Bauwelt

Sprung über die Elbe nach Wilhelmsburg

IBA Hamburg 2013

Text: Gefroi, Claas, Hamburg

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Sprung über die Elbe nach Wilhelmsburg

IBA Hamburg 2013

Text: Gefroi, Claas, Hamburg

Von zwei Elbarmen umflossen fristete der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg jahrzehntelang ein Schattendasein. In sozialer Monostruktur lebten Menschen aus mehr als 100 Nationen, ohne Zentrum und abgeschnitten vom Rest der Stadt. Dann kam die IBA und räumte um. Jetzt präsentiert sie das Ergebnis ihrer 6-jährigen Arbeit: über 60 Projekte, die den Leitthemen „Metrozonen“, „Kosmopolis“ und „Stadt im Klimawandel“ untergeordnet sind.
Darunter ein Öko-Kraftwerk im ehemaligen Flakbunker, eine Kolonie von Musterhäusern und ein Gewerbehof mit niedrigen Mieten.

So recht wissen die Wilhelmsburger noch nicht, wie ihnen gerade geschieht. Kein Mensch interessierte sich für ihren Stadtteil auf Europas größter Flussinsel zwischen Norder- und Süderelbe. Was haben sie jahrzehntelang gekämpft, um Aufmerksamkeit, Chancengleichheit, Unterstützung. Wilhelmsburg, nur ein paar S-Bahn-Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, tauchte allenfalls in den Schlagzeilen auf, wenn wieder ein Kampfhund zubiss oder ein Kiosk ausgeraubt wurde. Noch 2009 nannte die „Zeit“ den Ort „ein finsteres Problemquartier, voller Gewalt und Armut“. Nun kommt eine Internationale Bauausstellung und will hier „die übergeordneten Zeitfragen der Stadtgesellschaft im Übergang von der Großstadt des Industriezeitalters zur Metropole der wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft“ lösen.
Wilhelmsburg machte im späten 19. Jahrhundert eine rasante Entwicklung vom Bauernhofidyll zum Hafen- und Indu­striegebiet durch. Binnen weniger Jahre wurden Hafenbecken, Kanäle, Werften, Bahnanlagen, Fabriken und Arbeiter-Wohnquartiere aus dem Boden gestampft. Noch heute erinnern zwischen Industrie- und Hafenanlagen Bauernhäuser und Windmühlen an die vorindustrielle Zeit. Im Zweiten Weltkrieg wurde vieles zerstört und anschließend rasch wieder aufgebaut. Doch die Einführung des Containerhandels und die fortschreitende Automatisierung seit den sechziger Jahren bedeutete eine Zäsur. Tausende Arbeitsplätze verschwanden. Die modernen Terminals entstanden weiter westlich im Stadtgebiet. Nach Wilhelmsburg kam all das oder blieb hier, was man anderswo nicht haben wollte: Chemiebetriebe, Fabriken und Schlick­deponien vergifteten Luft und Boden, Verkehrsschneisen durchschnitten den Stadtteil, auf einem gigantischen Müllberg wurden jahrzehntelang Pflanzenschutzmittel, Industrieabfälle und Sondermüll abgeladen, bis 1983 Dioxin austrat. Parallel vollzog sich ein sozialer Wandel. Nach der verheerenden Sturmflut von 1962, die 300 Menschen das Leben kostete, wollte man Wilhelmsburg langfristig als Wohnstandort aufgeben. Die Stadt investierte kaum noch in die Quartiere; sie verkamen. Das Arbeitermilieu schwand mit den Arbeitsplätzen, der Migrantenanteil stieg. Neue Großwohnsiedlungen der siebziger Jahre wie Kirchdorf-Süd führten zum weiteren Zuzug benachteiligter Menschen – arbeitslos, arm, mit geringer Bildung – und verstärkten die soziale Monostruktur.
