Zeitgenössische Wunderkammer
Exponate aus der Sammlung Dreyfus-Best im Kunstmuseum Basel
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Zeitgenössische Wunderkammer
Exponate aus der Sammlung Dreyfus-Best im Kunstmuseum Basel
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Die Kuriositätenkabinette des europäischen Adels, die Kunst- oder Wunderkammern aus Spätrenaissance und Barock, sind die geistigen Vorläufer unserer modernen Museen. Während sich heutzutage jedoch mancher Kurator verhebt, wenn er, etwa in hypothetischen Themenschauen, die mittlerweile kanonisierten Grenzen zwischen der Kunst und anderen Disziplinen einzureißen versucht, so lag in der simultanen Durchdringung von früher Wissenschaft, Kunst und auch bizarr Abwegigem der intellektuelle wie ästhetische Impuls der Wunderkammern. Sie waren offene Welterklärungssysteme, ein Spiegel des Bewusstseins ihrer jeweiligen Epoche.
Mit ebensolcher Unvoreingenommenheit haben das Baseler Sammlerpaar Richard Dreyfus und Ulla Dreyfus-Best in langen Jahren ihre große Privatsammlung zusammengetragen. Sie repräsentiert den Zeitraum vom 12. Jahrhundert bis zur Gegenwart, umfasst Werke aus Kunst, Kunsthandwerk und prosaischen Gattungen. Der Schwerpunkt liegt auf Zeichnungen und Gemälden der kunsthistorischen Epoche des Manierismus sowie einer manieristischen Tendenz ganz allgemein, etwa in der surrealistischen Kunst der klassischen Moderne oder zeitgenössisch Abgründigem. Über viele Jahre komplettierten immer wieder einzelne Werke als Leihgaben Ausstellungen in aller Welt. Derzeit ist, für ein einziges Mal, im Kunstmuseum Basel ein Auszug von rund hundert Exponaten im Kontext der Sammlung selbst zu sehen.
In sieben farblich stimmungsvoll gefassten Sälen, offenbart sich die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ dieser vital sinnlichen Sammlung, so Kurator Andreas Beyer. Mysteriöse Sujets in den Arbeiten des Schweizer Malers Johann Heinrich Füssli (1741–1835) etwa korrespondieren mit den chiffrierten Bildaussagen eines Max Ernst (1891–1976). Ein romanischer „Püsterich“ – eine kleine menschliche Bronzeplastik, die, mit kochendem Wasser befüllt, wild zischend zu rotieren beginnt – steht nun neben dem Nagelbügeleisen von Man Ray (1890–1976), einem ja nicht minder Verwunderung auslösenden Werk. Ars Erotica und Ars Religiosa begegnen einem kleinen Mobile von Alexander Calder (1898–1976), das gleichnishaft Genres und Epochen in Bewegung zu setzen scheint.
Nach dem vertraulichen Einblick, den Ulla Dreyfus-Best augenblicklich in die Sammlung gewährt, werden die Exponate in ihren privaten Wohnräumen erneut zu einem phantastischen Gesamtkunstwerk verschmelzen, einem obsessiven Bildbedürfnis ohne Kalkül – Kunst, die symbiotisch in der Lebenswirklichkeit aufgeht.
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