäude locken Passanten an, während Katastrophen und Brände dafür sorgen, dass die Sims schreiend wegrennen. All das ist programmiertes, in den Spielecode eingeschriebenes Verhalten. In einem sinnvollen digitalen Labor muss das Verhalten hingegen offen sein. Und da­von ist man weit entfernt. Während bei der Modellierung von Verhaltenskonzepten wie Lernen, gemeinsamem Entscheiden, Verhandeln und Pro-Aktivität größere Fortschritte erzielt wurden, stagniert die Modellierung abstrakterer Eigenschaften wie Vertrauen, Intuition, Engagement und Freundschaft. Doch die Berücksichtigung genau dieser Handlungsmotivationen ist unverzichtbar, will man innovative Planungskonzepte erzeugen und bewerten.
Was können Planer mit Second Life anfangen?
Anders als SimCity ist Second Life nicht wirklich ein Spiel, weil der Spieler hier weder gewinnen noch verlieren kann. Es kann darüber hinaus noch nicht einmal als Simulationsmodell bezeichnet werden, es ist nicht mehr als ein Stück Kommunikationssoftware. Jedoch erlaubt es diese Software, dass die Spieler sich als dreidimensionale Avatare replizieren, imaginäre Welten konstruieren und Interaktionen mit anderen Avataren synchronisieren können. Es ließe sich folglich behaupten, dass die entstehende Welt eine Simulation ist, allerdings eine, die ständig in Veränderung ist und deren Autoren mehr als eine Million Nutzer sind. Wie schon erwähnt, begann Second Life als eine leere Welt, ein gigantischer Ozean, in dem Avatare Inseln kaufen und erschließen konnten. Obwohl die Handlungsmöglichkeiten der Avatare nicht eingeschränkt sind, drehen sich die meisten Aktivitäten um das Erschaffen von kulturellen Formen des realen Lebens wie das Besuchen von Konzerten, Shoppingtouren oder das Trinken von Latte Macchiato.
Damit Second Life als ein Simulationsmodell für Planer funktionieren kann, scheinen die notwendigen Voraussetzungen erfüllt: Das Spiel ist bis auf die Ebene einzelner Parzellen aufgelöst, und die Avatare verhalten sich transparent und unvorhersehbar. Planer könnten also damit beginnen, komplette Städte digital zu rekonstruieren und die Auswirkungen neuartiger räumlicher Konzepte und Visionen zu erproben. Das Problem ist nur, dass dies der Philosophie von Second Life zuwiderläuft, in deren Zentrum die Kommunikation – für die man Orte, aber keine kompletten Städte braucht – und einzelne
Ereignisse, aber keine vollständigen Tageszyklen stehen. Die Avatare fahren nicht mit dem Auto zur Arbeit, sondern teleportieren sich, beispielsweise von einem exklusiven Schuhverkauf zu einer Gedenkfeier für Anna Nicole Smith. Insofern ist es sinnvoll, auf Second Life für kleinere, bescheidenere Szenarien zurückzugreifen – wie etwa im Fall des New Yorker Stadtteils Queens. Hier wurden die Einwohner eingeladen, in Second Life gemeinsam einen neuen Park zu entwerfen.
Jedoch bleibt diese virtuelle Welt immer eine Karikatur, auch dann noch, wenn das individuelle virtuelle Verhalten sich einer Repräsentation des wirklichen Lebens annähert. Die Avatarbevölkerung ist schlichtweg nicht repräsentativ für die offline bleibende Bevölkerung. Zum Beispiel sind Personen mit Jobs in der IT-Branche überrepräsentiert, und Ungleichgewichte lassen sich auch bei der Differenzierung nach Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit beobachten. Diese Diskrepanz zwischen Online und Offline wird noch deutlicher, wenn man sich die Rollen anschaut, die die Avatare einnehmen. Man findet beispielsweise keine Avatare mit Tourette-Syndrom. Eine weitere bemerkenswerte Tatsache besteht darin, dass es, anders als vermutet, nur wenig gruppenübergreifende Interaktion in Second Life gibt. Die Menschen scheinen sich an ihr soziales Netzwerk aus der Offline-Welt zu halten und versuchen nicht, ein neues, virtuelles, aufzubauen.
All diese Beobachtungen unterstützen die These, dass sich Second Life hauptsächlich für kleine Szenarien eignet. Die Möglichkeiten von Second Life liegen dabei nicht nur im Experimentieren mit rein räumlichen Szenarien, sondern auch in der Untersuchung gesellschaftlicher Prozesse. Wegen der Abhängigkeit von Inhalten, die von den Nutzern erzeugt werden, stellt diese virtuelle Welt ein unausgesetztes Experiment in partizipatorischer Kultur dar. In dieser Hinsicht sind für Planer Konzepte wie öffentlich/privat, Identität, Authentizität oder Repräsentation besonders interessant.
