Besucherzentrum
Basaltblöcke an Nordirlands Küste
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Die erstaunliche Felsformation lockt zahlreiche Besucher an die nordirische Küste. Ein neues Besucherzentrum will sie nicht zuletzt über Entstehung, Flora und Fauna der Landschaft informieren. Róisín Heneghan und Shih-Fu Peng haben dafür ein Gebäude geschaffen, das sich bei aller Wucht seiner Erscheinung dennoch wohl bedacht in den Ort einfügt.
Der Giant’s Causeway an der Küste des nordirischen County Antrim ist eine Weltnaturerbestätte der UNESCO. Der Sage nach soll diese bizarre Formation aus überraschend regelmäßigen, im Grundriss meist sechseckigen, mal auch nur vier- oder fünf-, mal sieben- oder achteckigen Blöcken aus Basaltlava Zeugnis einer Baumaßnahme von Fionn mac Cumhaill sein. Der keltische Riese habe einst eine Passage durch die Irische See hinüber nach Schottland gebaut, um dort mit dem Riesen Benandonner zu kämpfen. Tatsächlich findet sich an der Küste der Insel Staffa vor Schottland eine Stelle, die dem Causeway ganz ähnlich sieht. Geologen hingegen wissen, dass beide Orte auf natürliche Weise entstanden: vor rund 60 Millionen Jahren, als beim Auseinanderdriften von Nordamerika und Europa flüssiges Magma aus dem Erdinneren an die Oberfläche strömte und beim allmählichen Erkalten besagte Formen bildete. Welcher Interpretation man auch Glauben schenken mag – im neuen Besucherzentrum des Giant’s Causeway, das im Sommer letzten Jahres eröffnet worden ist, werden beide präsentiert. Allerdings nicht gleichwertig.
Das Gebäude, für das die Dubliner Architekten Heneghan Peng verantwortlich zeichnen, kann als ein direktes architektonisches Resultat des Karfreitagsabkommens gelten, mit dem sich die Regierungen in Dublin, Belfast und London 1998 auf einen Modus Vivendi einigten, um die Konflikte des Landes zu befrieden. Seitdem besuchen mehr und mehr Iren aus der Republik den Ort – die meisten von ihnen mit dem PKW. Ausreichend Stellplätze zu schaffen, war daher eine wesentliche Forderung an die rund 200 Teilnehmer des Wettbewerbs vor acht Jahren, verstopften die Autos der Ausflügler doch die schmalen, kurvenreichen Landstraßen. Der Neubau war aber auch nötig geworden, weil ein Brand das bis dahin eher provisorisch untergebrachte Besucherzentrum zerstört hatte.
Heute sind die Straßen frei – ohne dass ein großer Parkplatz die ländliche Szenerie dominierte. Kommt man aus Richtung der kleinen, dank ihrer Whiskey-Brennerei bekannten Stadt Bushmills, erblickt der Besucher zuerst das steingraue Haus der Gaststätte „The Nook“ in der Kurve, in der die Zufahrt zum Causeway abzweigt. Im Hintergrund zieht, strahlend weiß getüncht, das ehrwürdige Causeway Hotel die Aufmerksamkeit auf sich. Erst später wird man der dunklen Fassade des Besucherzentrums gewahr. Die Autos der Besucher bleiben dem Ankommenden zunächst verborgen. Sie sind quasi im Konzept des Entwurfs versteckt, mit dem Heneghan Peng den Wettbewerb gewannen und der dann ohne große Abstriche von 2010 an realisiert wurde: Der Parkplatz liegt abgesenkt in einer der beiden Geländefalten, die das Raumgerüst des Gebäudes bilden – die andere hebt sich aus dem Hang, der zur Kante der Steilküste hinauf führt, und bildet den Innenraum des Besucherzentrums. Dieses einfache Arrangement baut, zusammen mit dem Stein der Fassade, eine optische Brücke hinab zu den beiden herausstechenden Phänomenen des Causeway: Geometrie und Material.
