Bauwelt

Das Blaue vom Himmel


Monte Laa ist eine Großsiedlung des 21. Jahrhunderts. Mit einem Mix aus Bauträgern und Architekten sollten Defizite alter Siedlungen vermieden werden. Doch die vermeintliche Erfolgsgeschichte aus Wien hält einer Betrachtung kaum stand


Text: Seiß, Reinhard, Wien


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    Die „Loggien“ an einem Wohngebäude des Architekten Adolf Krischanitz
    Foto: Reinhard Seiß

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    Die „Loggien“ an einem Wohngebäude des Architekten Adolf Krischanitz

    Foto: Reinhard Seiß

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    Ein Abschnitt des Monte-Laa-Parks, entworfen von der US-amerikanischen Landschaftsarchitektin Martha Schwartz
    Foto: Reinhard Seiß

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    Ein Abschnitt des Monte-Laa-Parks, entworfen von der US-amerikanischen Landschaftsarchitektin Martha Schwartz

    Foto: Reinhard Seiß

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    Für den Bau der Wohnsiedlung wurde die Autobahn A23 auf einer Länge von 200 Metern überdeckelt

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    Für den Bau der Wohnsiedlung wurde die Autobahn A23 auf einer Länge von 200 Metern überdeckelt

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    Eine Rückzugsecke für die Kleinen – mit Sandkasten und federndem Postauto
    Foto: Reinhard Seiß

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    Eine Rückzugsecke für die Kleinen – mit Sandkasten und federndem Postauto

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    Öffentliche Räume in Monte Laa: Parken neben Stelzen
    Foto: Reinhard Seiß

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    Öffentliche Räume in Monte Laa: Parken neben Stelzen

    Foto: Reinhard Seiß

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    Sitzen vor der Abluft
    Foto: Reinhard Seiß

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    Sitzen vor der Abluft

    Foto: Reinhard Seiß

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    Wohnen hinter Zäunen
    Foto: Reinhard Seiß

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    Wohnen hinter Zäunen

    Foto: Reinhard Seiß

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    Anwohner in ihrem Gartengehege
    Foto: Reinhard Seiß

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    Anwohner in ihrem Gartengehege