Der Wert derartiger Experimente, seien sie nun räumlicher oder sozialer Art, wird allerdings stets von der Ernsthaftigkeit der Beteiligten abhängen. Statt auf beliebige Avatare zu vertrauen, die oft nur nach ihrer nächsten Verabredung Ausschau halten, mag es vielversprechender sein, „Spieler“ gezielt einzuladen, sich explizit auf dieses Experiment einzulassen.
Also: Sollten Planer spielen?
Die Antwort auf die Frage, ob sich Planer auf SimCity oder Second Life einlassen sollten, heißt also nein – zumindest wenn von den gegenwärtigen Formen dieser Spiele die Rede ist. Wie aber sähe es aus, wenn es nach den oben vorgeschlagenen Aspekten angepasste Versionen gäbe? Wenn also diese Spiele tatsächlich Städte als sich selbst organisierende Systeme modellieren könnten? Könnten solche Simulationsmodelle den Planern helfen, diese Systeme zu beeinflussen? Im allgemeinen werden Simulationsmodelle entwickelt, um eine von drei Funktionen zu erfüllen: Sie sollen erstens die Nutzer über einen gegebenen Vorgang informieren, sie zweitens bei einem Vorgangs unterstützen und ihnen drittens helfen, den Vorgang zu verstehen. Doch wie gut erfüllen SimCity und Second Life diese drei Funktionen?
Modelle, die Nutzer informieren, vermitteln lediglich eine bestimmte Botschaft. Diese Mitteilung kann interaktiv sein und sogar eine Reihe von Medientechniken umfassen, gleichwohl bleibt der Inhalt der Botschaft festgelegt. Offenkundig erfüllen sowohl SimCity als auch Second Life diese Funktion. Wegen der starken Detaillierung und weil es Evaluierungswerkzeuge wie Diagramme und Tabellen einbezieht, ist SimCity als Kommunikationsinstrument besonders gut geeignet. Das besondere Potenzial von Second Life hingegen besteht in der Möglichkeit, Daten mit anderen Avataren zu diskutieren.
Modelle, die Nutzer während eines Planungsvorgangs unterstützen, ermöglichen es beispielsweise, unterschiedliche Szenarien durch die Visualisierung der Auswirkungen der Planungsentscheidungen zu evaluieren. Für eine solche Analyse der Auswirkungen lassen sich wiederum sowohl SimCity als auch Second Life einsetzen. Dabei müssen sich die Planer aber stets bewusst sein, dass im Verhalten der Sims Vereinfachungen und Annahmen vorhanden bleiben werden, gleichgültig, wie detailreich und realistisch dieses modelliert ist.
Modelle schließlich, die Nutzern helfen können, (zuvor unbekannte) Prozesse zu verstehen, sollten Experimente mit dem Input des Systems auf der Suche nach Mustern und Regelmäßigkeiten im Output des Systems stimulieren. Die Verknüpfung von Input und Output könnte Einblick in (selbstorganisierende) Prozesse verschaffen, die innerhalb des untersuchten Systems ablaufen. Inwieweit SimCity ein nützliches Werkzeug zum Verständnis systemimmanenter Prozesse ist, hängt stark davon ab, wie realistisch das Verhalten der Sims sein kann. In Second Life ist das Verhalten der Avatare im Prinzip realistisch, da es von wirklichen Menschen gesteuert wird. Beim Experimentieren mit Second Life sollte es möglich sein, Einblick nicht nur in Individuelles zu gewinnen – also zum Beispiel darüber, wie Menschen einen bestimmten Ort nutzen, ihn wahrnehmen und begreifen –, sondern auch darüber, wie dieses individuelle Verhalten sich zu räumlichen und sozialen Trends summiert.
Verbesserte Versionen von SimCity und Second Life könnten Planern also durchaus dabei helfen, in der chaotischen, sich selbst organisierenden Stadt Portugalis zu agieren. SimCity erfüllt dabei die Funktion der Computersimulation, Second Life die des Rollenspiels. Zusammen genommen könnte das Ergebnis entweder eine von Avataren bevölkerte und geleitete SimCity oder ein Second Life mit einem Bürgermeister, Stadträten und Stadtplanern sein.
