Bauwelt

Der spanische Pavillon 1937


Guernica im spanischen Pavillon


Text: Jung, Carmen, Berlin; Worbs, Dietrich, Berlin


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    Foto: Ministerio de Educación, Cultura y Deporte, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid

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Auf der Weltausstellung 1937 in Paris bauten Luis Lacasa und Josep Lluís Sert mitten im Bürgerkrieg den Pavillon für die Spanische Republik. Die Regierung wollte die internationale Öffentlichkeit auf die Leiden des spanischen Volkes aufmerksam machen und sie für die demokratische Sache der Republik gewinnen.
Wenn man in Madrid im Museo Reina Sofía Picassos „Guernica“ bewundert hat, wird man im angrenzenden Saal das Modell des spanischen Pavillons auf der Pariser Weltausstellung sehen, in dem 1937 das große Bild Picassos gezeigt worden war. Nicht nur Guernica, auch der Pavillon hat größtes Aufsehen erregt, – als herausragender Bau der modernen spanischen Architektur und als politisches Lebenszeichen der Spanischen Republik im Bürgerkrieg.
Vor 75 Jahren eröffnete der Botschafter der Spanischen Republik den Pavillon seines Landes auf der Internationalen Ausstellung der Künste und Technik in Paris. Damals befand sich Spanien seit einem Jahr im Bürgerkrieg: Der Putsch der Generäle vom 18. Juli 1936 gegen die gewählte Volksfront-Regierung war nach wenigen Tagen in den meisten großen Städten Spaniens niedergeschlagen worden. Aber mit Hilfe der Interventionstruppen Hitlers und Mussolinis konnte Franco allmählich von Süden und Norden her einen Teil Spaniens besetzen. Die Eroberung Madrids durch Franco im November 1936 scheiterte am erbitterten Widerstand der Republikaner. Die Armee der Republik konnte für einige Zeit die Situation einigermaßen stabilisieren. Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Regierung im Februar 1937, an der Weltausstellung in Paris von Mai bis November teilzunehmen, um die Öffentlichkeit für die Sache der Republik zu gewinnen. Die Planung des Pavillons wurde den jungen Architekten Luis Lacasa und Josep Lluís Sert anvertraut.
Die beiden Architekten gehörten zur ersten Generation moderner, rationalistischer Entwerfer in Spanien. Luis Lacasa (1899–1966) studierte an der Architekturschule in Madrid. Nach seinem Diplom 1921 reiste er nach Deutschland, besuchte das Bauhaus in Weimar und vertiefte seine urbanistischen Kenntnisse im Stadtplanungsbüro von Dresden. Nach seiner Rückkehr begann er Mitte der zwanziger Jahre mit ersten größeren Arbeiten: Er baute das Provinz-Krankenhaus in Toledo, das Nationale Institut für Physik und Chemie sowie ein Studentenwohnheim in Madrid. 1933 gründete er zusammen mit anderen die Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion in Spanien. 1939, nach dem Ende des Bürgerkriegs, emigrierte er in die Sowjetunion und nahm eine Professur am Moskauer Architektur-Institut an. Der Versuch einer Rückkehr nach Spanien im Jahr 1960 scheiterte, er wurde für immer ausgewiesen und starb in Moskau.
Josep Lluís Sert (1902–1983) studierte an der Architekturschule in Barcelona und ging nach seinem Studienabschluss 1929 für ein Jahr zu Le Corbusier. 1929 nahm er an der zweiten CIAM-Tagung in Frankfurt am Main als Vertreter Spaniens teil. Nach seiner Rückkehr gründete er 1930 in Barcelona die Künstler- und Architektenvereinigung GATCPAC, die sich der CIAM anschloss. In den frühen dreißiger Jahren errichtete er in Barcelona ein großes Maisonette-Wohnhaus und die Tuberkulose-Ambulanz. Nach dem Ende des Bürgerkriegs musste auch Sert emigrieren: Er ging 1939 in die USA und begann eine Welt­karriere als Architekt und Stadtplaner, er war Präsident des CIAM von 1947 bis 1956 und Nachfolger von Walter Gropius an der Harvard Graduate School of Design von 1953 bis 1969. Er konnte nach Spanien zurückkehren und 1975 die Fundació Miró bauen.
Der Bau der Pavillons
Der Bauplatz des Pavillons im Jardin du Trocadéro war ungewöhnlich: In unmittelbarer Nachbarschaft erhob sich der riesige deutsche Pavillon von Albert Speer, der mit dem sowjetischen Bau von Boris Jofan am Seine-Ufer das monumentale Tor zum Gelände unterhalb des Palais de Chaillot bildete. Von Norden her umfasste der Pavillon des Vatikans den spanischen Bau. Der Standort im Dreieck zwischen den Repräsentionsbauten des „Dritten Reichs“, der Sowjetunion und des Vatikans zeigte symbolisch die Situation der Spanischen Republik.
