Bauwelt

Stecken, klappen, legen

Noch mehr Entdeckungen auf der Kölner Möbelmesse

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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String®Plex

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String®Plex


Stecken, klappen, legen

Noch mehr Entdeckungen auf der Kölner Möbelmesse

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Was gibt es außer über Stühle (Bauwelt 6) in diesem Jahr von der imm cologne noch zu berichten?
Sein und Schein
Man kennt die Hotelzimmer, in denen der Schreibtisch mit Telefon, Fernbedienung, Prospekten und Ähnlichem verrümpelt ist; und wenn sich doch ein Platz für das Smartphone oder den Tablet-Computer findet, geht die Suche nach einer freien Steckdose los. Genau für solche Probleme hat Michael Hilgers den Workframe entworfen.
Das nur 2,5 Zentimeter dicke Klappschränkchen  ist ein zeitgenössischer Minisekretär: Persönliche Kommunikations- und Arbeitsgeräte können platzspa­rend an einem Mehrfachstecker aufgeladen werden. An die pulverbeschichtete Rückwand lassen sich mit Magnetpunkten Merkzettel heften, zur Ablage von Stiften gibt es Köcher. Ausgeklappt und mit einer kleinen Lampe versehen, wird der Workframe zu einem Arbeitsplatz in der Höhe eines Stehpults, an dem sich auch mal der Laptop aufklappen lässt. Hilgers, der Tischler gelernt hat, spezialisierte sich nach dem Architekturstudium auf unprätentiöse Mö­bel für den Alltag. Workframe trägt dem Umstand Rechnung, dass Computer & Co. immerfort kleiner und leichter werden. Für sie bildet das Möbel, das selbst wie ein Laptop aus Birkensperrholz aussieht, ein sicheres Behältnis. Vor einer weißen Wand ist es nahezu unsichtbar. Oder es wird zu einem Raumelement, wenn man anstelle der weißen Untersicht ein Bild oder einen Spiegel darauf montiert.
Laserlifting
1949 entwarf der schwedische Architekt Nils Strinning (1917–2006) das Regalsystem String – kongenial zu den kleinen Wohnungen, die im Rahmen opulenter Nachkriegsprogramme überall in Europa errichtet wurden. Die Leiter-ähnlichen Seitenteile aus Metallstäben, in die sich Tablare und Vitrinen einhängen lassen, wirken filigran und sind leicht zu montieren.
In den vergangenen 50 Jahren erfreute sich das System so großer Beliebtheit, dass eine Variante, die Strinning bereits in den frühen 50ern entwickelt hatte, fast in Vergessenheit geraten ist: eine Version mit Seitenteilen aus Plexiglas. Seinerzeit musste das in Deutschland produzierte Material von Hand geschnitten werden, was die Herstellung erheblich verteuerte. Wohl auch deshalb hat String®Plex stets im Schatten der Metall-Leitern gestanden. Heute werden die Seitenteile mit dem Laser geschnitten, ansonsten ist die Gestaltung unverändert. Obwohl das Plexiglas durchsichtig ist, verleiht es dem Regal deutlich mehr Volumen – und Präsenz auch in großen und hohen Räumen.
Läufer auf Beinchen
Dimitri Bähler, Linn Kandel und Ismaël Studer ha­-ben das Thema Teppich gelüftet, indem sie ihn imaginär vom Boden abheben. Fanion heißt er – nach dem französischen Wort für Fähnchen.
Die drei Industriedesigner, Absolventen der Kantonalen Hochschule für Kunst und Design in Lausanne, verwenden reinen Wollfilz und kein Gewebe, wodurch sie unabhängig von produktionsbedingten Formaten sind. Aus dem Material stanzen sie die Umrisse axonometrischer Projektionen eines Kreises, eines Rechtecks oder einer Superellipse. Die räum­liche Wirkung des Fanion ergibt sich durch die asymmetrisch aus der Form herausgeschnittenen Fran­sen – ein geradezu postmodernes Zitat, denn bei verfilzten Wollfasern gibt es, anders als beim geknüpf­-ten oder gewebten Teppich, kein als Franse überstehendes Gewebe.
Ob Bähler, Kandel und Studer, die in Neuchâtel gemeinsam ein Studio in der ehemaligen Schokola­denfabrik Suchard betreiben, in den alten Backsteinbauten wohl gelegentlich ein Gliederfüßler über den Weg läuft? Auf jeden Fall lassen sich die artifiziellen Fransen auch als Beinchen deuten, auf denen der Teppich davonläuft.
Glückliche Fügungen
Jan Michel Hintzen vermisste bei den leicht zu transportierenden Tischen, die am Markt angeboten werden, konstruktive Kraft und Materialwertigkeit. Deshalb konzipierte sich der Architekturabsolvent ein eigenes Modell. Von vorneherein sah er eine automatisierte Produktion mit CNC-Werkzeugen vor, als Material wählte er Mehrschichtholzplatten aus Birke.
Das Resultat namens Steckling besteht aus fünf Teilen, die wenig Transportraum benötigen und sich ohne Werkzeug zusammenfügen lassen: vier Elemente, die, jeweils an den Eckpunkten ineinander gesteckt, gemeinsam Tischzarge und -beine bilden, und als fünftes Element die Tischplatte, die mittels Ausstülpungen an der oberen Seite der Zarge arretiert wird. Alle Steckverbindungen sind halbkreisförmig ausgeschnitten; Hintzen will nämlich nicht nur die Verbindungen selbst zeigen, sondern auch die Herstellung mit der Fräse nachvollziehbar machen: Mit dem Fräskopf – einem rotierenden Messer – kann man keine Ecken fertigen. Die überzeugende Wirkung des Stecklings verdankt sich seiner genau aus dem Notwendigen abgeleiteten Gestalt, die sich jeder Art von Formalismus entzieht.
Fakten
Architekten Hilgers, Michael, Berlin; Strinning, Nils (1917–2006), BKS, Neuchâtel; Hintzen, Jan Michel, Aachen
aus Bauwelt 9.2013
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