Blickfang im Bestand
Anttinen Oiva haben unweit des Hauptbahnhofs die neue Hauptbibliothek der Universität Helsinki geplant: eine Arbeit am Stadtbild wie am Charakter einer öffentlichen Einrichtung
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
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Die Bibliothek ersetzt ein Waren- und ein Parkhaus aus den 1970er Jahren. Zur Hauptstraße Kaisaniemenkatu wurde im Erdgeschoss ein Supermarkt untergebracht.
Fotos: Mika Huisman
Die Bibliothek ersetzt ein Waren- und ein Parkhaus aus den 1970er Jahren. Zur Hauptstraße Kaisaniemenkatu wurde im Erdgeschoss ein Supermarkt untergebracht.
Fotos: Mika Huisman
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Wo Kaisaniemenkatu auf Vuorikatu trifft, weitet sich die Fassadenöffnung zu einem kleinen Vorplatz.
Foto: Mika Huisman
Wo Kaisaniemenkatu auf Vuorikatu trifft, weitet sich die Fassadenöffnung zu einem kleinen Vorplatz.
Foto: Mika Huisman
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Die auffällig gegliederte Fassade der Bibliothek fügt sich aufgrund des verwendeten Backsteins dennoch in die Umgebung ein. Blick in die Straße Vuorikatu und auf den Haupteingang der Bibliothek
Foto: Tuomas Uusheimo
Die auffällig gegliederte Fassade der Bibliothek fügt sich aufgrund des verwendeten Backsteins dennoch in die Umgebung ein. Blick in die Straße Vuorikatu und auf den Haupteingang der Bibliothek
Foto: Tuomas Uusheimo
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Die große, parabelförmige Öffnung setzt das Innere mit dem Raum der vorbeiführenden Hauptstraße in Beziehung.
Foto: Tuomas Uusheimo
Die große, parabelförmige Öffnung setzt das Innere mit dem Raum der vorbeiführenden Hauptstraße in Beziehung.
Foto: Tuomas Uusheimo
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Auch zur ruhigen Fabianinkatu hat die Bibliothek mit einem parabelförmigen Bogen und der quadrierten Ziegelfläche einen großen Auftritt.
Foto: Mika Huisman
Auch zur ruhigen Fabianinkatu hat die Bibliothek mit einem parabelförmigen Bogen und der quadrierten Ziegelfläche einen großen Auftritt.
Foto: Mika Huisman
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Das Weiß des Inneren korrespondiert an der Fabianinkatu mit den Putzfassaden der Nachbarbebauung.
Foto: Mika Huisman
Das Weiß des Inneren korrespondiert an der Fabianinkatu mit den Putzfassaden der Nachbarbebauung.
Foto: Mika Huisman
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In der Mitte des Hauses schraubt sich eine Wendeltreppe durch die Freihandbereiche in die Höhe.
Foto: Tuomas Uusheimo
In der Mitte des Hauses schraubt sich eine Wendeltreppe durch die Freihandbereiche in die Höhe.
Foto: Tuomas Uusheimo
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Die Quadrat-Perforierung erinnert im Inneren an die Bildschirmwände in Kontroll- und Überwachungsräumen.
Foto: Mika Huisman
Die Quadrat-Perforierung erinnert im Inneren an die Bildschirmwände in Kontroll- und Überwachungsräumen.
Foto: Mika Huisman
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Wer von der Fabianinkatu die Bibliothek betritt, erreicht sofort den großen Luftraum der Bibliothek.
Foto: Tuomas Uusheimo
Wer von der Fabianinkatu die Bibliothek betritt, erreicht sofort den großen Luftraum der Bibliothek.
Foto: Tuomas Uusheimo
In den 1960er Jahren, als Finnland seine erste Wirtschaftskonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte, brach der Bauwirtschaftsfunktionalismus in das Land ein. So wurden bei neuen Wohnsiedlungen erstmals in großem Umfang vorgefertigte Betontafeln verwendet: Das Ergebnis war häufig schlichte Hässlichkeit. Aber auch das Zentrum der Hauptstadt blieb von Umbrüchen nicht verschont. An mehreren Stellen wurden reich dekorierte Häuser aus dem Historismus durch banale Neubauten ersetzt. Weil angesichts solcher Eingriffe das Erschrecken groß war, kam es zu einem allmählichen Umdenken: Neue Gebäude sollten sich mit eigener Qualität in den baukulturellen Bestand einfügen und dabei möglichst Spuren oder Teile des architekto-nischen Erbes aufnehmen. Ein vorzügliches Beispiel dafür ist die Erweiterung des Warenhauses Stockmann durch das Büro Gullichsen, Kairamo und Vormala aus dem Jahr 1989.
