Das getrennte Doppelhaus
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Der Bauherr und das Büro L3P Architekten sind in der gleichen Region im Züricher Unterland ansässig. Gemeinsam entwickelten sie das Konzept eines neuartigen Doppelhauses mit offenen Raumfolgen und stählerner Haut. Mit der Zwischenzone auf zwei Ebenen geht man sich geschickt aus dem Weg.
Es gibt immer Gründe, mit baulichen Konventionen in einem langweiligen Wohngebiet zu brechen. Die Vorgeschichte dieses Beispiels im Züricher Unterland ist schnell erzählt: Fredi Duttweiler, ein mit den Architekten L3P befreundeter Bauunternehmer, hatte ein Grundstück in der Ortschaft Oberweningen im Wehntal geerbt und war nun vom Ehrgeiz gepackt, als Bauherr in dieser ländlichen Umgebung etwas Neuartiges zu planen. Durch seine engen Kontakte zu den Architekten wusste er, dass er in ihnen die passenden Partner für das Experiment finden würde. Auch sie sind in der Region zu Hause und kennen sich ebenso gut mit den Ämtern aus wie er. Die zuständige Gemeinderätin zeigte sich offen für das Vorhaben und unterstützte es. Nach ihrer Fertigstellung rufen die Neubauten unter den Oberweningern heftige Reaktionen hervor – positive wie negative.
Die Entwurfsphase war stark vom Modellbau geprägt. Von Beginn an lag der Reiz des Projekts darin, auszuloten, welche Möglichkeiten es gab, auf dem schmalen Grundstück ein dennoch großzügiges Doppelhaus unterzubringen. Klar war, dass die zwei Haushälften wegen der Aussicht ins Tal nicht hinter-, sondern nebeneinander stehen sollten. Aus dieser frühen Festlegung resultierte die Idee, durch das Loslösen beider Hälften den Grundtypus neu zu interpretieren. Trotz ihrer Trennung zeigen die Bauten eine ästhetische wie räumliche Nähe. Die Architekten entwarfen zwischen ihnen eine offene, doch von Einblicken geschützte Zone, die in der Mitte eine Verengung aufweist und durch das jeweilige fensterlose Gegenüber begrenzt wird, so dass sie als erweiterter Raum des Wohnbereichs fungiert. Die auf zwei Ebenen verlaufende Zwischenzone ist als Wasserfläche gestaltet, die sich in den glatten Fassadenflächen spiegelt. Durch die Trennung ergibt sich auch, dass die Häuser mit ihren Längsseiten nicht nur nach Westen bzw. Osten orientiert sind, sondern auch Licht von der anderen Seite erhalten. Als die endgültige Planung der beiden Häuser vorlag, fanden sich relativ schnell zwei Familien als Käufer – zur Zufriedenheit von Duttweiler.
Geheimnisvoll geätzt
Zunächst hatte man daran gedacht, die Bauten in Sichtbeton auszuführen. Dank der zufälligen Bekanntschaft der Architekten mit dem Künstler Thomas Sonderegger kam es aber dann zu der Anregung, für die Fassaden Stahlplatten zu verwenden, die den gewünschten monolithischen Charakter ebenso deutlich hervortreten lassen: Die maximal vier Millimeter schmalen Fugen beeinträchtigen in keiner Weise den Effekt des Blockhaften. Auch bei den Dachschrägen wird die zusammenhängende Wirkung erreicht. Dort sind die Platten außerdem jeweils an zwei Seiten geschuppt angeordnet.
Die Entscheidung für die Stahlplatten fand auch die Zustimmung des Bauherrn, der hier die Chance für ein weiteres Experiment sah. Die von Sonderegger speziell behandelten vollverzinkten Platten sind in dieser Form noch nie für eine Fassadengestaltung genutzt worden. In Bezug auf die Oberflächengestaltung der zwei Millimeter dünnen Platten, die in mehreren Arbeitsgängen mit Säure geätzt wurden, lässt sich Sonderegger nicht in die Karten gucken – es bleibt sein Geheimnis. Fest steht nur, dass mit den Variationen, die der Künstler im Vorfeld in seinem Atelier am Bodensee ausprobiert hat (Seite 17), auch zahlreiche andere Muster möglich wären. Bei der in Oberweningen gewählten Gestalt könnte man von Weitem auch Natursteinplatten vermuten.
Von unnötigem Volumen entledigt
Die Verschiebungen und Knicke in der Geometrie ergeben nicht nur ein spannungsvolles Neben-, sondern auch ein Miteinander beider Bauten. Ohne die jeweils andere Hälfte erklärt sich das gesamte Raumkonzept nicht. Nach den Worten der Architekten fanden sie zu der polygonalen Form, weil sie den Entwurf von „unnötigem Volumen entledigt“ hätten. Auch sprechen sie von einer Neuinterpretation des Krüppelwalmdachs, was verwundert. Dies alles weckt große Erwartungen im Inneren, denn zunächst glaubt man beim Anblick der Häuser, dass es bei der Raumgestalt und -zuordnung zahlreiche Zwänge gegeben haben muss. Dies ist aber nicht der Fall; die Schrägen machen im Inneren sogar Sinn. Bei bestimmten Schrägen haben sich die Architekten zusätzlich etwas einfallen lassen, damit das Gefüge nicht nur ohne Störungen erlebbar ist, sondern die Raumidee noch verstärkt wird. Dies zeigt sich in allen Bereichen der Splitlevel-Häuser. Die Raumzonen fließen durch die geknickten Außenwände stärker zu einer Einheit zusammen, besonders beim direkten Eintritt von außen in den Wohn- und Essbereich mit Küchenzone, der sich mit einem großen raumhohen Eckfenster zum Garten öffnet.
Bei dem im Hang liegenden Wohn- bzw. Arbeitsbereich – auf gleicher Ebene wie die Tiefgarage – hat man nicht den Eindruck von einem Souterrain, da viel Licht hineinfällt, vor allem durch die großen Schächte, von den Architekten „Atrien“ genannt, die vor dem Hauseingang durch Glasplatten und auf der Nordseite durch Webnetze geschützt werden. Solche Netze setzt man gewöhnlich bei der Lawinenhangsicherung ein. Auch die Fensterbänder an den Dachrändern lassen zusätzlich Licht ins Haus (Schnitt Seite 18).
Mit eingestellten, von den Architekten entworfenen Möbelelementen und mit Einbauten wurde im Wohnbereich dem Manko fehlender Stellflächen begegnet. Bei den Räumen unter dem Dach profitieren vor allem die Kinderzimmer von der Gesamtgestalt. Die Raumhöhe lässt eine weitere Ebene zu, und eine nach außen gekippte Wand lädt zu ungewöhnlichen Einrichtungsideen ein. Auch der Schlafraum der Eltern mit hoch aufragendem Pultdach und großem Fenster bietet gestalterische Spielräume. Beim Badezimmer ist ein schlangenartiges Möbel, das sich bei Haus 1 an der schrägen Wand entlang windet, beachtenswert. Es war sehr schwer zu bauen.
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