Zwischen Altstadt und Großsiedlung
Schinkel-Wettbewerb 2014 in Berlin-Spandau
Text: Hiller, Jasmin, Berlin
Zwischen Altstadt und Großsiedlung
Schinkel-Wettbewerb 2014 in Berlin-Spandau
Text: Hiller, Jasmin, Berlin
Berlin-Spandau ist bekannt für seine Altstadt und die Lage an Spree und Havel – aber auch für Großsiedlungen, eine hohe Verkehrsbelastung und ein fehlendes kulturelles Angebot. Gemeinsam mit dem Auslober des Schinkel-Wettbewerbs 2014 suchte das Bezirksamt nach Ideen, wie das Wohnen und Leben in Spandau attraktiver gestaltet werden kann.
Wer über Berlin spricht, dem fallen als erstes pulsierende Bezirke wie Kreuzberg oder Friedrichshain ein. Von Spandau ist selten die Rede. Die ehemalige Kleinstadt ist 13 Kilometer Luftlinie von Berlin-Mitte entfernt und vom Rest der Stadt durch die Havel getrennt. Als preußische Militärstation mit Rüstungsindustrie wurde sie erst 1920 ein Teil Groß-Berlins. Mit der Eingemeindung wurde die Industrie weiter ausgebaut: Es entstanden große, eigenständige Arbeitersiedlungen wie die Siemensstadt, die abseits von Altstadt und Zitadelle eigene Zentren bildeten. Die Erweiterung von Straßen- und Schienenverkehr tat ihr Übriges, um die Kernstadt von den Siedlungen abzutrennen. Auch die Lage an Spree und Havel wurde vernachlässigt. Als Folge ging das kulturelle Leben zurück, abends bleiben die Straßen oft leer.
Der Bezirk Spandau hat erkannt, dass sich an dieser Situation etwas ändern muss. Im Rahmen des „Stadtentwicklungskonzept 2030“, das die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Anfang April vorstellte, wurde der Stadtteil als einer von elf „Transformationsräumen“ identifiziert. Um weitere Anstöße zu erhalten, bewarb sich der Bezirk als Wettbewerbsort für den AIV-Schinkel-Preis 2014. Der Auslober, der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin e.V., erkannte das Potenzial und stellte den diesjährigen Preis unter das Motto „Spandau bei Berlin“. Gesucht waren unter anderem ein neuer Kultur-Campus, eine Verknüpfung von Altstadt und Siedlungen sowie ein Havel-Spree-Rundweg. Teilnehmen konnten Studenten und Berufsanfänger bis 35 Jahre in den Kategorien Städtebau, Landschaftsarchitektur, Architektur, Konstruktiver Ingenieurbau, Verkehrswesen Straße, Verkehrswesen Schiene und Freie Kunst. Zusätzlich konnten verschiedene Disziplinen durch Kooperationsaufgaben verknüpft werden. Das Interesse war groß: 115 Beiträge wurden eingereicht, doch nur 16 Preise, darunter ein Schinkel-Preis, ein Reisestipendium und 14 Sonder- und Anerkennungspreise, wurden vergeben.
Der Schinkelpreis und das Schinkel-Italienreise-Stipendium gingen an einen Landschaftsarchitekturentwurf. Aufgabenstellung war die Entwicklung eines durchgehenden Ufer-Rundwegs zwischen Bahnhof und Zitadelle. Die vier Studenten der TU Berlin, Janina Thieme, Julia Müller, Henning Holk und Philipp Rösner, entschieden sich, zwei parallel laufende Rundwege zu gestalten und diese durch Sichtachsen zum Wasser hin zu verbinden.
