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Wenn Gesinnung Form wird

Arne Schmitt fotografiert bundesdeutsche Nachkriegsmoderne

Text: Kasiske, Michael, Berlin

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Arne Schmitt

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Arne Schmitt


Wenn Gesinnung Form wird

Arne Schmitt fotografiert bundesdeutsche Nachkriegsmoderne

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Wie 1986 Werner Durth in seinem wegweisenden Buch „Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900 bis 1970“ wirft Schmitt, nun mit den Mitteln der Fotografie, erneut die Frage nach der inneren Haltung von Architekten auf.
Der „Raum für Fotografie“ im Sprengel Museum Hannover gleicht einem Verhörzimmer. Zwei schlichte Tische mit je zwei weißen Jacobsen-Stühlen fordern den Besucher auf, sich das dort aufgeschlagene Buch Wenn Gesinnung Form wird anzusehen. An die hohen weiß getünchten Wände aber sind kleinfor­matige Fotos aus der Serie Verflechtungen geheftet.

Der Fotograf Arne Schmitt (Jahrgang 1984) ist Ab­solvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst. Im Fokus seiner aktuellen Arbeit stehen zwischen 1946 und ’70 entstandene städtische Situationen, „die für diese Zeit – etwa zwischen deutscher Kapitulation und deutschem Herbst – als exemplarisch gelten können“, schreibt er. Zu sehen ist eine in die Jahre gekommene Nachkriegsmoderne.

Der Aufbruch in die junge Republik zeigt sich mal kraftvoll wie der Campus der Universität Braunschweig von Friedrich Wilhelm Kraemer, mal filigran wie die Oberkasseler Brücke in Düsseldorf von Friedrich Tamms, mal international wie das Bürohaus für die Bundesregierung auf dem Bonner Tulpenfeld von Hanns Dustmann. Personell kann man nach dem Krieg bekanntermaßen nicht von einem Neuanfang sprechen: Kraemer war 1939 zum Vertrauensarchitekt der Deutschen Arbeiterfront bestellt worden, Tamms und Dustmann gehörten zum „Arbeitskreis für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte“, der dem Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Albert Speer unterstellt war.

Hatten diese Architekten die Nationalsozialisten lediglich als „Kunden“ wahrgenommen und sich nach dem Krieg einfach auf die neuen öffentlichen Auftraggeber des föderalen Staates „umgestellt“? Ihr Verhalten fußte vermutlich auf einer Mischung aus mangelnder Reflexion und aus dem Wunsch, sich rasch vom besiegten Regime zu absentieren. Wie 1986 Werner Durth in seinem wegweisenden Buch „Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900 bis 1970“ wirft Schmitt, nun mit den Mitteln der Fotografie, erneut die Frage nach der inneren Haltung von Architekten auf. Mit den alltäglich aufgenommenen Bildern bietet er einen visuellen Zugang, mit dem Titel Wenn Gesinnung Form wird formuliert er die These vom politischen und ästhetischen Opportunismus unter Architekten.

„1945 – die Stadt hat kapituliert“: Sinnfällig hat Schmitt seiner Arbeit diesen Eingangssatz aus dem ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind un­ter uns“ vorangestellt. Fraglos materialisieren sich die Strukturen sozialen Handelns in den Formen der Stadt, die – im Übrigen unabhängig vom historischen Kontext – befragt werden können.

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