Das Berliner Zentrum hat seit dem Fall der Mauer nicht überall zum Besseren gefunden. Mancherorts, etwa am Alexanderplatz, drängt sich diese Erkenntnis geradezu auf. Anderswo teilt sie sich eher dem Unterbewusstsein mit.

Ein solcher Ort ist jetzt Gegenstand einer Ausstellung. An der „Ecke Jerusalemer“, da, wo knapp drei Jahrzehnte lang der Todesstreifen war, haben André Kirchner und Jörg Schmiedekind Stillstand und Stille seit 1990 immer wieder und unabhängig voneinander ins Bild gesetzt; Kirchner mit Großformatkamera in Schwarz-Weiß, Schmiedekind in Farbe. Durch Zufall entdeckten die beiden Berliner Fotografen ihr gemeinsames Interesse an diesem Stadtraum – und auch, dass sich ihre Aufnahmen nicht doppeln, sondern vielmehr ergänzen und gegenseitig kommentieren.
Und so lässt sich nun in der „Galerie enpassant“ auf erhellende Weise verfolgen, wie sich die ein­stige Doppelperipherie im Schatten der medial vielfach gespiegelten Entwicklungen an Gendarmenmarkt, Checkpoint Charlie und Friedrichswerder zu behaupten weiß; wie sich nach und nach Stadtmobiliar, Renovierungen und schließlich Neubauten zu Situationen fügen, die jeder Vorstadt würdig wären. Diese Verwandlung, die keine ist, anhand der Fotos von Kirchner und Schmiedekind noch einmal zu verfolgen, ist mitunter amüsant, doch vergeht das Schmunzeln schnell. Denn in den Bildern verflüchtigt sich nach und nach, was 1990 noch in der Luft zu liegen scheint: die Phantasie eines neuen, lebendigen Stadtquartiers, das sich hier, anknüpfend an das einstige Zeitungsviertel, vielleicht wieder entwickeln könnte. Die „Entwicklung“ im Schatten der Hochhäuser an Leipziger und Oranienstraße zeigt, dass Stillstand und Stille nicht ans Dasein von Brachen geknüpft sind.