Bauwelt

Bishop Edward King Chapel


Für Studenten und Schwestern


Text: Brinkmann, Ulrich, Bonn


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    Foto: Niall McLaughlin

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Die Bishop Edward King Chapel in Cuddesdon dient als Lehrraum des Ripon College und als Andachtsraum der Sisters of Begbroke. Inspiriert wurde der Architekt Niall McLaughlin auch durch die Schriften und Bauten von Rudolf Schwarz.
Das Dorf Cuddesdon in der englischen Grafschaft Oxfordshire liegt gut sechs Meilen östlich der Universitätsstadt Oxford auf einer Anhöhe inmitten einer sanft hügeligen, ländlichen Kulturlandschaft. Schon von weitem ist der stumpfe Turm der alten Dorfkirche sichtbar. Dank der vielen Verbindungen von Cuddesdon zur anglikanischen Church of England wird der Ort auch „Holy Hill“ genannt; „the presence of the church has been more strongly felt than perhaps anywhere else in England“, schreibt Mark Chapman in seiner „History of Christianity in Cuddesdon“. Ein wichtiger Grund dafür ist das Pries­terseminar am Nordrand des Dorfs: Das Ripon College ist die größte Ausbildungsinstitution der Church of England überhaupt. Im Jahr 1854 von Samuel Wilberforce, damals Bischof von Oxford, gegründet, wurden ihre Gebäude von keinem Geringeren als George Edmund Street (1824–1881) geplant. Street, einer der Hauptvertreter des Gothic Revival, in dessen Büro Mitte der 1850er Jahre übrigens auch die Arts-and-Craft-Mitbegründer Philip Webb und William Morris arbeiteten, entwarf auch eine Kapelle für das College; sie liegt im Obergeschoss eines der Häuser und tritt nach außen nicht in Erscheinung. Ganz anders die neue Bishop Edward King Chapel – sie steht im Zentrum des Campus, der Zufahrt von der Dorfstraße direkt gegenüber. Der vom Londoner Architekturbüro Niall McLaughlin geplante Bau könnte dafür sorgen, dass künftig auch Architekten den Weg nach Cuddesdon finden. Denn ne­ben seiner klaren Konzeption und sorgfältigen Detaillierung ist das Gebäude auch typologisch interessant.
Der doppelt gepolte Raum
Die Kapelle eines englischen College ist ein eigener Bautypus, wie man ihn allein schon in Oxford anhand zahlreicher Beispiele studieren kann. Ihr Grundriss ähnelt dem Chor einer Stiftskirche, in dem sich die Ordensmitglieder in zwei Blöcken gegenübersitzen, von den Laien durch einen Lettner geschieden. Das Gebäude in Cuddesdon nun fungiert aber nicht nur als Kapelle des College, sondern auch als Kirche für einen Orden, und zusätzlich stehen beide Glaubensgemeinschaften auch noch für unterschiedliche Praktiken des anglikanischen Gottesdiensts. Für die angehenden Priester, die der evangelikalen Strömung innerhalb der anglikanischen Kirche angehören – diese wird auch „Low Church“ genannt –, steht das Wort im Zentrum des Geschehens und mithin das Lesepult. Wenn sich hingegen die Sisters of Begbroke zum Gottesdienst versammeln, welche der katholisch orientierten „High Church“ der anglikanischen Kirche anhängen, steht die Liturgie im Zentrum und mithin der Altar. Die beiden Prinzipalstücke stehen einander auf der Längsachse der Grundriss-Ellipse gegenüber; das Pult auf Höhe des Haupteingangs, der Altar auf Höhe der kleinen Gebetskapelle der Schwestern, die im Südwesten an den Hauptraum angeschlossen ist. Die Ordensangehörigen, zuvor in Oxford zu Hause, hatten vor einigen Jahren entschieden, ihren Sitz nach Cuddesdon auf das College-Gelände zu verlagern, und den Bau der 2,6 Millionen Pfund teuren Kapelle finanziert; die alte allein wäre schlicht zu klein gewesen für die neue, größere Gemeinschaft. Der Bau eines kleinen Stifts für den Orden im Anschluss an die Sakristei ist bereits geplant.