Interessanterweise war es ein CDU-geführter Senat, der sich der Elbinsel annahm: Unter Ole von Beust wurde 2002 eine Zukunftskonferenz mit Beteiligung der Wilhelmsburger einberufen, 2003 eine Olympiabewerbung für Spiele am Wasser eingereicht – erfolglos – und noch im gleichen Jahr eine Internationale Entwurfswerkstatt ausgerichtet. Deren Ergebnisse flossen ein in das Rahmenkonzept „Sprung über die Elbe“, welches, eingebettet in das Leitbild „Hamburg – Wachsende Stadt“, eine Verlagerung der Entwicklung der Stadt von den Rändern zurück ins Zentrum einleitete. Die Fokussierung auf eine Nord-Süd-Achse, von der Innenstadt über Hafencity und Wilhelmsburg bis nach Harburg, lag angesichts der Flächenpotenziale nahe: Auf einer Fläche von 35 Quadratkilometern leben nur 50.000 Menschen. Primäres Ziel des „Sprungs“ war damals jedoch nicht so sehr, Verbesserungen für die Alt-Wilhelmsburger zu bewirken, sondern Wachstum durch eine Neupositionierung Hamburgs als attraktive Dienstleistungs- und Kreativmetropole zu generieren. Im Wettbewerb der Großstädte, dies wusste der Richard Florida lesende Bürgermeister, musste Hamburg seine weichen Standortfaktoren ausspielen und mit seiner Lage am Wasser punkten.
Die IBA und ihre drei Arbeitsfelder
Aus dem „Sprung über die Elbe“ entstand das Projekt einer Internationalen Bauausstellung in Kombination mit einer Internationalen Gartenschau im Jahr 2013. Mit dem Regierungswechsel von Schwarz zu Schwarz-Grün und dem Amtsantritt von Uli Hellweg als IBA-Geschäftsführer Ende 2006 veränderten sich die Vorzeichen: Nicht mehr die Urbarmachung Wilhelmsburgs für Kreative stand im Vordergrund, sondern innerstädtisches, umweltverträgliches Wachstum ohne Verdrängung der ortsansässigen Gewerbebetriebe und der Bevölkerung. So filterte die IBA drei Arbeitsfelder heraus, von denen jedes für sich eine Internationale Bauausstellung rechtfertigen würde: 1. Kosmopolis: Wie können die großen sozialen und kulturellen Unterschiede der aus über 100 Nationen stammenden Bewohner zu einer Stärke werden? 2. Metrozonen: Wie kann ein extrem zerrissenes, disparates Stadtgebiet mit zahlreichen Brachen, Industriegebieten und Verkehrsschneisen zu einem urbanen, lebendigen Raum entwickelt werden? 3. Stadt im Klimawandel: Wie können Städte klimaverträglich gestaltet werden und sich gegen die Folgen des Klimawandels schützen? Uli Hellweg brachte den hohen Anspruch auf den Punkt: „Im Jahr 2013 wollen wir (…) zeigen, wie der notwendige energetische, soziale und städtebauliche Umbau der Stadt gelingen kann, wie man Stadt heute neu bauen kann, ohne sie zu zerstören.“ Im Lokalen Antworten auf globale Fragen finden – aus dieser Sicht ist die Heterogenität und Zerrissenheit Wilhelmsburgs ein Sinnbild für die planlos entstehenden Stadt-
strukturen weltweit. In Wilhelmsburg will die IBA zeigen, dass diese „inneren Stadtränder“, die Brachen, Restflächen, Industrie- und Gewerbeareale, als „Metrozonen“ vielfältige Potenziale besitzen. Ihre Aktivierung kann einen Stopp des äußeren Wachstums mit all seinen Nachteilen (Verkehr, Zersiede­-
lung) und eine Verdichtung im Stadtinneren einleiten.
