Bauwelt

Statt Rekonstruktion – ein anderer Originalzustand

Das Große sanieren

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Foto: Erica Overmeer

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Statt Rekonstruktion – ein anderer Originalzustand

Das Große sanieren

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Der Modernisierung der Großbauten der 60er und frühen 70er mangelt es bis heute an guten Beispielen. Zwei außergewöhnliche Sanierungen im Münchner Olympiadorf zeigen, wie die industrialisierte Moderne „kritisch rekonstruiert“ werden kann.
Auf ein Jubiläum folgt üblicherweise die Lethargie. Nicht so im Olympischen Dorf, das 2012 sein 40-jähriges Jubiläum feierte. Den Ensembleschutz für das Quartier gibt es seit 1998, vieles wurde in den letzten Jahren modernisiert, und das Viertel ist bei den Bewohnern äußerst beliebt. Die gut organisierte Bewohnerschaft ist längst einen Schritt weiter. Sie steht jetzt an der Spitze einer Initiative, die dem Drama um die Marketingkirmes bei der Nutzung des Olympiaparks (Bauwelt 38.2013) durch einen Antrag als Weltkulturerbe begegnen will.
Was die Bauten von 1972 angeht, wird von unterschied­lichen Bauherren weiter saniert. Nicht alles überzeugt. Auf der Südseite des Dorfs, im ehemaligen Frauendorf, wurde jetzt die Umnutzung des 19-geschossigen Olympia-Towers abgeschlossen. Dieser Turm war während der Spiele Sitz des IOC, dann bezog ihn BMW als Bürohochhaus. Die Autobauer verkauften ihn 2010 an die Engelhardt Gruppe. Das Modernisierungskonzept ist architektonisch banal. Auffällig ist aber der Umstand, dass die Münchner Wohnungsnot es möglich macht, Business-Apartments in Großformaten zu bewerben und in Miniaturformaten an den Mann respektive die Frau zu bringen. Die möblierten Apartments, die in Medium, Large und Extra-Large angeboten werden, sind 24 bis 40 Quadratmeter groß. Sie wurden als Anlageobjekt verkauft und werden im Auftrag der Eigentümer durch die Betreibergesellschaft vermietet. Im vergangenen Herbst sind die ersten „Teilzeitbewohner“ in die 344 Wohnungen eingezogen.
Die architektonische Auseinandersetzung mit der Bausubstanz des ehemaligen Frauendorfs im Süden begann 2008 mit der vorbildlichen Sanierung des Studentendorfs von Werner Wirsing durch bogevischs buero (Bauwelt 27.2008). Der Abriss der begehrten Betonboxen war damals unumgänglich; der Wiederaufbau wurde dem Original nachempfunden. Rainer Hofmann und Ritz Ritzer haben ihr Konzept als „Kritische Rekonstruktion“ bezeichnet und damit nicht ohne Hintergedanken den Berliner Begriff für die Moderne der Nachkriegszeit okkupiert. Inzwischen ist auch die Sanierung der benachbarten Bauten von Günther Eckert – das Studentenhochhaus und die Alte Mensa – abgeschlossen. Für beide Bauten hatte Eckert 1972 eine außergewöhnliche, experimentelle Tragstruktur entworfen mit dem Ziel einer hohen Nutzungsflexibilität. Beide Bauten zeigen schon von ihrer technischen Seite, mit welchen Problemen die heutige Sanierung zu kämpfen hat. Dies gilt mindestens genauso für die Ästhetik: Der Umgang mit der „heroischen Vergangenheit“ des Städtebaus, – so die ehemalige Münchner Stadtbaurätin Christiane Thalgott – stand hier schon deshalb auf dem Prüfstand, weil die Qualität der Eckert-Bauten auch für Laien unübersehbar war und ist.
Aufwandslos oder gar billig zu haben sind solche Sanierungen nicht. Das galt aber auch für ihre Entstehung. Die Planungsgeschichte des „Olydorfs“ durch Erwin Heinle und Robert Wischer und ihrem umfangreichen Team wurde jüngst von Nathalie Heger untersucht. An den Anfang ihres Buchs, das in diesen Tagen erscheint, stellt sie ein Zitat aus einem Interview mit Hans Dehlinger, einem der damaligen Projektleiter aus dem Büro HWP: „Also, Sie müssen bedenken, 1968, als das anfing, war so etwas im deutschen Wohnungsbau vorher nicht geschehen. Diese Art von Qualität war nicht vorhanden. Und eine der Hypothesen war: Wenn es an einem solchen Prestigeprojekt für das ganze Land nicht gelingt, dann können wir es überhaupt vergessen. Es war auch der Versuch, es an diesem Projekt zu riskieren.“ Diesem Satz ist angesichts der Qualitäts-Lethargie im heutigen Wohnungsbau nur das eine hinzuzufügen – dass man sich ähnliche Verve bei den neuen Planungen dringend wünscht.
Fakten
Architekten Eckert, Günther (1927-2001); bogevischs buero, München; Heinle, Wischer und Partner, Stuttgart
aus Bauwelt 8.2014
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