„Urban Games? In Deutschland fragt man sich, wie das geht und was man jetzt damit machen soll.“
Text: Thein, Florian, Berlin; Quack, Sebastian, Berlin
„Urban Games? In Deutschland fragt man sich, wie das geht und was man jetzt damit machen soll.“
Text: Thein, Florian, Berlin; Quack, Sebastian, Berlin
Interview mit dem Game-Designer und Play-Forscher Sebastian Quack über Urban Games
Warum benutzt man die Stadt zum Spielen?
Dafür gibt es viele Gründe: Weil die Stadt vielfältigere Spielerlebnisse zu bieten hat als durchgeplante und durchoptimierte Erlebnisareale. Weil sie der eigene, mit anderen geteilte Lebensraum ist, der als Spieler neu erlebt und genutzt werden kann. Weil sie Spielen Widerstände entgegensetzt und sie zugleich ermöglicht und trägt.
Johan Huizinga sieht das Spiel als Ursprung der Kultur – sehen sie das Spielen in der Stadt als kulturprägende Disziplin?
Ich würde mich freuen, wenn sich Street Games bzw. ortsspezifische Spiele als Kulturform weiterentwickeln und ein breiteres Publikum finden. Weniger, weil darin der Ursprung von Kultur überhaupt liegt, sondern weil sie sich als spezifische kulturelle Praxis dazu eignen, Probleme unserer Zeit nicht nur abstrakt zu thematisieren, sondern im Spiel selbst zu aktualisieren, wie beispielsweise beim Transmedia Game „Gentrification: The Game!“ von Athmosphere Industries.
Bei „Transmedia Games“, einer Mischung digitaler und analoger Inhalte, kommen elektronische Geräte wie z.B. Smartphones zum Einsatz. Welchen Einfluss hat das auf das Spiel?
Aus meiner Sicht muss man da stark unterscheiden zwischen Alltagstechnologien, die einfach im Spiel eingesetzt werden (z.B. GPS beim Geocaching), und speziellen Technologien, die für den Betrieb von Games entwickelt werden (z.B. Location-Based Games auf App-Basis). Mit bei-den Ansätzen kann man tolle Spiele entwickeln. Mich reizt der erste Ansatz mehr, weil er die Wechsel zwischen Interfaces – was für mich wesentlich zu Transmedia gehört – erlebbar macht. Ich wechsle zwischen Smartphone und Telefonzelle und Live-Interaktion und bleibe trotzdem im Spielfluss. Damit leiste ich einen wichtigeren Teil zur Aufrechterhaltung des Spiels als bei Spielen, die nur ein konstantes Interface haben, das von mir herumgetragen wird.
Manche dieser Spiele wirken noch schwerfällig und kompliziert, wie „Time Warp“ des Fraunhofer Instituts, bei dem man in Köln virtuelle Heinzelmännchen jagt und dazu Laptop, Datenbrille, einen speziellen Stab mit Sensoren, etc. pp., braucht. Was wird sich durch die weitere Verbreitung und Verfügbarkeit kleiner technischer Geräte wie Smartphones ändern?
Man muss da klar zwischen Tech-Demos und Spielen unterscheiden, die wirklich wegen des Gameplay gespielt werden und nicht nur, weil man eine neue Technologie damit testen möchte. Wie sich das entwickeln wird, ist schwer zu sa-gen. Bei Transmedia finde ich die Situationen am spannendsten, die schon bekannte Technologien plötzlich auf neue Weise einsetzen.
Wie handhabt ihr das bei Invisible Playground?
Wir konzentrieren uns stark auf das ortsspezifische Game Design, d.h. auf die Entwicklung von Spielpositionen und Spielregeln, die fein auf den Ort abgestimmt sind. Uns ist wichtig, dass die Leute keine besondere Technik brauchen, um mitmachen zu können. Mit Consumer-Technologien wie normalen Handys oder Laptops kann man schon unheimlich viel anfangen. Uns interessiert, was die Technik ermöglicht. Dabei sollte sie jedoch nie im Mittelpunkt stehen.
Invisible Playground hat mit „You Are GO!“ gerade das erste internationale Urban Games Festival in Deutschland veranstaltet. In den USA, Großbritannien und anderen Ländern finden solche Festivals schon seit einigen Jahren statt. Hat Deutschland hier den Trend verschlafen?
Das ist immer die Sorge, den Trend aus den USA zu verpassen. Aber die Kulturen sind eben doch unterschiedlich. In den USA fragt man sich, was man jetzt mit der Technik noch alles anstellen kann, in Deutschland eher, wie das geht oder was man damit überhaupt machen soll. Ich sehe aber auch ein großes Potenzial für neue Formen, die es in USA so nicht gibt, gerade in der Kombination von Games und Theater.
Viele in Deutschland entwickelte Spiele, wie Rexplorer (Regensburg), „WHAVSM?“ (Stuttgart) oder „Mister X mobile“ von T-Mobile, sind dagegen sehr zielgerichtet und haben einen didaktischen oder kommerziellen Anspruch. Sind wir Deutschen auch beim Spielen zu ernst?
Oft steht entweder der pädagogische oder der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Aber unsere Erfahrung ist, dass Deutsche auch ganz gut dabei sind, wenn es um Street Games geht. Man muss den institutionellen oder kommerziellen Diskurs klar von dem trennen, was Leute machen, die einfach Spaß an der Sache haben – und die gibt es überall.
Welche Möglichkeiten gibt es in Deutschland, in der Stadt zu spielen?
Es gibt immer und in allen Städten unendlich viele Möglichkeiten, zu spielen. Eine super Anregung bietet ludocity.org – ein Wiki für Street Games, die im Umfeld der Londoner Gruppe Hide & Seek entstanden ist. Da kann jeder sofort loslegen.
Wie sieht die Zukunft für Urban Games aus?
Allgemein nisten sich Spielformen ja gerade in alle möglichen Kulturformen ein, was man beispielsweise an der Debatte um Gameification von Arbeitsabläufen sieht. Da gibt es sowohl wirtschaftliches als auch kreatives Potenzial. Ich glaube, man wird in einigen Jahren auch gar nicht mehr besonders betonen, dass man jetzt ein Urban oder sonstiges Game spielt – sondern die Spielkultur insgesamt wird einfach viel präsenter werden. Und die Spielkritik hoffentlich mit ihr.
Das Interview führte Florian Thein
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