Während des Wettbewerbs für den Neubau der Kapelle, den das Royal Institute of British Architects im Jahr 2009 ausgelobt hatte, befasste sich Niall McLaughlin auch mit den Schriften des deutschen Kirchbaumeisters Rudolf Schwarz (1897–1961). Die ursprünglich 1958 erschienene englische Übersetzung seines in Deutschland bereits zwanzig Jahre zu­vor publizierten Buchs „Vom Bau der Kirche“ – „The church incarnate“– ist als Nachdruck inzwischen wieder erhältlich.
Auge und Hand
Zwei Begriffe aus Schwarzens Schrift spielen im Entwurf eine zentrale Rolle: das Auge und die Hand. Das Auge ist für Schwarz „die tiefe und offene Antwort des Menschen auf das strahlende Licht“; Bild des Leibes für das Gründen des mensch­lichen Daseins auf Begegnung. In der Kapelle in Cuddesdon findet es sich im elliptischen Grundriss widergespiegelt. Die Hand hingegen erscheint Schwarz als die lineare, schlanke und gegliederte Antwort des menschlichen Leibes auf Masse und Schwere, die sie durch prüfenden Druck oder Zug erforscht. Im Inneren der Kapelle soll sie aufscheinen im Linienwerk der gotisch anmutenden Brettschichtholzkonstruktion aus Fichte. Die beiden etwa von Ungers immer wieder angeführten Urformen des Bauens, Pantheon und Parthenon, entsprechen letztlich diesen „Leibesbildern“. „Hohlkugel in Bezug auf das Licht, lineares Gerüst in Bezug auf die Schwere“ – damit ist der Mensch von der Architektur also zugleich in der himmlischen und irdischen Orientierung seines Lebens angesprochen.
Als weitere Inspiration führt der Architekt das Gedicht „Lightenings viii“ von Seamus Heaney an. In ihm erscheint über einer Gruppe von betenden Mönchen plötzlich ein Schiff in der Luft; das englische Wort „nave“ aber bezeichnet nicht nur ein (Kirchen-)Schiff, sondern auch die Nabe eines Rades, das stille Zentrum einer Drehbewegung. Der in die Erde eingelassene Raum innerhalb der von der Holzkonstruktion gebildeten „Lichtung“ und die kielförmige Dachuntersicht, die eine Linie zwischen Altar und Lesepult zieht, spielen darauf an.
Schließlich: Gottfried Semper. Seine Gedanken zum Verhältnis von Konstruktion und Bekleidung regten die äußere, die „Lichtung“ umgebende Wandschale aus Kalkstein an. Sie wurde einem Webmuster ähnlich gemauert; die bruchrau belassenen Köpfe der gelblichen Steine führen die Plastizität der Fassade bis in die Nahsicht fort. Innen ist die Außenwand weiß verputzt, sie reflektiert das durch das Oberlichtband hell einfallende Tageslicht und soll den Versammlungsraum jenseits der Stützen symbolisch ins Unendliche öffnen. An die umgebende Wirklichkeit hingegen wendet sich das Innere lediglich mit einem Fenster, das sich auf der Westseite aus der Fassade stülpt – es wurde exakt in einer Lücke im Kranz der alten Bäume platziert, die die Kapelle umstehen.
 Farbiges Licht hatte für den Architekten im Inneren nichts zu suchen, so sehr sich die Schwestern das auch wünschten. Doch wer bei Sonnenschein das Gebäude betritt, wird unweigerlich der Spektralfarbtupfer gewahr, die über die Stützen und im Umgang auf der Nordseite zu tanzen scheinen – die geschliffenen Unterseiten der Lüftungsfenstergläser im Obergaden sind für diese Brechung des Lichts verantwortlich. Die Schwestern seien glücklich über dieses unverhoffte Geschenk, erzählt Niall McLaughlin, und er habe seinen Frieden damit gemacht. 
So unmittelbar verständlich die Konzeption der Kapelle auf den Betrachter auch wirkt, so hatten die Planer doch eine Reihe kniffliger Punkte zu lösen. „Lichtung“ und Hülle, vertikale Konstruktion und Grundrissellipse etwa mögen ja vonein­ander getrennt und in ihrer jeweiligen Geometrie autonom sein, doch gibt es Berührungspunkte, wo beides aufeinander-trifft, um Last abzuleiten und Aussteifung zu gewinnen: im Oberlichtband. Am Computer waren diese Punkte geometrisch nicht zu überblicken, sie mussten, als irdisches Problem, folgerichtig von Hand an Modellen entwickelt werden.



Fakten
Architekten Niall McLaughlin Architects, London
Adresse Wheatley Rd Oxford OX44 9EX Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 9.2014
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