Eine Insel der Ruhe
K2S Architects haben mit der Kamppi Kapelle in Helsinki eine konstruktive Pioniertat gewagt – einen vergleichbar gekrümmten Körper hatte es im Holzbau bis dahin noch nicht gegeben
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
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Die Kapelle befindet sich im Zentrum von Helsinki, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Links vorne der berühmte „Glaspalast“ aus dem Jahr 1936
Foto: Tuomas Uusheimo
Die Kapelle befindet sich im Zentrum von Helsinki, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Links vorne der berühmte „Glaspalast“ aus dem Jahr 1936
Foto: Tuomas Uusheimo
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Der Sockel aus Stahlbeton öffnet sich ...
Foto: Tuomas Uusheimo
Der Sockel aus Stahlbeton öffnet sich ...
Foto: Tuomas Uusheimo
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... über eine große verglaste Öffnung zum Platz.
Foto: Marko Huttunen
... über eine große verglaste Öffnung zum Platz.
Foto: Marko Huttunen
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Das Tragwerk aus formgefrästen Leimholzträgern wurde auf der Innenseite mit geölten Erlenholzplanken bekleidet.
Foto: Tuomas Uusheimo
Das Tragwerk aus formgefrästen Leimholzträgern wurde auf der Innenseite mit geölten Erlenholzplanken bekleidet.
Foto: Tuomas Uusheimo
Finnland ist das waldreichste Land Europas. Deshalb überrascht es nicht, dass vor rund zwei Jahrzehnten gerade hier der Baustoff Holz wiederentdeckt wurde. Seither sind nicht nur Kulturhäuser, Bürobauten und mehrgeschossige Wohnhäuser in Holzbauweise entstanden, sondern auch sakrale Gebäude. Zwei von ihnen haben schon kurz nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2004 für Aufsehen gesorgt: die Schindelkirche von Anssi Lassila im nordfinnischen Ort Kärsä-mäki und die ökumenische Kunstkapelle von Matti Sanaksenaho auf einer Insel vor der früheren Hauptstadt Turku (Bauwelt 35.05).
Seit nunmehr drei Jahren gibt es auch im Zentrum von Helsinki einen sakralen Holzbau. Die Kamppi Kapelle steht an einem Ort, der noch bis zur Jahrtausendwende nichts war als eine öde Fläche. Wo sich seit 2005 das große Kamppi-Einkaufszentrum von Juhani Pallasmaa mit einer unterirdischen Verkehrsdrehscheibe sowie angegliederten Wohn- und Bürobauten erhebt, befand sich als scheinbar „ewiges Provisorium“
ein riesiger Busparkplatz. Dieses urbane „Loch“ war auch deshalb verstörend, weil der berühmte Hauptbahnhof von Eliel Saarinen nicht weit entfernt liegt. Das einzige bedeutende Bauwerk
am Platz war der funktionalistische Lasipalatsi (Glaspalast) aus dem Jahr 1936 mit Restaurants und einem großen Kino.
Bei der Neuplanung der Kamppi-Fläche wurde auch der Wettbewerb für ein sakrales Gebäude ausgelobt: Im belebtesten Teil der Stadtmitte sollten die Menschen einen „Raum der Stille“ vorfinden können. Den Zuschlag erhielten K2S Achitects für einen hölzernen Körper, der auch bautechnisch innovativ ist. Die Kapelle, welche die Ostseite des Narinkka-Platzes dominiert, wird täglich von rund 2000 Menschen besucht.
Das auffallende Bauwerk gliedert sich in zwei Teile. Der massive, in den Granithang eingeschobene Sockel besteht aus Stahlbeton. Er öffnet sich zum Platz mittels einer Glaswand, in der auch der Haupteingang liegt. Aus diesem Sockel heraus erhebt sich der organisch geformte Körper der Kapelle, der aufgrund seiner Geometrie eine Pioniertat im Holzbau darstellt. Das Tragwerk ist eine Konstruktion aus massiven, formgefrästen Leimholzträgern. Nach außen hin ist dieses Gerüst mit horizontalen Fichtenlatten verkleidet, die zu verschiedenen Radien gebogen und mit einem die Nanotechnologie nutzenden Wachs gebeizt wurden. Die innere Schale, die analog gebogene Innenwand, besteht aus dicken geölten Erlenholz-Planken.
Erhellt wird der 11,50 Meter hohe Raum von oben durch einen umlaufenden Lichtschlitz zwischen Wand und eingezogener Decke. Diese Lösung erinnert an den Meditationsraum von Tadao Ando auf dem UNESCO-Gelände in Paris aus dem Jahr 1995. In der Kapelle mit 70 Sitzplätzen auf Bänken finden weder Gottesdienste noch andere sakrale Zeremonien statt. Durch die ästhetische wie olfaktorische Wirkung des Holzkörpers lädt sie zum individuellen Innehalten ein – als eine Insel der Ruhe im Trubel der geschäftigen Außenwelt. Mitarbeiter der lutherischen Kirchengemeinde und des städtischen Sozialamts, beide Institutionen betreiben die Kapelle gemeinsam, sind für persönliche Gespräche und Hilfsangebote anwesend, da das Viertel rund um den Hauptbahnhof ein sozialer Brennpunkt geworden ist. Die Kapelle wurde unter anderem 2010 vom „Chicago Athenaeum – Museum of Architecture and Design“ mit einem „International Architecture Award“ ausgezeichnet.
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