Sparsam
Die Newcomer auf der Mailänder Möbelmesse 2014
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Sparsam
Die Newcomer auf der Mailänder Möbelmesse 2014
Text: Kasiske, Michael, Berlin
Während bekannte Hersteller ihr Renommee durch Architekten- und Designerstars zu steigern suchen – und umgekehrt (Bauwelt 20) –, muss die junge Generation in Mailand überhaupt erst Interesse wecken.
Auf dem „Salone Satellite“ zeigte sie allerlei strahlende Positionen, die zwischen klassischem Produktdesign und Gebrauchskunst schwingen. Gemeinsam ist ihnen der kritische Blick auf die Ressourcen.
Daraus geht noch was
Daraus geht noch was
Mit der Serie ply überhöht Christoph Friedrich Wagner das Material Sperrholz. Die ungewöhnlich homogen wirkenden „Blöcke“ aus geschichteten und zusammengepressten Furnieren erhalten durch die horizontale Struktur ihrer Schnittflächen die Anmutung einer artifiziellen Maserung. Damit kann der industriell hergestellte Werkstoff mit seinen typischen Unregelmäßigkeiten durchaus in Konkurrenz zu Edelholzfurnieren treten.
Der 35-jährige Wagner hat zeitlose Formen angestrebt. Was hier keinesfalls langweilig heißt, denn die massiven Körper der Tische und Sideboards stehen im spannungsvollen Kontrast zu ihren konisch zulaufenden Beinen. Die Lampen indes könnten nicht nur des Materials wegen in Finnland heimisch sein, ebenso die Steckerleiste. Große Aufmerksamkeit widmet der gelernte Schlosser und Architekturabsolvent dem Thema Ressourcenschonung. Die Möbel sind robust, oberflächliche Beschädigungen kann man kurzerhand selbst mit Schleifpapier beheben. Und alle Reste, die durch das Ausschneiden von Möbelteilen aus den Blöcken entstehen, sind so dimensioniert, dass sie sich zu kleineren Objekten der Serie weiterverarbeiten lassen.
Lichtgalgen
Vormen ist das flämische Wort für das deutsche Formen. Entsprechend programmatisch versteht sich das siebenköpfige belgische Kollektiv dieses Namens, das aus Architekten, Grafikdesignern, Kunsthistorikern und Fotografen besteht, die zum Teil noch studieren. Wie die meisten jungen Formgeber führen sie eine Gestaltungsaufgabe erst einmal auf die konstituierenden Elemente zurück.
Diese beschränken sich bei der Mlamp auf Leuchtmittel, Fassung, Zuleitung und Gestell. Daraus entsteht eine Tischlampe, die trotz reduziertem Materialeinsatz gefällig wirkt. Das mag an dem wohlproportionierten Stahlgestell liegen, das die Birne wie an einem Galgen baumeln lässt und nur durch zwei gespreizte Stäbe des gleichen Materials gegen ein Umfallen gesichert ist. „Form follows function“ tönt für jeden Schüler absolut. Die daraus resultierenden Gestalten sind allerdings so vielfältig wie die Zeitgeister, denen der Entwerfer schon allein wegen des jeweiligen Stands der Technik ausgeliefert ist.
Leuchtpistole
„Ein Stahlrohr hat sich durch Hitze verformt“, beschreiben Florian Kallus und Sebastian Schneider lakonisch ihre Leuchte Konichiwa. Dabei haben sie, die in Köln gemeinsam das Studio kaschkasch führen, ein geometrisch geformtes Wesen entworfen, das mit seinem abgeknickten Kopf auf einem längeren Schaft in den 1970er Jahren die Vorlage für eine Comicgestalt hätte sein können.
Die kleine pulverbeschichtete Leuchte verlockt dazu, sie in die Hand zu nehmen und mit sich herumzutragen, um sie irgendwo abzulegen oder hinzustellen, wo gerade Licht gebraucht wird. Die Leuchtquelle ist kaum zu sehen, das Stromkabel verläuft unsichtbar durch die Verdickung zwischen Schirm und Schaft und tritt erst am Fußpunkt aus. Konichiwa lässt nicht vermuten, dass die beiden Designer gelernte Tischler sind. Kennengelernt haben sie sich beim Designstudium an der Akademie für Gestaltung in Münster, einem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer.
