Amerika-Haus wird Thyssen-Stiftung
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Mit ihrer ganz eigenen Geschichte sind die Amerika-Häuser wichtiger Teil der Nachkriegsarchitektur. Die Sicherheitsanforderungen der zurückliegenden Jahrzehnte haben die Leichtigkeit der ursprünglichen Architektur meist völlig zerstört. Peter Cheret und Jelena Bozic konnten bei der Sanierung in Köln zur Idee des „offenen Hauses“ zurückkehren.
Als das Amerika-Haus als neuer Sitz der Fritz-Thyssen-Stiftung ins Gespräch kam, sei es ihm am liebsten gewesen, man hätte den Komplex abreißen und auf dem exklusiven Grundstück in der Kölner Innenstadt einen Neubau errichten können, bekennt der Vertreter des Vorstands Frank Suder heute. Doch der Abriss des denkmalgeschützten Ensembles war ausgeschlossen. Die Stiftung entschloss sich trotz des anfänglich „mulmigen Gefühls“ zum Kauf. Dies jedoch mit der Option, die Gebäude mit baulichen Maßnahmen ihren funktionalen und repräsentativen Ansprüchen anzupassen.
Die anfänglichen Bedenken der neuen Eigentümer sind angesichts eines von der Stadt Köln erworbenen Gebäudes, dem man einen Sanierungsstau durchaus nachsagen konnte, nachvollziehbar. Aus Angst vor Übergriffen hatten die Amerikaner das ursprünglich lichte und freundliche Gebäude Stück für Stück in eine dunkle Festung verwandelt. Die schlichte Eleganz und Leichtigkeit der 50er-Jahre-Architektur, die sich mit filigranen Bauteilen vom Ballast der Vergangenheit zu befreien suchte, war in langen Jahren immer weiter verbaut worden, aber immer noch zu ahnen.
Schaufensterarchitektur wieder lebendig machen
Die Thyssen-Stiftung lud 2009 vier Büros zu einem Gutachterverfahren ein. Beauftragt wurde schließlich das Stuttgarter Büro Cheret Bozic. Dessen Konzept knüpft auf geschickte Weise an die kompositorischen Qualitäten des Bestandes an und erweitert die drei Baukörper rückwärtig und unter der Erde, sodass die gestalterische Einheit von Haus und Garten davon unberührt bleibt. Es reagiert auch auf den sensiblen Bereich des Eingangs. Lange Zeit war der breite Durchgang vom Platz vor der Apostelnkirche in den Garten des Amerika-Hauses mit einem Rolltor verschlossen. Die Stiftung wollte das ursprüngliche Bild des „offenen Hauses“ wieder hergestellt sehen. Eine gläserne Schiebetür öffnet jetzt den Garten und das Foyer auf kontrollierte Weise zur Stadt. Das städtische Gesicht des Ensembles, eine elegante Travertin- und Muschelkalkfassade, zeigt sich heute wieder wie im Originalzustand. Dabei fällt nicht einmal auf, dass keine Platte und kaum ein Nagel der ursprünglichen Tragkonstruktion erhalten werden konnte.
Die Innenarchitektur operiert wie einst mit einem lockeren Spiel aus geputzten, natursteinverkleideten und verglasten Wandflächen, die alle den Auflagen des Denkmalschutzes entsprechend wieder hergestellt wurden. Manches ist gewöhnungsbedürftig. Etwas merkwürdig mutet zum Beispiel der Putz mit den wie zufällig verteilten Kellenhieben an, und ähnliches gilt für die blauen Wellblechpaneele, die trotz ihrer schäbigen Erscheinung seitens der Denkmalpflege als charakteristisch und elementar und damit unverzichtbar vorgeschrieben worden waren. Andrerseits hatte die Denkmalpflege aber auch ein großes Zugeständnis gemacht. Das hofseitig angelegte große neue Fenster des ehemaligen Kinosaals macht es möglich, diesen Saal heute als Auditorium multifunktional zu nutzen.
Der zentrale Eingang führt in ein eher bescheidenes Foyer. Ein überraschender Coup des Architekten Rolf Schickmann war die Idee, vis-a-vis, auf der anderen Seite des Eingangs, eine fast barock gestaltete Fluchttreppe des ehemaligen Kinosaals ankommen zu lassen. Doch große Gesten sind nicht das Thema dieser Architektur – nicht 1955 und nicht heute. Deshalb sehen die Türen noch genauso aus wie damals.
Alt oder neu, fragt man sich an vielen Stellen im Gebäude. Und fast immer ist die Antwort neu, denn der hochtechnisierte Hauptsitz der Fritz-Thyssen-Stiftung ist das Ergebnis einer Sanierungsmaßnahme, die gestalterisch kompromisslos und mit Sachverstand durchgeführt wurde. So fügen sich auch die neuen Anbauten nahtlos in den Grundriss ein. Eindrucksvoll ist die Blickachse von dem wieder geöffneten „Schaufenster“ auf der Straßenseite durch die gesamte Länge des Gebäudes bis zur Grundstücksgrenze. Auch wenn es diese Achse immer schon gegeben hat, war sie in den letzten Jahren verbaut und verstellt worden. Erst durch die Sanierung wurden diese bauzeitlichen Schichtungen wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Herzstück der Stiftung, der Konferenzraum, wurde so ohne Bedrängnis eingebunden.
Der eingeschossige mittlere Baukörper, ehemals die Bibliothek des Amerika-Hauses, dient der Stiftung als Verbindungsglied zwischen dem vorgelagerten halböffentlichen Bereich des Auditoriums und dem hinteren dritten Bauteil mit der Stiftungsbibliothek, den Büros der Vorstände und der Verwaltung. Am Kopfendende dieser mit Glastrennwänden gegliederten Raumfolge leuchtet heute eine alarmgrüne Wand – kein „Fehler“ in der Sanierung, sondern Teil der Stiftungs-CI und somit eindeutig neu, verweist die Farbe auf die dahinter angebauten Büroräume. Doch dieses Farbspiel bleibt Ausnahme. Auch nach der Sanierung prägen nur wenige Materialien das Bild der Architektur. Insbesondere sind dies Muschelkalk und Eiche, die an Wänden und Böden in unterschiedlicher Weise eingesetzt wurden. Auch die drei schwungvollen Treppen mit den markanten roten Handläufen gehören zu diesem Bild.
Die Architektin Jelena Bozic hat, wo immer möglich, dafür gekämpft, dass die technische Ausstattung verborgen ist, wenn sie nicht gebraucht wird. Ganze Teeküchen tauchen nach wenigen Handgriffen hinter Holzpaneelen auf, Monitore und Vorhänge fahren aus unsichtbaren Wandschlitzen, und Kabel scheint es in diesem Haus sowieso nicht zu geben. Dieses Konzept ist nicht nostalgisch motiviert, sondern einem eigenen gestalterischen Anspruch im Umgang mit dem Baudenkmal geschuldet.
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