Bauwelt

Archäologisches Zentrum


Das Museumsdepot


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Foto: Werner Huthmacher

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Die Architekten Harris+Kurrle haben in der Mitte Berlins eine komplexe Bauaufgabe, ein Depot für Kunstwerke, mit Werk­stätten, Büros und einer Bibliothek, konzeptionell gut gelöst. Der davor liegende Platz harrt noch der Fertigstellung. Erst mit dem Nachbargebäude, einem zweiten Haus für das Bode-Museum, wird das städtebauliche Ensemble vollendet sein.
In etwa die gleiche Formensprache aber ein weitgehend anderer Inhalt: Westlich der Berliner Museumsinsel stehen zwei Gebäudeblöcke mit langen Reihen vertikaler Fensterbänder, die von den südlich verlaufenden Stadtbahnbögen aus betrachtet, das gesamte städtische Raumgefüge deutlich verändert haben. Vor drei Jahren eröffnete das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum der Humboldt-Universität von Max Dudler (Bauwelt 38.2009). Jetzt ist, etwas zurückgesetzt, der Nachbar, das Archäologische Zentrum, fertig geworden. Er stellt einen deutlich Bezug zum Dudler-Bau her.

Die Kubatur des Archäologischen Zentrums bezieht sich auf einen städtebaulichen Ideenwettbewerb, der 2005 entschieden wurde. Aufgabe war es, einen Rahmenplan für das Areal zwischen Geschwister-Scholl-Straße und Am Kupfergraben in direkter Anbindung an die nördlich angrenzende ehemalige Friedrich-Engels-Kaserne zu entwickeln. Da an diesem Ort ergänzende Bauten für die Häuser auf der Museumsinsel geplant waren, gab man dem Quartier den Namen „Museumshöfe“. Die Preisträger, Auer+Weber, schlugen damals vor, das Areal in Verlängerung der Monbijoubrücke, die am Kupfergraben die Verbindung zum Bode-Museum auf der Museumsinsel herstellt, in zwei großmaßstäbliche Blockstrukturen zu teilen. Ihr Konzept hat auch heute noch Gültigkeit. Den Wettbewerb für den nördlichen Teil mit dem Archäologischen Zentrum haben zwei Jahre später die Architekten Harris+Kurrle gewonnen (Bauwelt 15–16.2007). In der ehemalige Kaserne, die 1999 saniert wurde, unterhält vor allem das Deutsche Historische Museum ein Depot und eine Restaurierungswerkstatt.

Pfeilspitzen und Papyri

Im fertiggestellte Archäologische Zentrum befinden sich ebenfalls Depots und Werkstätten, aber auch Forschungsstätten mit Laboren und eine Bibliothek. Dabei waren acht unterschiedliche Studiensammlungen und Abteilungen der Staatlichen Museen zu Berlin, von der Antike bis zur Islamischen Kunst, in einem Gebäude zusammenzuführen. Dies in unmittelbarer Nähe zur Museumsinsel auf ausreichender Fläche verwirklichen zu können, ist ein Glücksfall. Im Kopfbau, dem Herz des Zentrums, werden in Depots und Sammlungen archäologische Artefakte, von frühgeschichtlichen Pfeilspitzen über ägyptischen Papyri bis zu vorderasiatischen Keil­schriften, aufbewahrt und Wissenschaftlern zugänglich gemacht. In den einzelnen Werkstätten werden die Gegenstände bearbeitet und dokumentiert. Die räumlichen und raumklimatischen Anforderungen hierfür sind, wie sich denken lässt, sehr speziell. Eigens angefertigte Lagervorrichtungen wie zum Beispiel Schwerlastregale mit großen, auf Rollen gelagerten Auszügen, Depotschiebewände oder auch eine fahrbare Bühne waren erforderlich. Hinzu kommen die Büros der Wissenschaftler und Mitarbeiter.

Darüber hinaus gelang es mit dem Neubau auch endlich, die Buchbestände aller Abteilungen in einer zentralen archäologischen Bibliothek zusammenzufassen. Diese ist auch der Öffentlichkeit zugänglich. Der Kopfbau mit einem Großteil der Depots, Sammlungen und der Bibliothek, kann als eine Art Speicher verstanden werden. Der Seitenflügel mit den Büros und den Werkstätten, zu denen auch Fotowerkstätten gehören, zeigt sich in erster Linie als Arbeitsstätte an den Sammlungsstücken.

