Das Paradies von Buckow
Vor einem Vierteljahrhundert eingezogen, fühlen sich die Mieter in Fritz Matzingers Wohnanlage am Berliner Ibisweg noch immer vom Schicksal begünstigt
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
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1992 Die Wohnungen, die über der Parkgarage beginnen, haben ihre Gärten auf dem Sockel. Der unterschiedliche Bewuchs lässt die beiden Häuser ein Vierteljahrhundert nach ihrem Bezug individuell wirken.
Foto: Ulrich Brinkmann
1992 Die Wohnungen, die über der Parkgarage beginnen, haben ihre Gärten auf dem Sockel. Der unterschiedliche Bewuchs lässt die beiden Häuser ein Vierteljahrhundert nach ihrem Bezug individuell wirken.
Foto: Ulrich Brinkmann
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Zwei Atriumhäuser, in Gesamtgrün gebettet
Zwei Atriumhäuser, in Gesamtgrün gebettet
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Luftbild: Archiv Matzinger
Luftbild: Archiv Matzinger
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Parallel zur Straße verbindet ein gepflasterter Weg die Atrien der beiden Matzinger-Häuser miteinander und mit den anschließenden Häusern der Siedlung.
Foto: Gregor Graf
Parallel zur Straße verbindet ein gepflasterter Weg die Atrien der beiden Matzinger-Häuser miteinander und mit den anschließenden Häusern der Siedlung.
Foto: Gregor Graf
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Das Atrium im westlichen, roten Gebäude
Foto: Gregor Graf
Das Atrium im westlichen, roten Gebäude
Foto: Gregor Graf
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Kühler wirkt das Atrium im blauen Haus. Selten nur sei die Reinigung des Glasdachs nötig, so ein Mieter
Foto: Gregor Graf
Kühler wirkt das Atrium im blauen Haus. Selten nur sei die Reinigung des Glasdachs nötig, so ein Mieter
Foto: Gregor Graf
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Das Dachgeschoss konnten die Mieter der über mehrere Ebenen reichenden Wohnungen je nach Bedarf selbst ausbauen
Foto: Gregor Graf
Das Dachgeschoss konnten die Mieter der über mehrere Ebenen reichenden Wohnungen je nach Bedarf selbst ausbauen
Foto: Gregor Graf
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Die in den gemeinsamen Außenraum eingebetteten Privatgärten sind heute abgetrennt
Foto: Gregor Graf
Die in den gemeinsamen Außenraum eingebetteten Privatgärten sind heute abgetrennt
Foto: Gregor Graf
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Die Garage wird über kanonenrohrartige Öffnungen belichtet und belüftet
Foto: Ulrich Brinkmann
Die Garage wird über kanonenrohrartige Öffnungen belichtet und belüftet
Foto: Ulrich Brinkmann
Nach Gropiusstadt ist es nicht weit, und auch zu Tauts Hufeisensiedlung sind es nur drei Stationen mit dem Bus. Die eine berüchtigt, die andere gerühmt, werden diese beiden Beispiele Berliner Massenwohnungsbaus in der gegenwärtigen Wohnungsnot und angesichts der Planungen des Senats für neue Großsiedlungen wieder öfter angeführt, sei es, um vor Fehlentwicklungen zu warnen, sei es, um nötige Mindeststandards zu bestimmen. Für die Frage, welche Qualitäten im Berliner Mietwohnungsbau heute erreichbar sind oder wenigstens avisiert werden sollten, lohnt aber auch der Blick zum Ibisweg, auf die kleine Wohnanlage, die der Linzer Architekt Fritz Matzinger Anfang der neunziger Jahre, als der Berliner Wohnungsbau in Erwartung gewaltiger Wachstumsschübe das letzte Mal boomte, als sozialen Wohnungsbau im Auftrag der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft 1892 realisiert hat. Die „1892“ hat die Größe einer veritablen Kleinstadt, mit heute gut 14.000 Mitgliedern und einem über das ganze Stadtgebiet verteilten, die Geschichte des modernen Wohnbaus widerspiegelnden Bestand von knapp 7000 Wohnungen.
