Bauwelt

Welterbe-Anwärter-Paar

Die Bauten der Karl-Marx-Allee und der Interbau 1957 sollen gemeinsam auf die Unesco-Liste

Text: Weckherlin, Gernot, Berlin

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Walter Ulbricht lässt sich von Hermann Henselmann durch das Hoch­-haus an der Weberwiese führen (17. Januar 1952).
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-13292-0006/Schack

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Walter Ulbricht lässt sich von Hermann Henselmann durch das Hoch­-haus an der Weberwiese führen (17. Januar 1952).

Foto: Bundesarchiv, Bild 183-13292-0006/Schack


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Bundespräsident Theodor Heuss besichtigt mit Werner Düttmann die Interbau, hier die Kongresshalle (8. Juli 1957)
Foto: Landesarchiv Berlin/Horst Siegmann

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Bundespräsident Theodor Heuss besichtigt mit Werner Düttmann die Interbau, hier die Kongresshalle (8. Juli 1957)

Foto: Landesarchiv Berlin/Horst Siegmann


Welterbe-Anwärter-Paar

Die Bauten der Karl-Marx-Allee und der Interbau 1957 sollen gemeinsam auf die Unesco-Liste

Text: Weckherlin, Gernot, Berlin

Sie sind stadtgewordene Zeugnisse des Kalten Krieges: die Arbeiterpaläste an der Karl-Marx-Allee im Osten und die Interbau im Hansaviertel im Westen Berlins. Ob das reicht, den beiden Vierteln einen gemeinsamen Platz auf der Welterbeliste der Unesco zu sichern? Eine Tagung Mitte Dezember informierte über den Stand der Dinge.
Die 1990er Jahre sind auch in Berlin endlich vorbei. Diese frohe Botschaft jedenfalls ging vom 9. Hermann-Henselmann-Kolloquium aus, einer Tagung der gleichnamigen Stiftung, die bis vor nicht allzu langer Zeit bekannt war als Forum scharfer Denkmal-Erbstreitigkeiten zwischen Ost und West und heftiger Debatten um die Berliner Planungspolitik. Thema und Anlass der gut besuchten Veranstaltung in der Kongresshalle am Alexanderplatz war der aktuelle Arbeitsstand einer der beiden Vorschläge für die Unesco-Welterbeliste, die der Berliner Senat bereits im Juli 2012 eingereicht hatte. Während der erste Vorschlag, der jüdische Friedhof in Weißensee, unumstritten und seit 2006 gründlich vorbereitet worden war, gelangte der andere, „Zwei deutsche Architekturen. Karl-Marx-Allee und Interbau 1957“, erst in letzter Minute zur Antragsreife – durch das Engagement verschiedener Bürgervereine und durch die bemerkenswerte parteiübergreifende Allianz zweier ehemaliger Kultursenatoren, Thomas Flierl (Die Linke) und Volker Hassemer (CDU).
Der Berliner Senat selbst hatte sich lange geziert, diesen unbequemeren Welterbeantrag zu verfolgen; Flierl und seinen Unterstützern war es innerhalb weniger Wochen gelungen, eine umfassende Begründung des Antrags zu verfassen. Der Untertitel „Konfrontation, Konkurrenz und Koevolution im geteilten Berlin“ erklärt die Ausrichtung: Nirgendwo sonst auf der Welt findet sich innerhalb einer Stadt die politische Systemkonkurrenz derart plastisch veranschaulicht wie hier, so die Begründungslinie für den von der Unesco geforderten „Outstanding Universal Value“. Der ideologische Ost-West-Wettstreit um das überlegene politische System manifestierte sich in Berlin in den monumentalen Arbeiter-Wohnpalästen am letzten europäischen städtischen „Boulevard“, der Karl-Marx-Allee, und den Interbau-Häusern als „Schaufenster der freien Welt“ im Hansaviertel. Doch bei aller Begeisterung für diese einzigartigen Zeugnisse der kontroversen Suche nach der Stadt von Morgen – der Weg zum Welterbestatus im Heute ist steinig, so das Fazit der beteiligten Fachleute.
Mangels Kontroverse
Das erste zu überwindende Hindernis ist die Konkurrenz von 34 Vorschlägen aus 14 Bundesländern. Über diese Vorschlagsliste wird nun in Kürze die Kultusministerkonferenz befinden. Die Chancen zeigte Dagmar Tille von der Senatsbauverwaltung in ihrem Vortrag auf. Sie seien abhängig vor allem von der globalen Einzigartigkeit, der Plausibilität des Antrags, aber auch von anderen Faktoren, wie etwa dem bis dato unausgewogenen Verhältnis von Kultur- und Naturerbestätten. Der Evaluationsprozess wird sich zudem über mehrere Jahre hinziehen. Insofern war verständlich, dass ein großes Aufgebot von Bauhistorikern die Welterbewürdigkeit der vorgeschlagenen Baukomplexe herausarbeitete; allerdings lieferten diese Beiträge kaum neue Erkenntnisse.
Dagegen war der Teil der Veranstaltung, der Aspekten öffentlicher wie privater Verantwortung für das kommende Welterbe aus Sicht von Bewohnern und Eigentümern gewidmet war, der aufschlussreichere. Wichtig für den Erfolg des Antrags dürften vor allem das Engagement jener architekturbegeisterter Einwohner dieser Quartiere sein, die kritisch, aber auch fasziniert über ihr Viertel berichteten – wie etwa der in der „Allee“ lebende Fotograf Wilhelm Schürmann.
Hätten nicht die Spezialisten für das tägliche Geschäft aus Denkmal- und Planungsämtern über die (berlintypische) Verwahrlosung öffentlicher Räume und die drohenden entstellenden Nachverdichtungen berichtet, man hätte sich die Podiumsdiskussion am Abend mangels Kontroverse sparen können. Nur der eine oder andere Mieter, der die absehbare euphorische Maklerprosa vom „Wohnen im Weltkulturerbe“ vermutlich eher als Drohung interpretiert, wird vom Welterbestatus noch zu überzeugen sein.

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