Herausforderung Basalt
Der National Trust, der den Giant’s Causeway pflegt und auch Bauherr des alles in allem knapp 11 Millionen Pfund Sterling teuren Besucherzentrums war, will, wenn immer möglich, mit lokalen Materialien arbeiten. Die Architekten haben deshalb für sämtliche Steinarbeiten auf den im nahen Kilrea abgebauten Basalt zurückgegriffen; er entstand aus dem selben Lavastrom, der den Causeway geformt hat. Der Stein kommt in der Architektur heute kaum zum Einsatz, er bricht schlicht zu leicht. Dünn geschnittene Platten, etwa für eine Verwendung als Fassadenverkleidung, sind daher nicht erhältlich. Brauchbar ist der Basalt nur in ganz kleinen und in möglichst großen Brocken: als Splitt oder als Bruchstein. In beiden Erscheinungen taucht der Stein auch hier auf: Im gegossenen Fußboden des Besucherzentrums sind Basaltsplitter eingeschlossen, und die Mauer, die den Parkplatz zur Gaststätte hin begrenzt, wurde in Bruchstein aufgeschichtet. Auch für die Pfeiler der Fassade kamen nur große Brocken infrage; geschliffen zeigen sie eine samtige, weiche Oberfläche, die zum Darüberstreichen einlädt (das gleiche Material fand zur selben Zeit am Kunstzentrum MAC in Belfast Verwendung, siehe Bauwelt 13). Die Kreuzfugen, mit denen die Blöcke übereinander gestapelt worden sind, verraten, dass die Pfeiler nichts tragen außer sich selbst. Den dicksten von ihnen hilft dabei ein Betonkern.
Der richtige Samenmix
Das zweite Element, das die Wahrnehmung des Besucherzentrums bestimmt, ist das grüne Dach. Es sorgt nicht nur für eine gute Dämmung, es bietet sich auch als Weg hinauf auf die Klippen an und als Aussichtsterrasse mit Blick hinüber zum Badeort Portrush. Nur anhand der drei Oberlichtbänder bemerkt der Wanderer sogleich, dass er hier nicht auf einer normalen Wiese steht – mit dem Bau des Besucherzentrums wurde die Gelegenheit genutzt, das ursprüngliche, durch den Bau einer Straße beeinträchtigte Profil der Klippe wieder herzustellen, sodass sich das Gebäude auf der Küstenseite kaum merklich ins Gelände schiebt. Die Straße hinab zum Causeway wurde tiefer gelegt und sticht nun mit einem kurzen Tunnel durch die Steilküste.
Dass sich das Dach so selbstverständlich in die Umgebung einfügt, liegt vielleicht auch an der besonderen Aufmerksamkeit, die ihm während der Planungs- und Bauzeit zu Teil wurde. Dem National Trust war es ein Anliegen, keine ortsfremden Pflanzen zu säen, die die in den Klippen heimischen Gewächse verdrängen könnten. So wurde mit Bedacht ein garantiert harmloser Mix zusammengestellt, das Gründach dann neben dem Bauplatz in Matten „vorgewachsen“ und schließlich auf die Unterkonstruktion aufgebracht. Für all die Anlagen der Haustechnik, die sonst auf dem Dach eines Neubaus verteilt werden, wurde eine andere Lösung gefunden: Sämtliche Zu- und Ableitungen für Heizung und Kühlung sind in rund fünf Kilometer langen Schleifen unter dem Parkplatz verborgen. Die größten Wärmelasten erzeugt hier oben, an der windigen und regenreichen irischen Küste, sowieso die Ausstellung selbst.
Der Einraum
Was immer den Besucher umtreibt, das Besucherzentrum zu betreten, er wird seine Bedürfnisse schnell stillen können. Das Innere ist leicht zu überblicken. So monumental das Gebäude von außen auch wirkt – innen offenbart sich seine tatsächlich geringe Dimension. In einer Linie zieht sich die „Fast Route“ durchs Gebäude, die staufrei zum Ziel, dem Ausgang hinab zum Causeway, leitet. Linkerhand liegen Cafeteria, Shop und Ausstellung, rechts, unter der Rampe, die Nebenräume. Der Boden ist dem Gelände folgend terrassiert, mit der Ausstellung ganz oben. Deren Gestalter haben das Oberlicht hier kurzerhand abgeklebt. Dass die Architekten darüber nicht glücklich sind, ist nachvollziehbar. Doch ist das Opfer nicht umsonst – die Sage von Fionn erhält so als wandfüllende Filmprojektion ein ungleich größeres Gewicht als die neuere wissenschaftliche Erklärung des Causeway: Diese versteckt sich als etwas umständliche Dia-Schau in einem PC.
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