Die in SimCity eingeschlossenen Annahmen
Planer sind allmächtig | Ein Schlüsselreiz von SimCity besteht darin, dass es Planern virtuell Allmacht gibt. Hier werden Städte mit einer Mausbewegung umgestaltet, Bürgerbegehren mit einem Klick beiseitegeschoben. Das Spiel enthält zwar Meinungsumfragen, aber der Spieler hat keine Konsequenzen an der Wahlurne zu fürchten. Wer glaubt, dass es „Planer allezeit am besten wissen“, wird sich von SimCity bestimmt nicht eines Besseren belehren lassen.
Planer sind allwissend | Die verführerische Art und Weise, in der die Datenansicht von SimCity 4 ein letztgültiges Geoinformationssystem simuliert, legt den Schluss nahe, dass alles Verhalten messbar und daher bei Vorliegen genügender Daten auch beherrschbar sei. Während die Spieler mit ganz unterschiedlichen Gestaltungsabsichten an das Spiel herangehen können, treibt die Eigenart des Spiels sie unwillkürlich zu hochrationalen Ansätzen wie dem Fordern und Bereitstellen von Autobahnen oder der Verwirklichung hoch­gradig geordneter Entwürfe.
Die Landschaft ist leer | Es gibt keine anderen Städte, mit der die neue Siedlung interagieren könnte, solange der Spieler sie nicht gebaut hat. Das schränkt die Möglichkeiten zur Wiedergabe der Interaktion mit einem „ererbten“ städtischen Gefüge, das einen großen Teil der Planungen in der wirklichen Welt bestimmt, drastisch ein.
Es gibt keine Umwelt | Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte enden an den Stadtgrenzen. Die Spieler können darauf reagieren, indem sie Kraftwerke an den Rand der Karte oder in Nachbarstädte stellen, fern der „guten Wohnge­biete“, ohne irgendwelche Rück­wir­kun­gen befürchten zu müssen. So bestärkt SimCity den planerischen Instinkt, die Stadt als geschlossenes System zu betrachten, dessen Ressourcen, wie z.B. Nahrungsmittel, wie von Zauberhand aus einem unsichtbaren Hinterland kommen, während Unerwünschtes wie etwa Umweltverschmutzung oder Müll, irgendwo jenseits der Stadtgrenzen verschwindet.
Zonen sind immer die Antwort | Wie echte Stadtplaner müssen die Spieler Land für den Privatsektor bereitstellen und dann versuchen, Anreize für die gewünschte Erschließung zu schaffen. In dieser Hinsicht ist der Rückgriff des Spiels auf Zonen empfehlenswert, denn darin versagen sich die Entwickler des Spiels dem Wunsch nach totaler Kontrolle über den Stadtentwurf. Die Spieler können Mischnutzungsgebiete planen, indem sie kleine Teile der Gebiete abwechselnd als Wohn- oder Gewerbeviertel ausweisen. Die Simulation versagt jedoch, wenn es um das Fehlen einer zentralisierten Nutzungsplanung geht: Nicht ausgewiesene Gebiete mit echter Mischnutzung, wo das Land allen beliebigen Interessenten offensteht, sind nicht vorgesehen.
Planung ist für Wohlhabende | Die politischen und ökonomischen Annahmen von SimCity spiegeln politische Einstellungen und Werte der Mittelschicht wider: Niedrige Steuern sind fein; hohe Grundstückspreise sind prinzi­piell wünschenswert, und Probleme mit Kriminalität löst man mit verstärkter Po­lizeipräsenz. Öffentliche Einrichtungen existieren im Wesentlichen in Form von Schulen und Krankenhäusern, aber nach der tückischen Logik des Spiels treibt das Vorhandensein solcher Einrichtungen die Grundstückspreise in die Höhe. Ärmere Gegenden sehen hässlicher aus, und die Versuchung ist groß, sie zu verdrängen und durch attraktivere Viertel für Wohlhabende zu ersetzen. Ziele wie Wohnungsvielfalt oder soziale Gerechtigkeit werden kaum belohnt.
Planung bedeutet Ästhetik und Masterpläne | Wie mehrere der oben dargestellten Einwände vermuten lassen, begünstigt die Vogelperspektive, der Blick von oben nach unten in SimCity eine abschätzige Haltung gegenüber den virtuellen Bewohnern. Dass trotz diverser in das Spiel eingebauter Rückkoppelungsmechanismen die Gebäude im Mittelpunkt stehen, lässt das Spiel tendenziell zu einer Übung in Masterplanung und Ästhetik werden. Das unterstützt eine bestimmte Vorstellung von dem, was Planung bedeute, während andere Traditionen wie umweltgerechtes, sozialverträgliches oder von der Straßenebene aus vorgehendes stadtgestaltendes Planen vernachlässigt werden.
Zusammengestellt von Stephen Rowley

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