Das Speicherhaus

Harris+Kurrle entschieden sich, entsprechend der Aufgabe des Gebäudes, für eine zurückhaltenden Architektur. Der Bau sollte trotz seiner mächtigen Kubatur nicht in Konkurrenz zu denen auf der Museumsinsel treten. Mit diesem Grundgedanken lässt sich die Architektur gut erklären. Das Thema Schutz der gelagerten Kunstwerke kommt deutlich zum Ausdruck. Die weitgehend geschlossene Fassade ist äußerst schlicht, besonders beim Hauptbaukörper nach Süden mit seiner mächtigen Ziegelwand. Nicht von ungefähr verweist Volker Kurrle auf Speichergebäude des frühen 20. Jahrhunderts. Ebenso spielten für ihn „Bilder der – immer seltener werdenden – Berliner Brandwände aus Ziegeln“ eine Rolle, und er hofft, dass „etwas von der Kraft dieser Bilder spürbar ist, wenn man vor dem Archäologischen Zentrum steht“. Für die Wucht des Gebäudes und die Homogenität des Materials zieht Kurrle als Referenz sogar ein ganz anderes, imposantes Gebäude aus der Baugeschichte heran: die monumentale Pylonenfront der Tempelanlage im ägyptischen Edfu. Ein Bezug, der dann vielleicht doch etwas übertrieben erscheint.

Die Architekten entschieden sich bei den großflächig verkleideten Fassaden für einen hellbraunen, leicht changierenden Ziegel. Beim Mauern der großen homogenen Wand des Kopfbaus sollen sich auf der Baustelle Schwierigkeiten ergeben haben. Auf der Fläche wurden Strukturdifferenzen deutlich, die zu sehr ins Auge fielen. Daraufhin mussten bestimmte Teile neu gemauert werden.

Die große, kompakt wirkende Fassadenfront wird an nur einer Stelle durch die zweigeschossige, ganz aus Glas gestaltete Eingangszone spannungsvoll gebrochen. Hier öffnet sich das Archäologische Zentrum und gewährt einen über­raschend eindrucksvollen Blick in das Foyer mit einer gebäudehohen Treppenhalle. Diese Halle liegt genau am Schnittpunkt vom Kopfgebäude  und dem Seitenflügel, der auf der Ostseite angefügt wurde. Dieser Seitenflügel endet im Norden am Kasernenaltbau und wird damit zum verbindenden Element der Gebäudeteile.

Prinzip Weiß


Die Gedanken zur Kubatur und zur Fassade sind bei Weitem nicht alles, was diesen Neubau prägt. Für das Archäologische Zentrum stellt man sich, entsprechend der Funktion, ein schlichtes Depotgebäude mit Werkstätten und einigen Arbeitsräumen vor. Die Architekten überraschen aber mit etwas ganz anderem. Das Gebäude entpuppt sich, unabhängig von seinen verschiedenen Aufgaben, als eine mit sicherer Hand entworfene Einheit von großer Eleganz. Alle Räume sind bis ins letzte Detail sorgfältig geplant. Bereits in der Eingangshalle hat man nicht mehr den Eindruck, sich in einem einfach ausgestatteten, abseits stehenden Depotgebäude zu befinden. Ganz im Gegenteil. Man ist wie in einem Museum umgeben von Räumen in strahlendem Weiß und voller Erwartung,  etwas Kostbares betrachten zu können. Das Konzept war also, ein von außen betrachtet simples, bescheidenes Haus zu bauen, das innen durch seine neutrale, entmaterialisierte und klinisch weiße Gestalt glänzt und Neugier weckt. Kurrle formuliert es so: „Den gestalterischen Schlüssel zur ,Bändigung‘ der komplexen Funktionalität stellt die Nicht-Farbe Weiß dar. Das Prinzip Weiß ist in diesem Sinne der alles zusammenfassende Ordnungsfaktor der Innenräume“. Dem Besucher wird in diesem Interieur bewusst, dass hier alles penibel genau verwahrt und gepflegt wird. Dieses Prinzip wird beim Eintreten auch mit der Treppe inszeniert, die in den hinteren Teil der Halle eingestellt ist. Den Architekten gelang hier eine einheitliche, auf den ersten Blick sehr kompakt wirkende Struktur, die mit großer Präzision aus dünnen Stahlplatten zusammengesetzt wurde. Die Eleganz dieses Raums wird noch verstärkt durch die schmalen Lichtbänder an den Decken und vor allem einem, ebenso wie die Treppe, filigran gegliederten Oberlicht. Das Weiß durchzieht alle Räume, die Flure, Büros, die Bibliothek und die einzelnen Werkstätten.

