Unsere Bankenstadt soll schöner werden
Frankfurter Architekten durften träumen
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Unsere Bankenstadt soll schöner werden
Frankfurter Architekten durften träumen
Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main
Der Lokalteil der FAZ hatte Frankfurter Architekten aufgefordert, ihre Träume zu veröffentlichen. Einmal sollten sie sich keine Sorgen um Bauherren, Planungsrecht, Brandschutz, Akzeptanz in der Öffentlichkeit oder Ähnliches machen müssen.
Rund zwei Jahrzehnte hat Peter Cook an der Frankfurter Städelschule gelehrt. Als die Professur 2006 auf Ben van Berkel überging, waren eine Reihe von Studenten durch seine Klasse gegangen, die später zu renommierten Architekten avancierten. Wie präsent die Architekturutopien der 60er Jahre, etwa von Cooks Gruppe Archigram, und die von ihnen gefilterten Utopien früherer Jahrzehnte in der Bankenmetropole immer noch sind, zeigte sich einmal mehr, als die „Rhein-Main-Zeitung“, der Lokalteil der FAZ, 13 Frankfurter Architektenteams über den Sommer aufforderte, ihre Träume zu veröffentlichen. Auf gut einer halben Zeitungsseite durften sie ein Projekt präsentieren – frei von allen Beschränkungen und Zwängen. Einmal sollten sie sich keine Sorgen um Bauherren, Planungsrecht, Brandschutz, Akzeptanz in der Öffentlichkeit oder Ähnliches machen müssen.
Biomorphes, Digitales, Bionisches, Ironisches
Sonderlich aufregend oder gar wagemutig waren diese Träume bis auf wenige Ausnahmen allerdings nicht. Die meisten stellten sich als objektfixierte Behübschungen von relativ prominenten Orten heraus. Jourdan Müller PAS beispielsweise träumten von einem biomorphen Forum der Demokratie im Untergrund neben der Paulskirche. KSP Jürgen Engel Architekten stellten auf den verkehrsumtosten Basler Platz eine interaktive Skulptur, die architekturgeschichtlich Bewanderten als digitale Adaption der Visionen der sowjetischen Konstruktivisten erscheinen mag. Bernhard Franken hat sich eine Schwebebahn-Station über der Zeil einfallen lassen, die gleichzeitig als Terminal 5 des Flughafens dient. Jo Franzke wollte die Hauptwache mit einem leider etwas aus der Proportion geratenen Stadtsaal samt breiter Freitreppe verschönern. Scheffler + Partner zeichneten einen bionischen Pavillon am Mainufer, der je nach Witterung seine Dachschuppen selbständig öffnet oder schließt. Den Beitrag von Dietz Joppien, die aus dem Mainufer einen Sandstrand machen wollten, hat man vermutlich ebenso humoristisch zu verstehen wie die 380 Meter hohe Interpretation der „vertical farm“ von Gruber + Kleine-Kraneburg, die – im traditionellen Weiß der Mainfront gehalten – hinter Christoph Mäcklers Stadtbibliotheksnachbau in einer Kuhweide platziert wurde.
Etwas städtischer präsentierten sich Schneider + Schumacher, die den Frankfurter Untergrund für sich entdeckt haben und für schönere B-Ebenen plädieren. Meixner Schlüter Wendt propagierten dagegen die zweite Eroberung des Frankfurter Himmels und entwarfen grüne Skybrücken, welche die Bankentürme auf mehreren Ebenen miteinander vernetzen sollen. Der Utopie verweigerte sich allein Stefan Forster. „Korrigieren“ müsse man die Stadt, den öffentlichen Raum zum „Lebensraum“ aufwerten. Forster zeigte ein Vorher-Nachher-Bild der Elbestraße: Im Bahnhofsviertel gelegen, in realiter mit Sex-Shops, Bordellen und Oben-ohne-Bars bestückt, bot sich die Straße im Traum als Gässlein mit Vorgartenidyllen und belaubten Fassaden dar.
Der bei weitem substantiellste Beitrag kam von einer Gruppe um Klaus Hannappel, Ferdinand Heide, Claudia Meixner, Thomas Meurer, Ian Shaw und Ingo Schrader. Die Architekten, die sich selbstironisch als „die Anlageberater“ bezeichnen, wollen die Wallanlagen als durchgehende Grünfläche um die Innenstadt stärken, sie von störenden Hochbauten befreien und die zahlreichen, den Park zerstückelnden Verkehrsadern mit Landschaftsbrücken oder Unterführungen überwinden. Sie berufen sich auf das historische Wallservitut, das zum Schutz der öffentlichen Grünanlangen 1827 erlassen, seither aber immer wieder durchbrochen wurde. Als Ersatz für die Abrisse schlagen sie vor, die Bebauung dies- und jenseits der Anlagen nach Vorbild des New Yorker Central Park nachzuverdichten.
Selbstangelegte Daumenschrauben
Interessant bei diesen Träumen war vor allem die Form ihrer Darstellung: Skizzen als Medium einer Vision, Zeichnungen oder Pläne bekam der FAZ-Leser kaum zu sehen, stattdessen Renderings, wie sie bunt bebilderte Verkaufsbroschüren füllen und Investorenherzen höher schlagen lassen könnten. Die Möglichkeit, vor breitem Publikum kostenlos für sich werben zu dürfen, legte den Träumern offenbar unüberwindliche Fesseln an. Ein Beispiel: Zwar beklagen sich viele Architekten in der Bankenmetropole über die Retrobewegung in Architektur und Stadtplanung, doch auch die von der FAZ Auserwählten legten den Rückwärtsgang ein – zu den Utopien des vergangenen Jahrhunderts. Vielleicht ist es von einem gebeutelten Berufsstand wie dem der Architekten aber auch zu viel verlangt, mutige Utopien zu entwerfen – gerade in der Frankfurter Allgemeinen, die doch nach 1989 allen Utopien eine Absage erteilte. Aber selbst die tatsächlichen und tagtäglichen Probleme der Planer- und Baubranche in Frankfurt – die Übermacht der Investoren, der schwache Planungsdezernent, der Mangel an Wohnraum jeglichen Standards, das Problem des ressourcenschonenden Bauens – wurden mit Ausnahme des öffentlichen Raums nicht ansatzweise angegangen.
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