Lacasa und Sert entschlossen sich angesichts der bedrängten Lage der Republik, einen bescheidenen Pavillon zu errichten: einen leichten, dreigeschossigen Stahlskelettbau, dessen einladend offenes Erdgeschoss in einen geräumigen Patio mit Bühne und Bar führen sollte. Gebaut wurde ein dreiständriges, achtachsiges Stahlskelett mit einer Grundfläche von 11 x 30 Metern auf einem niedrigen Natursteinsockel, der das ansteigende Gelände ausglich. Die Stützen und Träger der Konstruktion blieben sichtbar. Die Stirnwände waren geschlossen, um die Skelettkonstruktion auszusteifen. Die südliche Stirnwand nahm eine Fotomontage zum Fortschritt im Schulbau auf. An den Längsseiten wies jedes Geschoss eine andere Fassaden­ausbildung auf: Das offene Erdgeschoss war außen nur durch niedrige, verschiebbare Lattenwände von der Umgebung abgeschrankt; das erste Obergeschoss zeigte eine in voller Höhe durchlaufende Verglasung, die das Licht ins Innere des Pavillons einließ; das zweite Obergeschoss war bis auf ein hochliegendes Lüftungsband für das Kaltdach durch Welleternitplatten geschlossen, das Licht für dieses Geschoss fiel durch Dach-
oberlichter ein.
Südlich des Eingangs erhob sich die 12 Meter hohe, abstrakte, von einem Stern bekrönte Skulptur von Alberto Sánchez „Das spanische Volk hat einen Weg, der zu einem Stern führt“ – eine poetische, aber klare politische Aussage des Künstlers. Nördlich des Eingangs stand die lebensgroße Eisenskulp-tur der „Montserrat“ von Julio González, die Figur einer anklagenden jungen katalanischen Bäuerin mit dem Kind auf dem linken Arm und der Sichel in der rechten Hand. Beide Skulpturen wiesen auf das demokratische Projekt der Republik hin, das durch den Bürgerkrieg gefährdet war.
Die Architekten bildeten den Pavillon mit seiner Mittelstützenreihe im Inneren als zweischiffigen Bau aus. Im Erdgeschoss war die Mittelstütze vor der südlichen Stirnwand weggelassen worden, um den Besuchern freiere Sicht auf Picassos riesiges Bild „Guernica“ (3,50 x 7,80 Meter) zu gewähren. Anlass für Picassos Bild war der Angriff der Legion Condor der deutschen Luftwaffe am 26. April 1937 auf das baskische Guernica, der erste Terrorangriff auf die Zivilbevölkerung einer Kleinstadt ohne militärische Bedeutung. Picasso malte das Bild im Auftrag der Regierung von Mai bis Juni 1937 für den spanischen Pavillon. Das Gemälde erlangte Weltruhm als Ikone des Leidens der Opfer aller Kriege im 20. Jahrhundert. „Guernica“ kam erst 1981 nach dem Ende der Franco-Diktatur nach Spanien.
Alexander Calder baute seinen „Quecksilberbrunnen“ in der Mitte des Erdgeschosses auf, ringsherum von einem Geländer umgeben; die Regierung hatte sich einen solchen Brunnen gewünscht, um auf die reichen Bodenschätze Spaniens hinzuweisen. Calder ließ aus einer Röhre das flüssige Metall in eine Folge von Schalen laufen, von deren unterster das Quecksilber ein Mobile in Bewegung setzte. Der Brunnen erregte große Beachtung. Im Nordteil des Erdgeschosses waren Regale und Verkaufstische für die neue spanische Literatur aufgestellt. An der Wand hing in einer Vitrine ein Foto von Federico García Lorca, der 1936 von Falangisten erschossen worden war. Eine schmale Treppe führte ins Untergeschoss, in dem sich der Tank und die Pumpe für den Quecksilberbrunnen befanden.
Im Erdgeschoss öffneten sich zwischen den Stützen breite Durchgänge in den Patio des Pavillons, den im Hintergrund eine erhöhte und überwölbte Bühne für Konzerte und Theateraufführungen abschloss. Einen alten Baum, der nicht gefällt werden durfte, bezogen die Architekten in die Bühne ein. Hinter der Bühne war ein Projektionsraum für Filmvorführungen angebaut. Luis Buñuel war der Filmkommissar des Pavillons; er zeigte Dokumentarfilme, historische und aktuelle. Rechter Hand schlossen eine erhöhte Estrade mit einer Bar und eine Mauer mit zwei vergitterten spanischen Fenstern den Patio ab. Zwischen dem ersten Obergeschoss und dem Bühnenhaus war an Drahtseilen hängend ein breites, verschieb­bares Velum ausgespannt, das den Zuschauern im Patio Schatten spendete. Linker Hand führte eine steile Rampe in einer Haarnadelkurve zu einer Treppe, die vor dem zweiten Ober­geschoss auf einem Podest endete. Von hier aus konnten die Besucher die Ausstellung in den beiden Obergeschossen, die im Zeichen des Bürgerkriegs stand, von oben nach unten durchlaufen.