Zwei Sonderpreise (Seite 10) gingen an Architekturentwürfe, die Vorschläge für einen Kulturcampus auf dem Grundstück der ehemaligen Reiterstaffel der Polizei aufzeigten. Nathalie Minck, Seyhan Özgen und Till Kretschmar von der TU Berlin verfolgten in ihrem Beitrag „Goldgräber“ den Ansatz, die Reithalle weiter als Festsaal zu nutzen. Alle übrigen Funktionen sollten in einem Neubau untergebracht werden, der tiefergelegt wird. Die Jury (Vorsitz: Melanie Semmer) lobte die „geschickte Vernetzung von Außen- und Innenräumen“, die sich vor allem beim Tiefhof und der Bühne zeige. Auch die Zurückhaltung gegenüber dem Bestand wurde als positiv aufgefasst. Zusätzlich zum Sonderpreis wurde der Beitrag mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet.
Der zweite Sonderpreis im Bereich Architektur ging ebenfalls an ein Projekt, das sich mit dem Bestand auseinandersetzte. Die Studentin der TU Berlin Svenja Krist und der Berufstätige Kevin Karancsi bearbeiteten zusätzlich das Kooperationsthema Denkmalpflege. Sie machten den Vorschlag, das Bestandsgebäude durch Neubauten zu ergänzen, die ihm in Typologie und Baustruktur ähneln. Durch eine Verschiebung in der Längsachse können neue Außenräume entstehen. Laut Jury schaffe es der Entwurf, „mit einfachen Mitteln dem Ensemble neue Qualitäten zu geben“ und dabei den Charakter des Bestandes hervorzuheben.
Die Preisverleihung fand wie jedes Jahr an Schinkels Geburtstag, dem 13. März, statt. Wer in diesem Jahr leer ausging, kann sich bald wieder zum nächsten Schinkel-Wettbewerb anmelden. Das Thema ist jedenfalls schon bekannt: Mit „Neuland Lichtenberg“ rückt ein weiteres Berliner Randgebiet in den Fokus. Die genaue Aufgabenstellung werde im Juni bekannt gegeben und sei ab September online abrufbar, kündigte der AIV an.
Internationaler Nachwuchswettbewerb
Schinkelpreis Landschaftsarchitektur + Schinkel-Italienreise-Stipendium Janina Thieme, Julia Müller, Henning Holk, Philipp Rösner, TU Berlin | Sonderpreis Konstruktiver Ingenieurbau/Architektur/Landschaftsarchitektur Matthias Jedamzik, Marcus Else, Orhan Hevenk, Christian Schröttle, TU Berlin | Sonderpreis + Anerkennungspreis Architektur Nathalie Minck, Seyhan Özgen, Till Kretschmar, TU Berlin | Sonderpreis Architektur/Denkmalpflege Svenja Krist, Kevin Karancsi TU Berlin + Berlin | Sonderpreis Landschaftsarchitektur Lars Schwitlick, Magdeburg | Sonderpreis Konstruktiver Ingenieurbau/ Architektur Marie Dörbaum, Niklas Kolb, Saqib Aziz, Birger Steffe, TU + UdK Berlin | Anerkennungspreis Landschaftsarchitektur Frithjof Hamacher, TU Dresden | Anerkennungspreis Landschaftsarchitektur Lucas Hövelmann, Richard Roßner, Lars Schöberl, TU Berlin | Anerkennungspreis Städtebau Christiane Kolb, Hannes Bäuerle, Marius Jungblut, Philipp Maué, RTWH Aachen | Anerkennungspreis Städtebau Adeline Hofmann, Ramona Ohla, Bauhaus Universität Weimar | Anerkennungspreis Städtebau Jacqueline Botur, Victoria Hoedt, BTU Cottbus | Anerkennungspreis Städtebau Albrecht Jentzsch Bauhaus Universität Weimar | Anerkennungspreis Architektur Sandro Ruiu, TU Wien | Anerkennungspreis Konstruktiver Ingenieurbau/Architektur/Landschaftsarchitektur Juliane Schlosser, Eva Roll, Matthias Peltz, Kai Petzold, TU Berlin
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