Bauwelt

Adolf-Ferdinand-Weinhold-Bau der TU


Fast ein Neubau


Text: Kasiske, Michael, Berlin


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    Foto: Werner Huthmacher

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In Chemnitz hat das Münchner Architekturbüro Burger Rudacs Architekten für die Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität den Adolf-Ferdinand-Weinhold-Bau saniert und ergänzt. Vier neue Fassaden, der Rückbau um zwei Geschosse und der Neubau von zwei Hörsälen lassen vom Altbau keine Spuren mehr erkennen
Der Campus der Technischen Universität Chemnitz ist, wohlmeinend ausgedrückt, vielgestaltig: Vom „Rühlmann-Bau“ aus den Anfängen der Hochschule 1960 über diverse Systembauten der DDR bis hin zu Neubauten unterschiedlicher Qualität aus den letzten zwanzig Jahren, allen voran das farbenfrohe Hörsaalzentrum, „Orangerie“ genannt. Es entstand 1994 als erster Baustein eines geplanten, ambitionierten Hochschulausbaus, der der kurz darauf einsetzenden wirtschaftlichen Ernüch­terung zum Opfer fiel. Heute blüht hier die reale Landschaft, wie aus dem im letzten Jahr fertiggestellten Adolf-Ferdinand-Weinhold-Bau zu sehen ist.
Das nach dem einst in Chemnitz lehrenden Physiker und Chemiker benannte Institutsgebäude für die Fakultäten Elektrotechnik und Informationstechnik war 1972 als Sektions­gebäude für Automatisierungstechnik errichtet worden. Sein Umbau erfolgte seit 2010 in zwei Abschnitten. Wobei „Umbau“ ein Euphemismus ist, vom ursprünglichen Bauwerk fand nur ein reduziertes Betonskelett Verwendung. Der Ausgangspunkt war eigentlich ein anderer. 2006 gewann das Münchner Büro Burger Rudacs Architekten den Wett­bewerb um die Fassadensanierung mit Integration einer Teilbibliothek. Der Aufgabe lag der Wunsch zugrunde, den Campus am Hörsaalzentrum funktional aufzuwerten. Dazu hätte der Bestand einer statisch und brandschutztechnisch aufwändigen Ertüchtigung bedurft. Mitten in der Planung beschloss das Land Sachsen, stattdessen eine Zentralbibliothek in der Alten Aktienspinnerei einzurichten. Im Weinhold-Bau verblieben Forschung und Lehre.
Repetition als Gestaltungsthema
„Wir waren fasziniert von der Präsenz des Baukörpers,“ beschreibt Birgit Rudacs die Entwurfsaufgabe, „vor allem wollten wir seinen eindrucksvollen bauplastischen Ausdruck beibehalten.“ Damit spielt sie erstens auf die Länge des Hauses an, 170 Metern, in vier Abschnitte von je 36 Metern gegliedert; zweitens auf die unterschiedlich gestalteten Nord- und Südfassaden – letztere hatte eine Brise Soleil aus Beton als Vorsatz, deren geschossweise unterschiedliche Abstände ein optisch reizvolles Bild ergab; und drittens auf die Höhe von acht Geschossen.
Leider konnte das Raumprogramm die zur Verfügung stehende Fläche nicht füllen. Weil städtebauliche und funktionale Erfordernisse eine Verkürzung des Weinhold-Baus ausschlossen, wurden die beiden obersten Geschosse rückgebaut. „Darunter hat das Bild des Baukörpers sehr gelitten“, so Rudacs. Zum Ausgleich nutzten die Architekten den gestalte­rischen Freiraum, eine homogen wirkende Fassade zu schaffen. Dabei konnten sie auf die vorhandene Raumstruktur zurückgreifen. Der Ost-West-ausgerichtete Riegel gliedert sich als Zweispänner in eine 4,5 Meter tiefe Bürospange nach Süden und eine 12 Meter tiefe Laborspange nach Norden. Im Erdgeschoss ist die schmale Zone als ein sich über die ganze Länge erstreckendes Foyer ausgebildet, die tiefe Zone ist in Seminarräume und Labore unterteilt.
Die Asymmetrie der Funktionszonen nutzten Burger Rudacs für die expressive Ausbildung der Stirnseiten. In Verlängerung der Büros verleibten sie die zuvor nur provisorisch aufgestellten Fluchttreppenhäuser dem Baukörper ein. Über der schmalen Spange konzentrierten sie die Technik, sodass der Weinhold-Bau zur offenen Landschaft hin wieder ein Geschoss zurück erhielt.
