Zum 50. Jahrestag
Die Ostseite der Berliner Mauer in 324 Panoramen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Zum 50. Jahrestag
Die Ostseite der Berliner Mauer in 324 Panoramen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Die Berliner Mauer ist im kollektiven Gedächtnis mit unzähligen Bildern verankert. Es sind Bilder, die aus dem westlichen Teil aufgenommen wurden. Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus tritt jetzt die Ostseite des monströsen Bauwerks hinzu: Vom Fotografen Arwed Messmer zu über 324 Panoramen digital zusammengesetzt, zeigen rund 1200, Mitte der 60er Jahre von Grenzsoldaten aufgenommene Ansichten die eigentliche Vorderseite der Mauer – und en passant einen ungewohnten Blick auf West-Berlin.
In den 60er Jahren war die Bernauer Straße ein Symbol der „Frontstadt“: Die Grenzstraße zwischen den Bezirken Mitte und Wedding war der Ort, an dem sich etliche Flüchtlingsdramen ereigneten. Aber nicht nur dies: Mit der auf der Ost- bzw. Südseite teilweise noch stehenden, teilweise bis auf die Erdgeschossfassade abgerissenen Bebauung, die zu der Zeit als Sperrmauer fungierte, mit einem neogotischen Sakralbau inmitten des „Todesstreifens“, der auch noch Versöhnungskirche hieß, und mit einem Aussichtsturm an ihrem östlichen Ende, von dem aus der Alltag auf der dicht bebauten „anderen Seite“ greifbar nah schien, lieferte die Bernauer eine Fülle von aussagekräftigen Motiven, die im Fernsehen, in Büchern und auf Postkarten in alle Welt gesendet wurden.
Auch in der Ausstellung, die jetzt die offiziell mit Fotografierverbot belegte und daher im Bildrepertoire des Kalten Krieges wenig präsente Ostseite der Mauer vom Flughafen Schönefeld im Süden bis zum Märkischen Viertel im Norden fast lückenlos dokumentiert, wird die damalige Bedeutung der Straße sichtbar. Gewiss, es finden sich etliche interessante, ja berührende Ansichten in diesem fotografischen Schnitt durch die Stadt – doch nirgends verdichtet sich die Brutalität des Eingriffs zu einer ähnlich eindringlichen Sequenz wie in den Panoramen 230 bis 243. Ergänzt von Notizen der Grenztruppen zum Tagesgeschehen, die Annett Gröschner den Panoramen als „Bildunterschriften“ beigefügt hat, wird die Schonungslosigkeit, mit der die beiden politischen Systeme im Alltag der Berliner voneinander abgegrenzt wurden, in unzähligen Details offengelegt: von der westlichen Ecke der Bernauer Straße am Nordbahnhof, wo die Kreuze und Grabsteine des Sophienfriedhofs im Vordergrund sofort an die Erschossenen denken lassen, die die Mauer bis 1989 erfolglos zu überwinden versuchten, bis zu ihrem östlichen Ende an der Ecke Wolliner Straße, wo der Postenweg, der an Stelle der niedergerissenen Seitenflügel angelegt wurde, am Rücken der so viel fotografierten „Häusermauer“ entlang durch das Blockinnere schneidet. Von besonderem Interesse ist hier aber auch der Hintergrund der Mauer: Die zum West-Berliner Bezirk Wedding gehörende Nordseite der Bernauer Straße zeigt ein schrundiges Nachkriegsberlin, das schon bald der Flächensanierung zum Opfer fallen sollte. Der uniforme „soziale Wohnungsbau“, der damit einherging, und die egozentrischen Townhouses, die in den letzten Jahren im ehemaligen Grenzstreifen gebaut wurden, machen deutlich, dass die Teilung auf ihre Weise hier nachwirkt.
Auch in der Ausstellung, die jetzt die offiziell mit Fotografierverbot belegte und daher im Bildrepertoire des Kalten Krieges wenig präsente Ostseite der Mauer vom Flughafen Schönefeld im Süden bis zum Märkischen Viertel im Norden fast lückenlos dokumentiert, wird die damalige Bedeutung der Straße sichtbar. Gewiss, es finden sich etliche interessante, ja berührende Ansichten in diesem fotografischen Schnitt durch die Stadt – doch nirgends verdichtet sich die Brutalität des Eingriffs zu einer ähnlich eindringlichen Sequenz wie in den Panoramen 230 bis 243. Ergänzt von Notizen der Grenztruppen zum Tagesgeschehen, die Annett Gröschner den Panoramen als „Bildunterschriften“ beigefügt hat, wird die Schonungslosigkeit, mit der die beiden politischen Systeme im Alltag der Berliner voneinander abgegrenzt wurden, in unzähligen Details offengelegt: von der westlichen Ecke der Bernauer Straße am Nordbahnhof, wo die Kreuze und Grabsteine des Sophienfriedhofs im Vordergrund sofort an die Erschossenen denken lassen, die die Mauer bis 1989 erfolglos zu überwinden versuchten, bis zu ihrem östlichen Ende an der Ecke Wolliner Straße, wo der Postenweg, der an Stelle der niedergerissenen Seitenflügel angelegt wurde, am Rücken der so viel fotografierten „Häusermauer“ entlang durch das Blockinnere schneidet. Von besonderem Interesse ist hier aber auch der Hintergrund der Mauer: Die zum West-Berliner Bezirk Wedding gehörende Nordseite der Bernauer Straße zeigt ein schrundiges Nachkriegsberlin, das schon bald der Flächensanierung zum Opfer fallen sollte. Der uniforme „soziale Wohnungsbau“, der damit einherging, und die egozentrischen Townhouses, die in den letzten Jahren im ehemaligen Grenzstreifen gebaut wurden, machen deutlich, dass die Teilung auf ihre Weise hier nachwirkt.
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