Zwischen ländlicher Bautradition und modernem Leben
Tagung der Bayerischen Architektenkammer
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Zwischen ländlicher Bautradition und modernem Leben
Tagung der Bayerischen Architektenkammer
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Man betrat ungesichertes Terrain: „Alphouse – von der Kraft des Handwerks“, so stand es auf der Einladung zu der Tagung in der Bayerischen Architektenkammer. Und erörtert werden sollten: Alpen, Region, Land und Landwirtschaft, Handwerk.
Aber was hat das alles miteinander zu tun? Wieso globalisiertes „Alphouse“, wo es um Region geht; wieso Landwirtschaft, wo es um den Erhalt eines Naturraums geht; wieso Handwerk, wo doch gerade auf dem Land die Industrialisierung bäuerlicher Kultur den Garaus macht? Paradoxien, wohin der Blick geht. Doch es scheint, dass gerade das die Virulenz des Themenfelds ausmacht.
Vielleicht am deutlichsten wurde der Zwiespalt von Christian Wagner von der HTW Chur ausgesprochen, der über die Ortsentwicklung der Bündner Gemeinde Fläsch berichtete, die derzeit in der Schweiz mit großem Interesse verfolgt wird und mit dem diesjährigen Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet wurde. Wagner ist seit 2004 Bauberater in Fläsch: „Wir haben eine ganze Reihe von sehr strikten Auflagen festgelegt, und doch befällt mich zweimal die Woche die Ahnung: Das alles hilft nicht“. Den Spagat zwischen dem genau benannten Leitbild („Weindorf“), ohne das es die Entwicklung gar nicht gäbe, und der Offenheit (privater Hausbau), ohne die sie leblos bleibt, hoffte er durch öffentliche Erörterungen von Bauprojekten in der Gemeinde zu schließen. Davon blieben nur Rudimente. Wen wundert’s, dass seine Hoffnung nun auf den Zwischenräumen der Neubauten ruht.
Kerstin Grothe von der Uni Karlsruhe berichtete von den Herausforderungen, die sterbende Dörfer im Schwarzwald darstellen. Sie sprach von Bildern, die wir uns von Orten machen, davon, dass jeder Ort ein Individuum ist, das man kennen lernen kann, davon, dass unsere Begriffe der Anschauung davonlaufen – etwa, was soll das sein, das „perforierte Dorf“?
Die Frage nach der Kultur in der Kulturlandschaft
Wenn sich „Experten“ – der „ich weiß schon, wie’s geht“ Landwirt und der „ich kenne die gute Form“ Architekt – verständigen, davon berichtete Jochen Simon von der Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising, wo man den drastischen Wandel von Höfen beratend begleitet. Nicht zu überhören war, wie marginal der Stand der Architektur ist angesichts des Strukturwandels auf dem Land, womit sich die Frage nach der Kultur in der Kulturlandschaft stellt.
Damit war auch die Frage nach dem Handwerk wieder präsent – möge dem Bauhandwerk erspart bleiben, was die Landwirtschaft erlebt: die Liquidierung bäuerlichen Handwerks. Offenbar muss man weit gehen, um darüber Klarheit herzustellen. Stefan Eisenhofer vom Museum für Völkerkunde München zeigte an Beispielen des Handwerks in Afrika die Dimension dieser Tätigkeit: Vollender und Beschleuniger der Schöpfung, Mittler von Geist und Körper, von Einzelnem und Umfeld. Das ist weit entfernt von der Industrie und wird, nach den Verheerungen, die diese seit einem halben Jahrhundert angerichtet hat, als Beitrag von eminentem Wert wiederentdeckt.
Handwerk, Wohnen, Land und Alpen: Ein bewusst hergestellter Zusammenhang, dem mit Analyse, Statistik, Theorie – also mit objektivierender Wissenschaft – beizukommen, sich der zentrale Beitrag von Jörg Schröder, vom „Studio Landraum“ am Institut für Entwerfen Stadt und Landschaft der TU München, vorgenommen hat. Die Bedrohung dieses Zusammenhangs legte den Grundstein für ein groß angelegtes Projekt. Seit einem Jahr untersucht ein Team in acht Pilotregionen von den französischen Alpen bis ins Salzburger Land die Vereinbarkeit von Bautradition und modernem Leben. Ausgehend von der Frage nach der Energieeffizienz führten die umfangreiche Bestandsaufnahme an Haustypen, Konstruktionen und Bauweisen und die darauf aufbauende Reflexionen zu dem Schluss, Kennzeichen und wertvollstes Gut des Bauens in den Alpen sei: Differenz. Jedem Tal also seine eigene Lösung! Zugestanden – doch in etwas dünner Höhenluft angesiedelt.
Erfreulich ist das EU-Projekt „Alphouse“, an dessen Anfang die TU München, die Bayerische Architektenkammer und die Handwerkskammer München und Oberbayern standen, allemal. Anregend war der Tag auch dank der Ausstellung „Wohn Raum Alpen“ der Stiftung der Kammer der Architekten Bozen, die aus 200 Einsendungen 37 Objekte juriert und hervorragend in Foto, Plan und Modell zu einer Wanderausstellung zusammengestellt hat. Zurzeit ist die Schau noch im Haus der Architektur in München zu sehen, demnächst in Zürich und im Engadin, und dann wohl auch in Berlin.
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