Hier, wo der Bau die städtebauliche Kante der Bebauung des Campus nach Süden bildet, musste seine Körperhaftigkeit auch mit dem Hörsaalzentrum und einer in Bau befindlichen Versuchshalle ein stimmiges Bild ergeben. Das gelang den Architekten, indem sie die Großform durch scharfe Kanten noch körperhafter und die Fassaden durch eine serielle Gliederung flächiger erscheinen lassen. Der quer zum Hang stehende Riegel ist vom Tal des Flüsschens Chemnitz aus weit sichtbar.
Die Südfassade, vor der sich das Gelände um ein Geschoss absenkt, wird von Fensteröffnungen geprägt, die 6,70 Meter breit sind, in der Höhe aber variieren. Im Erdgeschoss gibt es die großen Öffnungen des Foyers. Anstelle einer Verglasung vom Fußboden bis zur Decke, wie sie im ursprünglichen Bau vorhanden war, befindet sich hier nun eine als Sitzbank ausgebildete Brüstung. „Der Ausblick in die Landschaft wird durch die benachbarten Neubauten verstellt“, so Stefan Burger, „deshalb wollten wir die Aufmerksamkeit im Foyer belassen.“ In den darüber liegenden Büros gehen die Fenster von Wand zu Wand. Um in der Fassade die zerschneidende Wirkung von Fensterbändern zu vermeiden, fügten Burger Rudacs alternierend Ober- und Unterlichter hinzu. Den oberen Abschluss bildet das bis auf wenige Fensterstreifen geschlossene Technikgeschoss. Die vier Gebäudeabschnitte, die beiden übernommenen Aufzugstürme und das Fugenbild der Fassadenelemente erzeugen zusammen mit den Öffnungen ein grafisches Bild, das an Werke der Op-Art erinnert. Das gilt ebenso für die Nordfassade, die einen großen Innenhof abschließt. Hier haben, das Erdgeschoss ausgenommen, die Fenster eine einheitliche Höhe, jedoch werden zwei Breiten variiert. Hinzu kommen vertikale, ungleichmäßig gelochte Bleche vor den Lüftungsflügeln. Im Unterschied zur Südfassade wirkt jedes Fesnter durch seine Lage wie gerahmt. Die Assoziation eines au­tarken Bilderspiels kommt nicht von ungefähr: Alle Fassaden stehen auf eigener Gründung vor der Tragstruktur und sind nur über Anker an die Struktur gekoppelt.
Das Eingangsgebäude am Campus-Platz ist ein kompletter Neubau. Hier sind zwei Hörsäle untergebracht, für die – wie schon im Vorgängerbau – der Niveausprung von einem Geschoss zwischen Platz und Innenhof ausgenutz wurde. Im Obergeschoss befinden sich Seminarräume. Die Fassade ist jedoch die gleiche wie beim Haupthaus. Die vorgefertigten Sandwichelemente setzen sich aus Tragschale, Dämmung und Vorsatzschale zusammen. Für den Beton wurde Grau pigmentierter Weißzement verwendet; die Oberflächen wurden später von Hand gestrahlt, um wolkige Effekte hervorzurufen.
Die Dominanz der Oberflächen soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umbau ein den gegenwärtigen Ansprüchen genügendes Forschungsgebäude geschaffen hat, angefangen von der komplett neu installierten Technik bis hin zu den erforderlichen drei zusätzlichen Treppenräumen. Seine artifizielle Wirkung außen wie innen beruht auf der frappierenden Abwesenheit von Mitteilungszetteln und Graffiti. Dabei müsste gerade das betont „unbunte“ des Betons außen und des Faserzements innen nach landläufigem Verständnis Aneignungsattacken geradezu provozieren. Vielleicht profitiert das Ornament der Fassade von der entfernten Ähnlichkeit zu den inzwischen geschätzten Formsteinen, die zunehmend verschwinden? Wie dem auch sei, das Faustsche Diktum, dass das Erbe der Väter erst erworben werden muss, um es zu besitzen, wurde mit dem Weinhold-Bau im besten Sinne eingelöst.



Fakten
Architekten Burger Rudacs Architekten, München
Adresse Reichenhainer Straße 70, 09126 Chemnitz ‎


aus Bauwelt 29-30.2014
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