„Der neue Flughafen hat eine beispiellose Dynamik losgetreten“
Interview mit Baidy Kane
Text: Mühlbauer, Lore, München
Der senegalesische Architekt Baidy Kane verfolgt seit Jahren kritisch den Bau des neuen Flughafens von Dakar. Das internationale Großprojekt ist für die ländliche Region um die Hauptstadt Segen und Fluch zugleich.
Dakar baut, mit deutscher Beteiligung, einen neuen Flughafen. Warum?
Der Flughafen wird aus der Stadt in die 47 km südöstlich liegende Region Diass verlegt. Das soll zum einen diese ländlich geprägte Region besser entwickeln und Impulse setzen. Zum anderen soll es Dakar entlasten, das heute wie viele Städte Westafrikas unter einer urbanen Explosion leidet.
In welcher Beziehung steht Dakar bisher zu seinem Umland?
Stadt und Land sind im Senegal zwei Welten. In Dakar konzentrieren sich große öffentliche und private Unternehmen und die Verwaltungs- und Entscheidungszentren des Staates. Nur hier können die Menschen von öffentlichen Diensten profitieren, die eigentlich für alle Regionen des Senegal arbeiten sollten. Der ländliche Raum ist völlig anders, er hängt stark von der Agrarwirtschaft ab.
Wie groß soll der neue Flughafen werden?
Das Gelände ist 2600 Hektar groß, das Terminal 42.000 Quadratmeter. Es sollen drei Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden können, fast doppelt so viele wie derzeit.
Wer ist der Architekt des neuen Flughafens?
Der Staat hat den Auftrag für Entwurf, Ausführungsplanung und Bauleitung direkt an das tunesische Unternehmen „Groupe Studi“ vergeben. Die Innenarchitektur macht das britische Büro Areen. Für keine Phase gab es eine öffentliche Ausschreibung oder einen Wettbewerb, der einheimischen Büros eine Chance gegeben hätte.
Können Sie den neuen Standort ein wenig beschreiben?
Diass liegt in der Nähe der Naturschutzgebiete Bandia und Popenguine und hat ca. 5000 Einwohner. Das Dorf ist Teil der Region gleichen Namens. Da die Arbeitsmöglichkeiten fast ausschließlich auf die Landwirtschaft beschränkt sind, gehen vor allem Jugendliche nach Dakar. Sie fehlen auf dem Land.
Was ändert sich durch den neuen Flughafen?
Schon die Bauphase, die seit 2007 läuft, verändert den Lebensraum und die lokale Wirtschaft durch den Aufbau von entsprechendem Gewerbe und Infrastruktur. Eine Sonderwirtschaftszone in Diass soll zudem ausländische Investoren anziehen. Auf einer Fläche von fast 15.000 Hektar soll hier ein neuer Entwicklungspol für den Senegal aufgebaut werden. Auf der frei werdenden Fläche des alten Flughafens sind ein Geschäftszentrum für Westafrika und die Finanzsitze großer multinationaler Konzerne geplant. Und der Bau der Autobahn, die Dakar mit dem Flughafen verbindet, hat eine beispiellose Dynamik auf dem Grundstücksmarkt losgetreten.
Wie sieht die deutsche Beteiligung an dem Projekt aus?
Die Gesellschaft Daport, die den Flughafen für die nächsten 22 Jahre betreiben wird, ist zu 100 Prozent Tochter der deutschen Fraport. Sie ist für Planung, Durchführung und Management des Flugbetriebs verantwortlich und vermietet die Flächen. Bei Recherchen über unerlaubte Bereicherungen wurde aber letztens auch entdeckt, dass Fraport nur wenige Aktien hält, 90 Prozent gehören auf dem Papier der kleinen deutschen Gesellschaft „Afriport“ mit Sitz in Luxemburg.
Kann der neue Flughafen die Landflucht stoppen?
Ja. Schon die Ankündigung der Bauarbeiten hatte eine galoppierende Urbanisation ausgelöst. Für viele ist es nun nicht mehr nötig, wegzuziehen, die Stadt wächst an sie heran.
Das Großprojekt ist also ein Segen für die Gegend?
So weit würde ich nicht gehen. Das Projekt macht es teilweise nötig, Menschen umzusiedeln. Sie wurden vier Kilometer vom Flughafen entfernt in neuen Häusern untergebracht, aber ihrer Wurzeln beraubt.
Ist der Flughafen nicht auch ein attraktiver Arbeitgeber?
Wie sollen die Menschen vom Land in den Flughafenbetrieb passen? Daport hat sich verpflichtet, auch Arbeitsplätze ohne besondere Qualifikation zu schaffen. Aber Unstimmigkeiten haben dazu geführt, dass die ursprüngliche Vereinbarung zwischen dem Staat und Daport aufgelöst wurde. Zumindest arbeitet die übergeordnete Flughafengesellschaft AIBD mit der Nationalen Agentur für Landwirtschaft zusammen, um den Bauern den Aufbau von Erwerbsstrukturen wieder zu ermöglichen.
Wie sind ihre Prognosen für die Entwicklung der Region?
Neben den sozialen Problemen wird es viele negative Auswirkungen auf die Umwelt geben. Nicht nur durch Flugverkehr und den damit verbundenen Straßenverkehr. Auch biologische Vielfalt geht verloren, denn fast die Hälfte des Waldes von Diass, ca. 910 Hektar, wird zerstört. Die Gefahr von Hochwasser durch die Flächenversiegelung wächst. Die hohe Zuwanderung erfordert bessere Maßnahmen der Wasser- und Abwasserwirtschaft. Es ist gut vorstellbar, dass sich illegale Siedlungen bilden und wir eine intensive Verstädterung ohne ausreichende Begleitmaßnahmen erleben werden. Eine geordnete Entwicklung der Region mit entsprechender Infrastruktur für die Bevölkerung würde so von Anfang an verhindert.
Was müsste passieren?
Eine einseitig wirtschaftsorientierte, spontane Be- und Zersiedelung darf einer geregelten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Region nicht im Weg stehen. Um positive Impulse für den Senegal und die Region um Diass zu setzen, muss ein Umzugsplan mit entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen sowie ein Sozialplan der Flughafengesellschaft den Bau der Infrastruktur für die soziale Grundversorgung – also Ärzte, Schulen, etc. – sichern.
Wann soll der Flughafen fertig werden?
Ursprünglich war 2010 angekündigt. Die Landebahnen sind fertig, das Terminal ist im Bau. Fraport geht von einer Inbetriebnahme im Jahr 2015 aus. Wenn ich mir den Baufortschritt anschaue, kommen mir da Zweifel. Man hatte uns auch schon ein Ende der Arbeiten für 2012 versprochen.
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