Gemischte Mitte für Wilhelmsburg
So ist es das wichtigste Anliegen der IBA, dem Flickenteppich Wilhelmsburg wieder eine Mitte zu geben. Der von Jo Coenen & Co mit dem Landschaftsplanungsbüro Agence Ter ersonnene Masterplan bildet diese Mitte in einem bislang brachliegenden zentralen Geländestreifen zwischen der autobahn-ähnlichen Wilhelmsburger Reichsstraße und einer pa­rallelen Bahntrasse aus. Die Lage wird sich zukünftig deut­-
lich verbessern, denn die trennende und laute Durchgangsstraße wird auf das Gelände der Bahntrasse verlegt. Das birgt Vorteile, denn der Lärm der kombinierten Bahn-/Bundesstraßentrasse wird durch neue Schutzwände erstmals effektiv vom Stadtteil ferngehalten, und die frei werdenden Flächen stehen der Stadtentwicklung zur Verfügung. Freilich gibt es auch Kritiker, die den weiteren Ausbau dieser innerstädtischen Bundesstraße zu einer Quasi-Autobahn kritisieren und statt einer Verlegung, den Rückbau zu einer Stadtstraße propagieren – möglich gemacht durch eine weiträumige Umlenkung des Durchgangsverkehrs und eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs.
In dieser neuen Mitte nun, nahe dem S-Bahnhof Wilhelmsburg, am Haupteingang zum Gartenschaugelände, entsteht auf 30 Hektar eine Mischung aus Wohnen, Büros, Handel und Dienstleistungen sowie Hotel und Freizeiteinrichtungen. Als weithin sichtbares Zeichen des Wandels liegt gleich neben dem S-Bahnhof Wilhelmsburg der farbig gestreifte, vor und zurück schwingende Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt von Sauerbruch Hutton. Die BSU ist sozusagen der Ankermieter des neuen Zentrums. Etwa 1500 Mitarbeiter werden täglich hierher zur Arbeit kommen, auch einkaufen, Dienstleistungen nachfragen, vielleicht sogar Wohnungen suchen. Schräg gegenüber wird noch an einem Komplex aus Ärztehaus, Sporthallen, Fortbildungseinrichtungen und Jugend- und Seniorenzentrum gebaut.
Komplettiert wird die neue Mitte durch das Quartier „Bauausstellung in der Bauausstellung“ – dem Herzstück der IBA. Hier bauen Architekten und Investoren Wohnhäuser, die als „Case Study Houses des 21. Jahrhunderts“ wegweisende Lösungen auf vier Themenfeldern liefern sollen: Wandelbare „Hybrid Houses“, intelligente und nachhaltige „Smart Material Houses“, günstige „Smart Price Houses“ und „Waterhouses“ für das Leben am Wasser. Man wolle hier an die Tradition früherer Bauausstellungen anknüpfen und „Antworten auf die Frage suchen, wie wir in Zukunft bauen und wohnen werden“. Die Gebäude von Kennedy & Violich, architekturagentur, Zillerplus, Splitterwerk, Fusi & Ammann oder BEL gehören gewiss zu den Höhepunkten dieser IBA, weil sie mit der notwendigen Radikalität neue Ideen umsetzen. Ob die „Case Study Houses“ aber den hohen Anspruch einlösen, „neue Bautypologien zu begründen“, wird erst die Zukunft zeigen. Eine andere offene Frage ist, ob diese Ansammlung von Musterhäusern zu einem richtigen Quartier zusammenwächst. Derzeit, die Arbeiten an den Freiflächen sind noch nicht abgeschlossen, kann man dies durchaus in Frage stellen. Unterschiedliche Gebäude liegen beziehungslos nebeneinander; ein innerer Zusammenhang ist kaum erkennbar. Einen Höhepunkt sollen einmal die nebenan entstehenden Water Houses der Architekten Schenk + Waiblinger bilden, deren Clou es ist, in einem neu geschaffenen Teich zu stehen, der als Regenwasserrückhaltebecken dient. So romantisch es sich dort vielleicht leben lassen mag – es mutet merkwürdig an, in einem latent vom Pegel der Elbe und einem hohen Grundwasserspiegel bedrohten Stadtteil Wohnidyllen auf künstlichen Wasserflächen anzulegen.
