Bauwelt

Wenn das Heim zum Feind wird

Unsichere Räume im Kunstmuseum Bonn

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Filmstill: © Reynold Reynolds und Patrick Jolley

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Filmstill: © Reynold Reynolds und Patrick Jolley


Wenn das Heim zum Feind wird

Unsichere Räume im Kunstmuseum Bonn

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Wie schnell ist alles dahin. Das Haus, das Heim, das Glück, der ganze schöne Schein. Das Eigenheim entpuppt sich als emotionales Kartenhaus. Der Kollaps ist Programm, der Schutzraum zerstört. Das Haus wird zum Bösen, die Möbel zu seinen Verschwörern, die brennen, zerschmelzen, dahingehen.
Der, dessen Heim unheimlich wird, erlebt eine elementare Krise. Für die Architektur ist das ein Trauma. Für die Kunst Thema und Inspiration. Die Ausstellung „HEIMsuchung“ im Bonner Kunstmuseum, kuratiert von Stephan Berg und Volker Adolphs, zeigt in 21 Arbeiten zeitgenössischer Künstler die dunkle Seite des Hauses. Vieles mag dem Besucher zunächst harmlos, ja gewöhnlich erscheinen. Doch bei genauem Hinsehen entwickeln die Projekte ihren emotionalen Sog. So ist nicht der vertraut erscheinende Raum – ein Wohnzimmer, ein Elternhaus oder ein Vorgarten – das eigentlich Unheimliche, sondern die darin inszenierte Gefühlswelt, die zu teilen der Betrachter gleichsam gezwungen wird.
Glauben muss man in der Ausstellung nichts; nichts ist echt, alles nur Pappe, Schaum, Wachs, Modell oder Bild. Nur die eigenen Gefühle sind wirklich. Die Irritation, die sich einstellt, wenn es gelingt, sich zwischen den Spiegelwänden des surreal verzerrten Labyrinths von Martine Feipel und Jean Bechameil tatsächlich zu verlaufen, ist noch vergleichsweise harmlos. Dagegen muss der Zuschauer beim Video „Burn“ von Reynold Reynolds und Patrick Jolley Angst und Hilflosigkeit aushalten, wenn die Bewohner eines brennenden Hauses die Flammen und den Rauch einfach nicht wahrnehmen und völlig unbeeindruckt weiter Zeitung lesen oder schlafen. Hoffnungslos, denkt man auch beim Betrachten von Stephan Hubers Elternhaus, das er für die Fotoserie „Shining“ in eine brutale Eiswüste gesetzt hat. Dass das Haus in dieser Umgebung keinen Schutz mehr bieten kann, ist offensichtlich, die Erinnerung an Stanley Kubricks gleichnamigen Film spricht ebenfalls für völlige Resignation. Doch Huber lenkt das Geschehen um. Statt die Bilder der immanenten Katastrophe zu zeigen, löst er die Szene auf. Von Bild zu Bild gibt er mehr Details seiner Kulisse Preis: Gips, Hartschaum, Pappe.
Dass hinter den weißgestrichenen Lattenzäunen der aufgeräumten Vorstädte nicht alles so harmlos ist, wie es scheint, zeigt das New Yorker Künstlerpaar Jennifer & Kevin McCoy mit „Suburban Horror“. Im Maßstab einer Modelleisenbahn sind zwei Dioramen aufgebaut, die von mehreren Kameras gefilmt werden. Erst in der Projektion dieser ­Aufnahmen entwickelt sich eine Geschichte, die scheinbar idyllisch beginnt und sich schließlich – angelehnt an David Lynchs „Blue Velvet“ – zu einem blutigen Eifersuchtsdrama entwickelt. Gewalt verliert ihren Schrecken nicht, auch wenn sie im Spielzeugmaßstab inszeniert wird. Die Fotografie „Flur/Corridor“ von Thomas Demand meint man, schon einmal gesehen zu haben: ein fensterloser Flur, wie es ihn überall gibt, hier rekonstruiert in Papier und Pappe. Das Foto des Originalschauplatzes, an dem der Serienmörder Jeffrey Dahmer gewohnt und mehrere Morde begangen hatte, ging in den 90er Jahren durch die Presse. Plötzlich weckt Demands Bild Erinnerungen an etwas, das lange her, weit weg geschehen und längst erfolgreich verdrängt worden ist.
Gerade wenn man sich fragt, ob man mit seinen eigenen Gefühlen wirklich noch länger am Rand all dieser fremden Abgründe stehen möchte, bietet das „Narrow House“ von Erwin Wurm einen humorigen Ausstieg aus dem Thema. Prominent vor dem Museum steht ein Modell von Wurms steirischem Elternhaus, auf ein Sechstel seiner Breite geschrumpft, vollständig möbliert, retrodekoriert und gerade eben noch begehbar. So engstirnig wie das Haus sieht der Künstler die Gesellschaft. Eine einfache Erkenntnis, die keine emotionalen Spätfolgen befürchten lässt. 

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