Leuchtpappe
Entwürfe von Lampenschirmen aus Wellkarton gab es in den letzten Jahren viele, weil man entdeckt hat, dass die Qualität des warmen Lichts die eingeschränkte Reflexion des Materials überwiegt. Mit einer ungewöhnlich umfangreichen Serie wartet das junge Design-Studio Wishnya aus Jekaterinburg auf, das sich auf dieses Material spezialisiert hat.
Mit den cardboard lamps bringen die Designer die russische Tradition der Muster und Ornamente auf überzeugende Weise zum Ausdruck. Die Lampenformen sind zusätzlich eingekerbt, was zum einen die Stärke des Materials bewusst macht, zum anderen die homogene Oberfläche aufbricht und dynamisiert. Dafür ist ein großer Perfektionismus erforderlich, den Wishnya für sich auch in Anspruch nimmt. Das Studio fand seinen Weg nach Mailand übrigens über den Saloni WorldWide Moscow, eine kleinere, von der Mailänder Messe für den russischen Markt organisierte Möbelschau, die in diesem Oktober bereits zum zehnten Mal stattfindet.
Norwegischer Winter
Die Norweger Wilhelm Grieg Teisner und Lars Olav Dybdal sehen ihre Arbeit mit Humor. Unter dem Namen Gridy (abgeleitet von Grieg und Dybal) entwickelten die beiden in Oslo ansässigen Produktdesigner bereits zahlreiche Prototypen. Die sind stets klar und funktional, aber auch für wechselnde persönliche Bedürfnisse gestaltet. So auch Wable.
Die Wandleuchte, ein Zylinder aus weiß lackiertem Kiefernholz, ist am oberen Ende auf einer Seite leicht abgeschrägt. Dadurch wird der Lichtstrahl von der Wand weg in den Raum geleitet und kann, da die Leuchte mittels Magneten an der Wand hält, im-mer in die Richtung gedreht werden, für die gerade Helligkeit erwünscht ist. Das weiße Kabel wird durch eine Nut auf der Rückseite so arretiert, dass es immer gut sitzt. Auf einer weißen Wand wirkt Wable am besten. In dieser Zurückhaltung unterscheidet sie sich von den beiden früheren Leuchten Spiff und Bob, die zwar auch multifunktional, doch mit ihrer Holzoptik stärker präsent waren. Vielleicht ist Wable dem norwegischen Winter gewidmet?
Nichts für Gummi-Fetischisten
Das Projekt ®MOSSA entstand in Altamarca, einer Region nördlich von Venedig, die vor allem durch das Weingebiet des Prosecco bekannt ist. Davide Brugiolo suchte nach Techniken, mit der sich die Abfälle der dortigen Textilmanufakturen mit denen der Industrie wortwörtlich verweben lassen. Aus Webabschnitten, gewalkten Filzen und zuweilen alten Fahrradschläuchen fertigt der Textilkünstler neue Stoffe.
Für Teppiche bedient sich Brugiolo herkömmlicher Webverfahren: Durch die in einem Rahmen aufgespannten Kettfäden schießt er abwechselnd Stoffe und Fahrradschläuche. Die Wollreste sind ähnlich reißfest wie das Gummi; mit ihren rauen Fasern bilden sie einen reizvollen Gegenpart zu dessen Glätte. Mit seiner Arbeit, bei der jedes Produkt zwangsläufig ein Unikat ist, entlarvt Brugiolo die angebliche Wertlosigkeit von Restmaterialien als Trug. Er kreiert aus ihnen ausdrucksstarke Objekte mit ungewohn-ten Texturen, Material- und Farbrhythmen, deren Gebrauchswert man im Einzelfall hinterfragen kann – ihren ästhetischen Reiz jedoch nicht.
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