Die IBA in Wilhelmsburg beschränkt sich nicht auf das Bauen von Häusern. Um einen sozialen Wandel einzuleiten, startete man eine „Bildungsoffensive“, die nicht nur die Aufstiegschancen von Kindern und Jugendlichen verbessern, sondern auch Familien von außerhalb auf die Elbinsel locken soll. Sichtbares Manifest dieses Aufbruchs ist das „Bildungszen­trum Tor zur Welt“ (bof architekten mit Breimann & Bruun), in dem verschiedene Schulformen, Erwachsenenbildung und Beratungseinrichtungen zusammengefasst wurden. Das Bildungszentrum liegt an einer „Agora“, über die eine Straße führt. Es ist eine symbolische Geste: Die Schule verwebt sich mit der Stadt. Und auch beim dritten großen Thema Nachhaltigkeit ist der lokale Bezug vorhanden. Man will Wilhelmsburg noch dieses Jahr auf Klimaneutralität umstellen und die Elbinsel bis 2050 vollständig durch regenerative und lokal erzeugte Energie versorgen. Dass Wilhelmsburg hier voranschreitet, macht Sinn, denn aufgrund seiner exponierten Lage inmitten des Elbstroms wird der Stadtteil besonders von den Auswirkungen des Klimawandels, sprich von häufigeren und höheren Sturmfluten, betroffen sein. Der Gebäudebestand soll energetisch saniert, an Neubauten sollen hohe energetische Anfor­derungen gelegt und mit einer Vielzahl von Projekten lokal erneuerbare Energie erzeugt werden. Aushängeschild ist der „Energiebunker“, der Umbau eines alten Flakbunkers zu einem Öko-Kraftwerk (Architekten: Hegger Hegger Schleiff). Ein weiteres Projekt ist der „Energieberg Georgswerder“. Die in den Achtzigern durch Dioxinfunde zu trauriger Berühmtheit gelangte Deponie wurde schon vor langer Zeit mit Dichtungsbahnen und Erde abgekapselt und kann heute zur Energieerzeugung genutzt werden. Bei der Abfallvergärung entstehendes Methangas wird thermisch verwertet; auf der begrünten Oberfläche erzeugen Windräder und Photovoltaikanlagen Strom.
Solche Symbolprojekte sind wichtig, aber die eigentliche Stärke dieser IBA sind wenig sichtbare, immaterielle Prozesse wie die konsequente Beteiligung der Bürger an den Verän­derungen. Ein Beispiel hierfür liefert das sogenannte „Weltquartier“. Das Reiherstiegviertel, ein im Besitz der städtischen SAGA befindliches Arbeiterwohnquartier aus den dreißiger Jahren, in dem heute 1700 Menschen aus 30 Nationen leben, wurde im Zuge einer Sanierung zu einem Modellprojekt für „interkul­turelles Wohnen“. Noch vor Beginn der Planungen wurden die Wünsche und Ideen der Bewohner in Gesprächen erfasst. Dann folgten Planungswerkstätten, deren Ergebnisse in die Wettbewerbsausschreibungen aufgenommen wurden. Der siegreiche Entwurf von kfs architektur und Andresen Landschaftsarchitektur wurde mit den Bürgern nochmals überarbeitet. Die Maßnahmen – energetische Sanierung, Vergrößerung der Wohnflächen, Änderungen der Grundrisse, hochwertige Freiräume – sind so optimal auf die Bewohner zu­geschnitten. Ähnliches gilt für den „Welt-Gewerbehof“. Hier wurde einem chaotischen, zumeist von lokalen migrantischen Händlern genutzten Gewerbegebiet durch eine einfache Neugestaltung (Dalpiaz + Giannetti Architekten) eine Perspektive gegeben.
