Sozialistische Stadtbaukunst
13. Werkstattgespräch des IRS
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Sozialistische Stadtbaukunst
13. Werkstattgespräch des IRS
Text: Grünzig, Matthias, Berlin
Die Situation ist paradox: Einerseits interessieren sich Bauhistoriker und Denkmalpfleger verstärkt für die DDR-Moderne, andererseits erfährt deren bauliches Erbe noch immer nur geringe Wertschätzung.
So prägende Ensembles wie der Freiraum am Berliner Fernsehturm, der Staudenhof in Potsdam oder die Wohnscheiben am Breiten Weg in Magdeburg sind in ihrem Bestand nicht gesichert. Eine Verständigung über den Wert der Bauten dieser Epoche scheint dringend geboten: Was ist das Besondere der DDR-Moderne? Was genau macht ihre Qualität aus? Solche Fragen wurden beim 13. Werkstattgespräch zur DDR-Planungsgeschichte am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner diskutiert, das bereits im Januar stattfand.
Es ist unbestritten: Während der DDR-Zeit sind eigenständige bauliche Leistungen entstanden, die sich durch hohe Qualität auszeichnen. Allerdings resultiert ihre Besonderheit oft weniger aus ihrer Architektur, als vielmehr aus ihrem Städtebau. Der Denkmalpfleger Kay Richter wies diesen Zusammenhang am Beispiel der Zentrumsplanungen für Chemnitz, das damalige Karl-Marx-Stadt, und Suhl nach. Aufgrund des gesellschaftlichen Eigentums an Grund und Boden sei es in der DDR möglich gewesen, wesentlich größere Stadtbereiche „aus einem Guss“ zu planen als in der Bundesrepublik.
Andere Vorträge beschäftigten sich mit einem weiteren Phänomen der DDR-Moderne, der Freiraumgestaltung. Sylvia Necker vom IRS widmete sich den Fußgängerzonen im deutsch-deutschen Vergleich. Demnach habe die Freiraumgestaltung in der DDR eine wesentlich größere Rolle als in der Bundesrepublik gespielt. Diese These wurde von Linda Großkopf von der TU Dresden mit konkreten Beispielen illustriert: In Chemnitz entstand nach einem Entwurf von Karl Wienke am Rosenhof ein Gartenkunstwerk aus verschiedenfarbigen Rosenbeeten, Wasserkaskaden, Pergolen und Bodenmosaiken; am Breiten Weg in Magdeburg schuf der Metallgestalter Fritz Kühn skulpturale Brunnenanlagen.
Welche Konsequenzen haben die vorgestellten Forschungsergebnisse für die Denkmalpflege-Praxis? Die umfangreichste Antwort auf diese Frage gab Roman Hillmann, der im Rahmen eines Projekts der Wüstenrot-Stiftung konkrete Denkmalkategorien für die DDR-Moderne entwickelt (Bauwelt 12). Er machte deutlich, dass der komplexe Charakter dieser Epoche eine neue Herangehensweise erforderlich macht. Keineswegs würde es genügen, einzelne Bauwerke unter Schutz zu stellen. Nötig sei vielmehr die Unterschutzstellung ganzer Ensembles, weil nur so der Städtebau der DDR-Moderne mitsamt seiner Freiflächengestaltung und Kunstausstattung zu bewahren wäre.
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