Öffnung zum Alltag
Diesen städtebaulichen Anspruch erfüllt auch die neue Hauptbibliothek der Universität. Das „Kaisa Haus“ genannte Gebäude hat einen Komplex ersetzt, der als grober Fremdkörper im Übergang vom historischen Universitätsviertel zum Geschäftszentrum empfunden wurde: zur Hauptstraße Kaisaniemenkatu hin war es ein aufdringliches Warenhaus aus den 1970er Jahren, an der ruhigen Parallelstraße Fabianinkatu ein mehrgeschossiges Parkhaus. Um vor allem die geisteswissenschaftlichen Bibliotheken der Univer-sität an einem Standort zu konzentrieren, wurde 2008 ein Wettbewerb ausgelobt, den das junge Büro Anttinen Oiva Architects für sich entscheiden konnte. Selina Anttinen und Vesa Oiva hatten 2005 in Oulu den Wettbewerb für eine transportable Kapelle gewonnen und im Jahr darauf ihr Büro gegründet. Ihr Entwurf für die Bibliothek überzeugte auch deshalb, weil sie das durch den Block gesteckte Gebäude an den beiden Straßen ebenso eigenwillig wie eindrucksvoll zur Umgebung geöffnet hatten. Dieser intensive Bezug zum Alltag entspricht dem Selbstverständnis der Universität: Die akademischen Bibliotheken sind auch für das allgemeine Publikum ohne jede Kontrolle zugänglich.
Parabeln im Quadratraster
Vom Warenhaus wie auch vom Parkhaus wurden die Tragwerke für den Neubau weitgehend übernommen. Über den vier Untergeschossen liegt an der verkehrsreichen Kaisaniemenkatu der Eingang zu einem Supermarkt, was bei einem Kulturgebäude zunächst überrascht, aber für eine erfreuliche Belebung der Erdgeschosszone sorgt. Durch eine Freitreppe getrennt, befindet sich ein Geschoss höher der Haupteingang zur Bibliothek. Auf der Rückseite, an der Fabianinkatu, liegt ein weiteres Geschoss höher ihr zweiter Eingang, der somit unmittelbar in die Hauptebene übergeht. Diese drei Eingänge sowie ein riesi-ges Fenster an der Hauptstraße sind als parabelförmige Öffnungen in die quadratisch gegliederten Fassaden aus dunkelbraunem Klinker eingeschnitten. Das die Betonstruktur verkleidende Material verkörpert eine sinnfällige Beziehung zu den umliegenden Geschäftshäusern, die wie eingestanzt wirkenden kleinen Quadratfenster sind ein mutiger Kontrast zu den weit schwingenden Parabeln. Dass der unverwechselbare Bibliotheksbau, ein Blickfang im Quartier, über dem Supermarkt insgesamt sechs Geschosse umfasst, ist somit von außen nicht ablesbar.
Lichterfüllte Räume
Von der Bevölkerung wurde das Kaisa Haus sofort begeistert angenommen. Susanna Aaltonen, die als Kunsthistorikerin in der Bibliothek arbeitet, bevorzugt den zweiten Eingang an der Fabianinkatu. Von dort aus, sagt sie, könne man den Eindruck gewinnen, einen „sakralen Raum“ zu betreten, oder, in heutiger Terminologie, eine „Wow-Erfahrung“ machen. Tatsächlich zeichnet sich das Gebäude auf allen Ebenen durch eine ungewöhnliche Weiträumigkeit aus. Hinzu kommt, dass es während der hellen Jahreszeit von Tageslicht erfüllt ist: Durch große ovale Öffnungen in den Geschossdecken fällt das Licht bis hinab in die unteren Bereiche. Weil in Finnland, so Jorma Mukala, das abstrakte Weiß „eine Art Basislösung“ für die Gestaltung von freundlichen Innenräumen ist, sind auch hier die Wände, Regale und Brüstungen in einem strahlenden Weiß gestrichen, ebenso das Geländer der Wendeltreppe, die sich im Zentrum des Gebäudes nach oben schraubt. Um die Treppe herum erstrecken sich die großen Flächen mit den Freihand-Bibliotheken, während die ruhigen Räume für die Verwaltung, für Forscher und Arbeitsgruppen seitlich angeordnet sind. Außerdem gibt es mehrere Lesebereiche, teilweise mit attraktiven Sichtbeziehungen in die nähere Umgebung. Besonders beliebt bei den Nutzern ist die Dachterrasse an der Fabianinkatu: Von ihr aus reicht der Blick bis zum klassizistischen Zentrum mit dem lutherischen Dom am Senatsplatz.
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