Nicht griffig, sondern komplex
Die Vielschichtigkeit und der lokale Bezug dieser IBA sind ihre größte Stärke und zugleich ihr größtes Manko. Die IBA Hamburg ist nicht griffig, sondern komplex. Sie formuliert keinen neuen Architekturtrend, sondern sucht pragmatische, effektive Lösungen, die auch anderswo Schule machen können. So etwas eignet sich kaum für Hochglanz-Magazine und Zwei-Minuten-Filme in Kulturmagazinen. Aber der Anspruch, das Neue immer im Kontext mit dem Bestehenden zu entwickeln, es in die Umgebung einzubinden, findet Anklang in einer Nachbarschaft, die durch viele schlechte Erfahrungen misstrauisch geworden ist. Zwar gibt es eine (überschaubare) Gruppe fundamentaler IBA-Gegner, doch viele sind offen für den eingeleiteten Wandel. Bewohner, deutsche wie migrantische, die bislang den Stadtteil in Richtung vermeintlich besserer Gegenden verließen, bleiben nun und bilden vielleicht das Fundament für eine neue Mittelschicht. Schließlich beginnt das Hamburg nördlich der Elbe, sich für diese noch ein wenig wilde Terra incognita zu interessieren: Die ersten Neu-Wilhelmsburger ziehen in die IBA-Häuser oder in hier noch erschwingliche Altbauwohnungen. Das schürt Angst vor Verdrängung, die aber nur teilweise begründet ist, denn zwei Drittel des Wohnungsbestands sind in der Hand der städtischen SAGA und von Genossenschaften. Politiker haben versprochen, den Immobilienmarkt genau zu beobachten und bei Anzeichen von Gentrifizierung mit Maßnahmen wie sozialen Erhaltungssatzungen gegenzusteuern. Bedingung dafür ist, dass die Stadt sich auch nach Abschluss der IBA dauerhaft auf der Elbinsel engagiert. Den behutsamen Wandel nach 2013 fortführen – das ist die eigentliche große Aufgabe. 
8 Fragen zur IBA Hamburg | beantwortet von Uli Hellweg
Was ist die Grundidee der IBA Hamburg?
Den „Sprung über die Elbe“ mit inno­va­tiven, international relevanten Themen der Stadtentwicklung zu verbinden und gleichzeitig – ganz im Sinne der ersten Bauausstellungen – modellhafte Experimentalbauten („Case Study Houses“) zu errichten.
Was waren die Probleme, die Hamburg sei­ner­zeit dazu veranlasst haben, eine IBA zu initiieren?
Hamburg ist eine wachsende Stadt, die Flächen für die Siedlungsentwicklung braucht. Nichts lag näher als, den Fokus der Stadterweiterung auf die inneren Periphe­-rien der Stadt, die Metrozonen, zu legen. Der Wohnungsbedarf von ca. 6000 WE/Jahr lässt sich nicht mehr allein auf den Konversionsflächen oder durch Nachverdichtung befriedigen. Wir brauchen einen neuen behutsamen Stadtumbau. Hier liegen die Entwicklungs­potenziale der Stadt.
Welche Leitprojekte gibt es, und auf wel­chen Zukunftsbildern für Hamburg bauen sie auf?
Die mehr als 60 Projekte greifen die Themen „Bauen in Zeiten des Klimawandels“, „Bauen für eine kosmopolitische Stadt“ und „Entwicklung der Metrozonen“ auf. Dementsprechend sind Leitprojekte etwa der Energieberg oder der Energiebunker, die allein 15 Prozent aller Haushalte in Wilhelmsburg mit Wärme und 25 Prozent mit Strom versorgen. Im Leitbild „Kosmopolis“ stehen unsere acht Bildungsprojekte sowie die Wohnprojekte wie das „Weltquartier“ im Vordergrund. Kern des „Metrozonenkonzeptes“ sind die neuen Freiraumprojekte wie der Deichpark Kreetsand und der Spreehafen oder die Harburger Schlossinsel mit ihrer einzigartigen Mischung von Wohnen und Arbeiten. Diese Leitbilder bauen auf dem Zukunftsbild der „Wachsenden Stadt Hamburg“ auf und versuchen, es mit qualitativen Inhalten zu füllen.   