Im zweiten Obergeschoss waren Gemälde, Grafiken und Skulpturen spanischer Künstler ausgestellt. Die Wände dieses Geschosses waren geschlossen, um möglichst viel Wandfläche zur Verfügung zu haben. Durch die Oberlichter fiel schattenloses Licht, das Plastiken und Bilder gleichmäßig erhellte. Entlang der Mittelstützenreihe waren Stellwände angeordnet. Vor der südlichen Giebelwand war die Decke über dem ersten Obergeschoss in der Breite einer Achse geöffnet, sodass sich das zweite Obergeschoss als Galerie in einen zweigeschossigen Raum hineinschob. Die breite Deckenöffnung ermöglichte die Anbringung einer sieben Meter hohen gläsernen Karte Spaniens an der Stirnwand. Die Ausstellung leitete den Besucher weiter durch eine Präsentation von Volkskunst zur nördlichen Giebelwand, an der eine breite Treppe ins erste Obergeschoss hinabführte. Der Besucher lief treppab auf das vertikale Wandbild „Der katalanische Bauer in der Revolution“ (5,50 x 3,60 Meter) zu, das Joan Miró während des Baus auf die Wand im Treppenhaus gemalt hatte. Dieses Bild wurde vor dem Abbruch des Pavillons im Februar 1938 abgenommen und ist seither verschollen.
Mit einer Viertelwendung trat der Besucher in das erste Obergeschoss. Hier waren Erzeugnisse des Landes, vor allem aber Reformprojekte der republikanischen Regierung in der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitswesen ausgestellt, die der Maler Josep Renau auf großen Schautafeln und Fotomontagen als Beispiele für die Modernisierung und Demokratisierung des Landes während des Bürgerkriegs darstellte. Auch in diesem Geschoss bewegte sich der Besucher in einer Schleife entlang der Stellwände um die Mittelstützenreihe herum bis zur großen Spanien-Karte und dann zum Ausgang und zur Außentreppe, die vom ersten Obergeschoss zur Gartenanlage zwischen den Länderpavillons hinunterführte. Neben der Treppe wehten an Fahnenstangen die Flaggen der Republik und der beiden autonomen Regionen Katalonien und Baskenland.
Der spanische Pavillon fand wegen der modernen Gestaltung, der ausgestellten Bilder und Skulpturen und der politischen Reformprojekte starke Beachtung auf der Internatio­nalen Ausstellung in Paris, die dem Frieden gewidmet war, in einem Europa, das auch schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs alles andere als friedlich war.
Form und Inhalt
Die Organisatoren und die Architekten des Pavillons nutzten die Möglichkeit, die die Internationale Ausstellung bot, um durch die Gestaltung des Gebäudes und die Darbietung seiner Inhalte – Kunstwerke und politische Reformprojekte – für eine moderne, demokratische Republik zu werben. Der Bau war als promenade architecturale konzipiert. Das ließ sich bei einem Ausstellungsbau erwarten. Aber wie war sie inszeniert? Entscheidend für die architektonische Qualität des Pavillons war die Inszenierung der Wegführung, der Belichtung, der Raumbildung, die die Architekten beim Entwurf sorgfältig auf das Ausstellungskonzept abstimmten. Schon die schräg angeordnete Treppe vor dem Gebäude lud mit den begleitenden Skulpturen zum Besuch in den Pavillon ein, Picassos „Guernica“ fiel dem Eintretenden sofort ins Auge, Calders „Quecksilberbrunnen“ faszinierte und leitete in den Hintergrund zum Literaturstand und hinaus in den Patio. Unter dem Velum erwies sich für den Besucher die seitlich ansteigende Rampe als der einzige Weg, der ihn in die Obergeschosse weiterführte.  
Die Architekten Lacasa und Sert hatten einen Ausstellungsbau geplant, der den Besuchern über eine räumlich überraschungsreich inszenierte Wegeführung die Werke spanischer Künstler und die Pläne republikanischer Politiker während der ersten Phase des Bürgerkriegs nahebrachte. Diese ganz der repub­-
likanischen Idee verpflichtete Rauminszenierung in ei­nem bescheidenen Bau, den die engagierten Architekten in kurzer Zeit entworfen und dem Kampf für die Modernisierung und Demokratisierung des Landes gewidmet hatten, machte den künstlerischen Rang des spanischen Pavillons von 1937 in Pa­ris aus.



Fakten
Architekten Lacasa, Luis (1899–1966); Sert, Josep Lluís (1902–1983)
aus Bauwelt 9.2013
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