Bauwelt

Vom Stoff, der die Phantasie anregt

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

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Florian Holzherr

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Florian Holzherr


Vom Stoff, der die Phantasie anregt

Text: Aicher, Florian, Leutkirch

Das macht Holz aus: ein Stoff, der meist zur Hand ist, der Sinne und Phantasie anregt, der zur Bearbeitung geradezu einlädt, sich sinnvoll fügen lässt. Ein Stoff, der zum Konstrukt wird.
Spalten, zum Beispiel. Die Schnittseiten genau besehen, den Holzrugel richtig platzieren, den Spaltkeil präzise ansetzen, mit einem leichten Schlag fixieren, mit einem kräftigen festsetzen, den Schlegel mit halbem Stiel über den Kopf heben, ihn umsetzen ans Stielende, den Bruchteil einer Sekunde innehalten, Konzentration, dann in freiem Fall auf den Keil, der im besten Fall wie ein Blitz durch das Holz saust, die Hälften kippen zur Seite, die Fasern sichtbar, unverletzt – ungezwungene Gewalt. Das ist schon was!
Man muss daran erinnern. Denn das macht Holz aus: ein Stoff, der meist zur Hand ist, der Sinne und Phantasie anregt, der zur Bearbeitung geradezu einlädt, sich sinnvoll fügen lässt. Ein Stoff, der zum Konstrukt wird. Jedes Kind weiß das. Und der Architekt leitet seine Bezeichnung vom Holzbau ab – altgriechisch archi-téktôn: das ist der Erste, der Anführer (-archi) und der Zimmermann (-téktôn). 
Viele Arten gibt es, mit Holz umzugehen, und verändert haben sie sich schon immer. Grundlegend war einerseits das Verknoten von Stäben, analog zu Stamm und Ast, beim Fachwerk, andererseits das Schichten von Holz, „Mauern“, beim Blockbau. Während das erste Prinzip mit dem Ständerbau in den letzten Jahrzehnten Konjunktur hatte, gewinnt seit eini­ger Zeit das zweite als Massivbau an Boden. Bei der Brettstapelkonstruktion liegt die Nähe zum Blockbau noch auf der Hand, bei der Brettschichtkonstruktion löst sich dies. Und mit der Tafelbauweise ist eine neue Qualität des Konstruierens erreicht worden.

CNC-Fräse oder Kettensäge?
Es ist die Zeit der Deutungen. Aus der Schweiz ist zu vernehmen, wie nun alles anders werde: „Die Platten-Tektonik wird ausschließlich strukturell gelesen werden, nicht materiell, das wird sich architektonisch in Abstraktion äußern. Der Begriff Modellieren trifft hier durchaus zu, denn es werden nicht nur komplexe Schnittmuster, sondern auch plastische Formungen wie Reliefierungen und auch dreidimensionale Werkstücke ausgeführt, die über ihre Oberflächenabwicklungen rechnerisch definiert und bearbeitet werden. (...) Produktionslinie CAD beim Architekten und CAM sowie CNC-Roboting beim Unternehmer.“ So klingt es bei Andrea Deplazes.
Nun mag es ja sein, dass der Holzbau sich dem Basteln mit Karton nähert. Doch erstaunlich ist, wie unterschiedlich die Schlüsse daraus sind, wenn man eine andere Holzbauregion aufsucht, Norwegen etwa. „Neue Öffnungen können mit einer Kettensäge hinzugefügt werden. (...) Zum Glück war es so, dass die Zimmerleute es auf der Baustelle mit der Kettensäge korrigieren konnten.“ So beschreiben die Architekten Geir Brendeland und Olav Kristoffersen (Bauwelt 15.08) ihre Erfahrung mit dem neuen Halbzeug. Ob der Holzbau zur Abstraktion führt oder diese dem neuen Material vorausgeht, erinnert aus dieser Sicht an die Frage nach der Henne und dem Ei.
Holz kann mehr, und es zeigt sich: Das Spektrum wird weiter – gerade beim Bild vom Holzbau. Der Boom des Holzbaus in Vorarlberg etwa hat sicher mit dem Bild der neuen Holzhäuser zu tun, mit großen Holzflächen und Fensterbändern, im Gegensatz zu dem geschnitzten Landtouristenbarock. Er hat viel zu tun mit holzverarbeitenden Betrieben, die etwas riskieren, die sich Neuem öffnen – hinsichtlich der Gestaltung, der Verarbeitungsstandards und der Arbeitsstrukturen.
Da gibt es die Fertigung von komplett eingerichteten Raumzellen, Transport und Zusammenstellung zum fertigen Bau in kürzester Zeit. Da gibt es Wand- und Deckenscheiben, als Halbzeug vom Tafelhersteller geliefert, Öffnungen und Aussparungen inklusive, die lediglich montiert werden oder im Betrieb abgebunden. Da gibt es Betriebe, die Wandtafeln eigens in der Werkstätte fertigen und die Elemente vor Ort fügen. Und es gibt Fälle, wo dank versierter Planung Eigenarbeit und ambulantes Handwerk den Bau unternehmen.
Holzbau bleibt Handwerk, wobei sich der Schwerpunkt von Intuition und eingeübter Gewissheit in Richtung Planung, Vorarbeit und Fertigung in der Werkstatt verschiebt, immer ergänzt durch die Arbeit auf dem Bau. Mit Vielfalt und Geschmeidigkeit antwortet der Holzbau auf das Thema Fuge, das mit weitreichender Vorfertigung und Elementierung brisanter wird. Fügung – das bleibt Markenzeichen des Holzbaus.

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