    Foto: Reinhard Seiß

Monte Laa ist keine Großsiedlung im herkömmlichen Sinn, wie sie in den sechziger und siebziger Jahren auch am Stadtrand von Wien entstanden sind: alles von einer Hand geplant, alles wie aus einem Guss realisiert. Ebenso wenig handelt es sich um einen der beklemmenden Hochhaus-Cluster, die in den Neunzigern und in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts den Wienern vor Augen führten, welchen Wohn- und Städtebau private Investoren mit willfährigen Architekten und schamlosen Politikern umzusetzen im Stande sind. Gemessen daran ist Monte Laa, die Bebauung des Laaer Bergs seit 2001, ein geradezu vielfältiges und üppig begrüntes Viertel mit maßvoller baulicher Dichte.
Andererseits sind gleich mehrere Analogien zu klassischen Großsiedlungen – und deren Defiziten – evident. Mit Ausnahme des Bürokomplexes des Baukonzerns PORR, der hinter der Entwicklung steht, ist Monte Laa ein reines Wohnviertel für mittlerweile 5000 Menschen. Das rund 19 Hektar große Areal bietet weder eine öffentliche Verkehrsanbindung, noch eine über das Notwendigste hinausgehende Nahversorgung. Und das, was sich hier heute an Geschäften oder auch Bildungseinrichtungen befindet, folgte erst Jahre nach Bezug der ersten Häuser.
Krasser kann der Unterschied zu dem, was das Wiener Rathaus, die Projektentwickler und selbst die Planer versprachen, kaum ausfallen. Nichts weniger als ein multifunktionales Subzentrum sollte hier entstehen – „mit der kompletten Infrastruktur einer organischen Stadt“. Dabei war der abgelegene Standort aus urbanistischer Sicht nie für einen hochrangigen Siedlungsschwerpunkt vorgesehen. Doch was zählt ein Stadtentwicklungsplan, was ein Verkehrskonzept angesichts der Verwertungsinteressen eines politisch gut vernetzten Grundeigentümers?
Wohnen über der Autobahn
Die PORR-Gründe am Laaer Berg, Herzstück und Ausgangspunkt von Monte Laa, werden von der sechsspurigen Stadtautobahn A23 durchschnitten. Dennoch gelang es dem Unternehmen um die Jahrtausendwende, die Stadtregierung dafür zu gewinnen, sein 90.000 Quadratmeter großes, als Kranlager genutztes Gelände durch eine Änderung des Flächennutzungsplans zu versilbern. Voraussetzung dafür war lediglich die Überplattung der meist befahrenen Straße Österreichs, um die beiden Grundstückshälften miteinander zu verbinden. Allerdings geschah dies nur auf einer Länge von rund 200 Metern: Eine längere Tunnelführung der Autobahn hätte zwar einen besseren Schutz des darüber geplanten Neubauviertels vor Lärm und Abgasen bedeutet, täglich passieren hier bis zu 200.000 Autos, wäre aber mit deutlich höheren Kosten für den Investor verbunden gewesen. So steht heute eben eine 20 Meter hohe Schallschutzwand auf beiden Seiten des Tunnels.
Neben dem politischen Rückenwind konnte sich der Baukonzern auch auf 36 Millionen Euro öffentlicher Wohnbauförderung und auf die Mitwirkung bekannter Architekten verlassen. Den Masterplan des neuen Viertels schufen Hans Hollein und Albert Wimmer, die als Zugpferd für die Vermarktung des Projekts einen 110 Meter hohen Doppelturm vorsahen – mit all den Funktionen, die Monte Laa zu einem urbanen Hot Spot machen sollten. Immobilienexperten war schon damals klar, dass das „weithin sichtbare Wahrzeichen für Monte Laa“ als „neuer Akzent in der Wiener Skyline“ nach Entwürfen Hans Holleins an diesem Standort nicht wirtschaftlich umzusetzen ist. Die bis heute im Zentrum des Stadtteils klaffende Brache bestätigt diese Vermutung. Dennoch nahm die Wiener Stadtplanung dankbar das städtebauliche Konzept des Investors als Vorlage für den Bebauungsplan, der vor seiner Beschlussfassung noch einen externen Fachbeirat passieren musste. Diesem unabhängigen Gremium saß niemand anderer als Hans Hollein vor, dessen Kollegen keinerlei Anstoß an der Errichtung einer „kinder- und jugendgerechten Wohnanlage“ über einer sechsspurigen Autobahn nahm.
Viel Firlefanz und inhaltliche Banalität
Für die seither entstandenen 2100 Wohnungen zeichnet ein bewusst gewollter Mix aus Planern und Bauträgern verantwortlich, der nicht nur für eine typologische und ästhetische, sondern auch für eine qualitative Vielfalt sorgte: Neben Häusern mit attraktiven Gärten, Loggien oder Terrassen und brauchbaren Gemeinschaftsbereichen gibt es Wohnbauten, die einen hoffen lassen, dass die beauftragten Architekten und Landschaftsplaner ihre Aufgabenstellung einfach nur missverstanden haben. Gestalterischer Selbstzweck, der im Wiener Wohnbau der letzten Jahrzehnte zu einer gewissen Konstante geworden ist, steht mitunter einfacheren und besseren Lösungen im Wege. In anderen Fällen wiederum scheint architektonischer Firlefanz die inhaltliche Banalität oder das ökonomische Kalkül kaschieren zu wollen. Beim Gebäude von Adolf Krischanitz wurden die den Wohnungen vorgelagerten Freiräume an drei Seiten ummauert, was den Bewohnern ein Gutteil von Ausblick und Sonne raubt, dem Bauträger aber größere Erträge sichert. Aus Balkonen wurden so teurere Loggien. Den meisten Mietern fiel für diese winzigen Räume nichts Besseres ein, als hier ihre Satellitenschüssel zu postieren.
Mindestens ebenso enttäuschend ist der Umgang mit den – für die Vitalität eines Viertels essentiellen – Sockelzonen und mit dem Wohnumfeld. Nicht wenige Bauträger in Monte Laa schotteten ihre Häuser im Erdgeschoss demonstrativ ab und versuchten erst gar nicht, auch nur den geringsten Beitrag für einen attraktiven öffentlichen Raum zu leisten.
Andere wiederum verzichteten ganz auf das ungeliebte, weil schwer verwertbare Erdgeschoss und stellten ihre Baukörper auf Stützen, wie im Fall eines Wohnbaus von Elsa Prochazka. Die Architektin begründete die Gestaltung mit einer „Torsituation für das Quartier“ und einem wetterunabhängigen Spielplatz für Kinder, auch wenn das Erdgeschoss eher Erinnerungen an dunkle Kellerräume weckt. Ein Bauträger führte diesen Ansatz konsequent zu Ende und sparte sich kostspielige Tiefgaragenplätze. Stattdessen lässt er unter einem aufgeständerten Wohnhaus Autos parken – in offenbarer Verkennung der Intentionen des Architekten Albert Wimmer, der „unter bunten, tanzenden Säulen im Erdgeschoss einen architektonischen Märchenwald“ zaubern wollte, ein Ort, der „Entspannungs- und Spielzonen sowie Gemeinschaftseinrichtungen originellen Platz bietet.“ Dort, wo Lebensqualität und Wohnzufriedenheit in Monte Laa tatsächlich spürbar werden, haben sich entweder die Bauträger vom Mindeststandard des sozialen Wohnbaus abgehoben – wie etwa bei der genossenschaftlichen Wohnanlage in der Collmanngasse, wo es ein gemeinschaftliches Schwimmbad gibt –, oder aber die Bevölkerung selbst hat die Aufwertung ihres Quartiers in die Hand genommen – in einem Gemeinschaftsgarten zieht eine Gruppe von Bewohnern seit 2011 Obst und Gemüse.
Dies alles kann ein Grundübel des Wiener Wohn- und Städtebaus nicht korrigieren: Das Denken der Planer und Bauherren endet im Regelfall an der jeweiligen Grundstückgrenze. Weder sehen die Bauträger einen Mehrwert darin, ihre Projekte aufeinander abzustimmen, noch nahm die Wiener Stadtplanung diese Verantwortung wirksam wahr – was am Laaer Berg zu mitunter absurden räumlichen und gestalterischen Situationen führte. Zumindest darin waren die Großsiedlungen vergangener Tage Gebäude-Konglomeraten wie Monte Laa voraus: Es gab so etwas wie eine gemeinsame Verantwortung für das Ganze. Gemeinsame PR, egal wie viel, kann dies nicht ersetzen.



Fakten
Architekten Krischanitz, Adolf, Wien/Zürich; Schwartz, Martha, Cambridge/London; Hollein, Hans (1934-2014); Wimmer, Albert, Wien
Adresse Moselgasse 12/2/1 1100 Wien


aus Bauwelt 40-41.2014
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