Mit welchen Instrumenten setzt die IBA Hamburg die modellhaften Projekte um?
Das Format IBA selbst ist das wichtigste In­strument. In diesem Rahmen lassen sich unterschiedliche Instrumente der Bürgerbeteiligung, der Qualifizierung von Projekten und der Finanzierung entwickeln. Die IBA Hamburg erprobte mehr als ein Dutzend unterschiedliche Beteiligungsformate, um die verschiedenen sozialen und kulturellen Gruppen im Stadtteil anzusprechen und in den IBA-Prozess einzubeziehen. Die sieben IBA-Excellenzkriterien waren eine wichtige Hilfe, um bei den Projekten die Spreu vom Weizen zu trennen. Dem ging allerdings eine mühsame Projektentwicklung voraus, da Wilhelmsburg nicht auf der Agenda Hamburger In­vestoren stand. In diesem jahrelangen Überzeugungsprozess spielte die „IBA Konvention“ von 8. Mai 2007 eine große Rolle, in der sich zahlreiche Organisationen und Institu­tionen der Freien und Hansestadt zur IBA bekannten. Aus dem Partnerkreis sind viele Projekte entstanden. Außerdem: Keine IBA ohne Geld!
Was waren die städtebauliche Programme (Masterpläne, Leitlinien der städtebaulichen Planung), auf denen die IBA Hamburg auf­gebaut hat?
Es gab zu Beginn der IBA den Masterplan „Sprung über die Elbe“ aus dem Jahr 2006, der von IBA aber in wesentlichen Teilen modifiziert und detailliert wurde. Wichtiger als rein räumliche Planungen wa-ren und sind für die IBA integrierte Handlungskonzepte wie die Bildungsoffensive oder das Klimaschutzkonzept „Erneuerbares Wilhelmsburg“.
Welche Partner sind an der Umsetzung beteiligt?
Die wichtigsten institutionellen Partner sind die BSU und die beteiligten Bezirke Hamburg Mitte und Harburg, da sie für das Planungsrecht und die Finanzierung der Infrastruktur zuständig sind. Die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Partner sind die Bürger und ihre Vereinigungen vor Ort, einzelne Vertreter der politischen Parteien sowie die Partner der IBA Konvention. In der Projektentwicklungsphase spielten auch die Verbände der Wohnungswirtschaft sowie die finanzierenden Banken eine wichtige Rolle.
Wie groß sind die finanziellen Mittel der IBA Hamburg?
Insgesamt beträgt das Budget der IBA Hamburg ca. 120 Mio. Euro, von denen 100 Mio. durch die FHH bereitgestellt wurden. Der Rest stammt aus Töpfen der EU und des Bundes. Der Eigenbedarf der Gesellschaft betrug für die sieben Jahre inkl. aller Planungs- und Präsentationsaktivitäten 20 Mio. Euro. 100 Mio. Euro wurden für die Investitionsförderung eingesetzt. Damit konnte ein privates Investitionskapital von 700 Mio Euro bewegt werden; etwa eine Milliarde folgt in den Jahren bis 2020. Die IBA konnte auch weitere öffentliche Mit­tel, z.B. für den Schulbau und andere Infrastrukturmaßnahmen mobilisieren, noch­mals etwa 300 Mio. Euro.
Wie geht es mit der IBA weiter: Welche Schritte sind für die Zeit nach Abschluss der Präsentation 2013 geplant?
Hierzu gibt es politisch und gesellschaftlich gegenwärtig verschiedene Modelle und Überlegungen. Genaueres wird man voraussichtlich im April/Mai erfahren.

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