Die Halle mit der Treppe bietet auch große Schaufenster zum Hof mit dem alten Baumbestand. Durch den neuen Kopfbau und den zwei Geschosse niedrigeren Gebäudeflügel wird der Hof entsprechend der städtebaulichen Vorgabe geschlossen. Für diesen Seitenflügel entwarfen die Architekten durchgehend eine etwas spröde Lochfassade. Im Erdgeschoss befinden sich mehrere Werkstätten für Restauratoren, denen auch ein direkt zugänglicher Außenbereich zur Verfügung steht. Eine Zufahrt zum Hof gibt es nur über eine schmale Gasse hinter dem Kopfbau an der Geschwister-Scholl-Straße.

Zum komplexen Raumprogramm des Gebäudes gehört auch die Archäologische Bibliothek als eine neue Dependance der kunstwissenschaftlichen Bibliothek am Kulturforum. Sie dehnt sich mit einem durch Glastrennwände abgegrenzten Studiensaal mit 18 Plätzen und mit drei Studierräumen auf der gesamten Fläche des dritten Obergeschosses vom Kopfbau aus. Das Regalsystem des Freihandbereichs wurde den vertikalen Fensterbändern folgend angeordnet. Auch die schmalen Felder zwischen den Fenstern wurden mit fest eingebauten Regalen versehen. Da die Fensterbänder bis zum vierten Obergeschoss reichen, wo sich Räume der Verwaltung befinden, und sich in der Fassade dennoch einheitliche, geschossübergreifende Fenster ergeben sollten, wurde im Bereich der Geschossdecke, von außen nicht erkennbar, Blindglas eingesetzt.

Von den Gleisen der Stadtbahn aus wird sich das städtebauliche Bild deutlich verändern, wenn die Planungen auf dem Nachbargrundstück des Neubaus weiter voran schreiten. Man wartet nun vor allem auf den Erweiterungsbau des Bode-Museums, für den aber bisher noch nicht einmal ein Wettbewerb ausgelobt wurde. Für das gesamte Planungsverfahren bis hin zur Fertigstellung muss wohl mit circa zehn Jahren gerechnet werden. Zurzeit gibt dieser Ort noch ein tristes Bild ab. Dort stehen gestapelte Baucontainer herum. Ein Gebäude der sechziger Jahre entlang des Kupfergrabens, in dem sich vor 1990 Schlafsäle und eine Kantine für das Wachregiment der DDR befanden, soll für den Erweiterungsbau abgerissen werden. Wenn dieser Museumsneubau vollendet ist, wird das Archäologische Zentrum, dann auf einen klar definierten Vorplatz ausgerichtet, mit seiner schlichten Ziegelwand noch eindeutiger in den Hintergrund treten, so wie es von den Architekten auch intendiert war.


Ergänzung des Bode-Museums

Seit Langem ist vorgesehen, auf dem Areal neben dem Archäologischen Zentrum einen Neubau für das Bode-Museum zu errichten. Jetzt sorgte die Meldung für Irritation, dort die Alten Meister unterzubringen, die derzeit noch in der Gemäldegalerie am Kulturforum gezeigt werden. Deren Haus solle nach einer Sanierung besser eine „Galerie des 20. Jahrhunderts“ aufnehmen, inklusive der in Aussicht gestellten Surrealisten-Kollektion Pietzsch.

Hinsichtlich der Planung des zweiten Baus vom Bode-Museum tut sich wegen der fehlenden Finanzierung noch immer nichts. Am Kulturforum soll jedoch bald mit der Umplanung begonnen werden. So wird befürchtet, dass die Gemälde der Alten Meister für längere Zeit im Depot verschwinden. Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nahm zur teilweise heftig geführten Debatte Stellung: „Auch in der Übergangszeit werden die Staatlichen Museen einen Überblick über die Entwicklung der Malerei und Bildhauerkunst anbieten können. Das Bode-Museum bietet genügend Platz, um knapp die Hälfte der im Hauptgeschoss der Gemäldegalerie derzeit ausgestellten Werke zu präsentieren. ... Die Stiftung ist dabei, weitere – temporäre – Ausstellungsmöglichkeiten für die Werke der Gemäldegalerie zu prüfen.“ Dass das Bode-Museum genügend Platz hat, ist umstritten. Anfang September wurde nun neu nachgedacht und eine „Machbarkeitsstudie zur Optimierung der Berliner Museumslandschaft“ in Auftrag gegeben.



Fakten
Architekten Harris+Kurrle, Stuttgart
Adresse scharrenstraße berlin


aus Bauwelt 37.2012
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