Bei der Wohnanlage von Matzinger handelt es sich, wie könnte es anders sein, um einen Vertreter seines „Palétuviers“-Konzepts, von dem etliche andere Beispiele in diesem Heft zu finden sind. Auch in Buckow sind, wie bei seinem ersten derartigen Projekt 1974 in Linz, zwei Atriumhäuser auf quadratischem Grundriss entstanden, in einer gemeinsamen Grünanlage, die auch private Gärten beinhaltet. Der Freiraum setzt sich in nordöstlicher Richtung fort bis zum Ortolanweg, wo die Genossenschaft weitere Gebäude errichtet hat, von anderen Architekten geplant, aber ebenfalls mit Ambition: Von der Seniorenwohnanlage, die 1977 den Auftakt bildete, über das „Kommunikative Wohnen“, das zu Beginn der neunziger Jahre die Entwürfe leitete, bis hin zum „Offensiven Altern“, einem generationsübergreifenden Frauenprojekt, das 1998 den Abschluss der nun 379 Wohnungen umfassenden Siedlung bildete: zwanzig Jahre Wohnideen, die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben. Selbst in ihren anders als geplant funktionierenden Bereichen sind die Konzepte lehrreich. Gedacht war es beispielsweise, dass die privaten Gärten in den öffentlichen Grünraum eingebettet sind, doch diese Absicht blieb eine hehre – schon kurz nach dem Einzug begann das Setzen von Hecken, um den Privatraum abzugrenzen und Einblick abzuwehren. Inzwischen mannshoch, konterkarieren diese die in den einzelnen Architekturen wie im Städtebau angelegte Idee der weichen Übergänge und der Siedlungsgemeinschaft.
Doch zurück zu den Häusern von Matzinger. Sie enthalten jeweils zehn Wohnungen von 80 bis 110 Quadratmeter Größe; die meisten reichen über zwei Geschosse und bieten dazu ein ausbaubares Dach, sodass sich jede Gebäudeeinheit auch als ein Zusammenrücken einzelner Familienhäuser um eine gemeinsam nutzbare, mit einem gläsernen Dach überspannte Mitte beschreiben lässt. Abgesehen von den Farben sind die beiden Häuser architektonisch sehr ähnlich, aufgrund ihres unterschiedlichen Bewuchses wirken sie mittlerweile aber doch ganz individuell, wie sie dort am Ibisweg stehen.
„Hier zu wohnen, ist wie ein Sechser im Lotto“, schwärmt Klaus Korselt. Er ist einer jener Bewohner, die 1992 eingezogen und bis heute geblieben sind – etwa die Hälfte der Erstmieter hätten im Lauf der Jahre die Wohnanlage verlassen, erzählt er, aber nicht aus Unzufriedenheit, sondern weil berufliche Gründe einen Umzug nötig machten oder weil ein Eigenheim gebaut wurde. Die Wohnung seinerzeit zu ergattern, war nicht einfach, die Zahl der Interessenten überstieg die Zahl der Wohnungen bei weitem; es wurden Gespräche geführt zu den jeweiligen Wohnvorstellungen und auch zu Ideen, wie sich der Gedanke der Hausgemeinschaft mit Leben füllen ließe.
Erstellt wurden die beiden Häuser dann ganz konventionell: Weder mussten die künftigen Mieter mit anpacken, noch kamen, wie bei früher realisierten „Palétuviers“-Anlagen, Vorfertigungs- oder Holzbau-Methoden zur Anwendung, und das Atrium musste aus Brandschutzgründen in Beton statt in Holz ausgeführt werden. Trotzdem fällt der wohnliche Charakter dieses nicht zu großen, nicht zu kleinen Raums dem Besucher sofort auf. Das Atrium wirkt intim, aber nicht eng; von der Galerie, welche die Wohnungen im höheren der beiden Bauteile erschließt, aus denen die Gebäudeeinheit zusammengesetzt ist – unter ihnen liegen Gemeinschafts- und Nebenräume sowie die Gemeinschaftsgarage –, lässt sich das Spielen der Kinder gut überblicken. Die auf halber Höhe sich teilende Treppe, die hinab führt, verleiht dem Raum sogar einen Hauch von Glamour – hier ist durchaus ein „Auftritt“ möglich.
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