Unterirdisch
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Unterirdisch
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Die Umsetzung des Wettbewerbs für das jüdische Museum und dessen archäologisches Umfeld ist längst zu einer Kölner Endlosgeschichte geworden. Das jüngste schriftliche Scharmützel zwischen dem Kölner BDA-Vorstand und dem Architekten Peter Busmann wirft die Frage auf, ob die Planung des Platzes vor dem Rathaus jemals fertig werden wird. Worum geht es beim aktuellen Streit?
„Charakteristisch für Köln scheint mir, dass immer sehr viele Spieler auf dem Feld sind.“ Diese eher allgemeine Einschätzung von Marcus Dekiert, Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums und der Fondation Corboud, trifft erst recht für die Situation vor seiner Haustür zu. Zwischen dem Ungers-Bau und dem Historischen Rathaus erstreckt sich ein 5000 Quadratmeter großes Grabungsfeld, das 2000 Jahre Kultur- und Stadtgeschichte offenlegt. Hier wird das Projekt „Archäologische Zone und das Jüdische Museum“ entstehen – wenn sich nicht, um in Dekierts Bild zu bleiben, die Spieler zu sehr auf die Füße treten.
Die Diskussion um die Bebauung dieses Platzes, der noch nicht einmal einen offiziellen Namen hat, ist nicht neu. Wichtige archäologische Funde datieren aus der Zeit des Wiederaufbaus des Rathauses und seiner Erweiterung mit dem Spanischen Bau in den fünfziger Jahren. Noch in den siebziger Jahren wurde die Kriegsbrache als eine Lücke betrachtet, die es zu schließen galt. In einem ersten Wettbewerb 1971 ging es um den Bau eines Kongresszentrums, in einem zweiten, acht Jahre später, um eine Mischnutzung, in der sich auch ein Jüdisches Museum befinden sollte. Dass die hier entdeckten Zeugnisse des jüdischen Lebens im mittelalterlichen Köln konserviert und präsentiert werden sollten, war ein neuer Aspekt bei der Betrachtung des Ortes. Aus beiden Wettbewerben war das Kölner Büro Joachim Schürmann siegreich hervor gegangen, und es hätte damals bauen können, wenn nicht in einer zweiten Phase des Wettbewerbs die Bebauung des Platzes generell infrage gestellt worden wäre. Heute mag mancher erleichtert sein, dass kein Klotz im Stil der siebziger Jahre den Platz besetzt. Aber glücklich mit der derzeitigen Situation, in der es längst um die Überlebenschance eines anderen, 2006 prämierten Projektes geht, ist auch niemand. Denn inzwischen ist eine politische Diskussion entbrannt, die auch dieses Projekt zu kippen droht.
Ein wichtiger Schritt zum Verständnis der aktuellen Situation ist der 2001 eröffnete Neubau des Wallraf-Richartz-Museums, dessen Stirnseite dem Rathausplatz zugewandt ist. Nicht nur städtebaulich verdichtete sich mit diesem Bau die Situation um das umstrittene Grabungsfeld, es war unübersehbar, dass etwas getan werden musste. Symposien, Experten-Hearings und sogar ein Planungsauftrag folgten. Doch nichts bewegte sich, bis dann der Stadtrat 2006 beschloss, einen gemeinsamen Wettbewerb für das Jüdische Museum und die Archäologische Zone auszuschreiben. Mit einer Gegenstimme (der des Kulturdezernenten) zeichnete das Preisgericht im Juni 2008 die Arbeit von Wandel Hoefer Lorch+Hirsch mit dem ersten Preis aus (Bauwelt 27.2008). Der gordische Knoten schien damit durchschlagen. Doch es dauerte nur einige Tage, bis der Kölner Stadtanzeiger großformatig gegen den Entwurf wetterte und der damalige OB Fritz Schramma, der im Preisgericht noch für den Entwurf gestimmt hatte, die Seite wechselte und zum Kritiker wurde. Moniert wurde vor allem, dass der Neubau die Sichtachsen auf das Rathaus und den Ungers-Bau verstelle. Merkwürdig an dieser Kritik war, dass die bauliche Fassung des Platzes und die Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses explizite Grundlage der Ausschreibung waren. Es gab weitere Gründe, die die Realisierung in der Folge hinauszögerten: das Ausscheiden des Fördervereins, dem das Geld ausgegangen war, sowie der städtische Rotstift-Haushalt und die räumlich wie finanziell ausufernden Grabungen.
In den letzten fünf Jahren haben Wandel Hoefer Lorch+Hirsch ihren Wettbewerbsentwurf unter anderem mit Archäologen, Historikern und dem Landschaftsverband Rheinland, der als Betreiber des Museums neu dazu gekommen ist, grundlegend überarbeitet. Für die drei Bereiche des Projekts – Umbau des Historischen Rathauses und des Spanischen Baus, Überdeckung der neuen Grabungsbereiche auf dem Rathausplatz und die Stahlkonstruktion des Jüdischen Museums, mit der die historische Synagoge und die Mikwe überspannt werden – liegt die Baugenehmigung vor. Werkplanung und Ausschreibung laufen, so dass mit vorsichtigem Optimismus eine Eröffnung 2019 erwartet werden könnte.
Doch es gibt in Köln immer noch eine starke Opposition, die nicht aufhören mag zu protestieren und mit eigenen Ideen Besseres lehren möchte. Um das Bürgerbegehren gegen das Jüdische Museum in seiner jetzigen Form zu unterstützen, veröffentlichte der Kölner Stadtanzeiger, der hier offensichtlich eigene Interessen verfolgt, im Dezember eine Entwurfsalternative des Architekten Peter Busmann. Busmann schlug vor, den Platz weitgehend freizuhalten und das Jüdische Museum im benachbarten Ratskeller unterzubringen. Daraufhin wies der Vorsitzende des BDA Köln, Andreas Fritzen, den Kollegen Busmann in einer Pressemitteilung darauf hin, dass ein solches Vorgehen „nicht akzeptabel“ sei, und dass „der Versuch eines Kollegen, die eindeutige Entscheidung eines unabhängigen Preisgerichts und den Gewinnerentwurf in seiner offensichtlichen Qualität infragezustellen“ nicht hinzunehmen sei. Dem widersprach Busmann in einem offenen Brief mit dem Hinweis, dass der derzeit geplante Bau eben nicht das Ergebnis des Jury-Entscheids sei, sondern es sich lediglich um eine stark reduzierte Überarbeitung handele, eine Art Schutzbau. Angeregt durch eine „kritische Bürgerschaft“ habe er seine Skizzen selbst nur als Denkanstoß verstanden. Sein Vorschlag: Sollte ein Bürgerbegehren gegen den Entwurf noch Erfolg haben, seien Wandel Hoefer Lorch + Hirsch „die fällige maßvolle Gestaltung von Jüdischem Museum und Archäologischer Zone anzuvertrauen“.
Eine diskussionsfreudige Bürgerschaft wünscht sich jede Stadt, doch in diesem Fall wünscht man sich vor allem, dass der vorliegende Entwurf zur Ausführung kommt.
0 Kommentare