Bauwelt

Europäisches Hansemuseum in Lübeck


In Lübeck hat das europaweit größte Museum zur Geschichte der Hanse eröffnet. Es erstreckt sich über den Burghügel am nördlichen Rand der Altstadt.


Text: Finke, Manfred, Lübeck


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    Gegenüber vom Hafen gelegen, bildet das Europäische Hansemuseum den nördlichen Abschluss der Lübecker Altstadt
    Foto: Werner Huthmacher

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    Gegenüber vom Hafen gelegen, bildet das Europäische Hansemuseum den nördlichen Abschluss der Lübecker Altstadt

    Foto: Werner Huthmacher

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    „Vierpass-Vorhang“ für den Giebel an der Straße „Klein Altefähre“
    Foto: Werner Huthmacher

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    „Vierpass-Vorhang“ für den Giebel an der Straße „Klein Altefähre“

    Foto: Werner Huthmacher

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    Ein großes Fensterband im Foyer mit Buchladen und Café gibt den Blick auf den Hafen frei. Das Segel in
    der Vitrine ragt aus der Ausstellung in den Eingangsbereich hinein.
    Foto: Werner Huthmacher

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    Ein großes Fensterband im Foyer mit Buchladen und Café gibt den Blick auf den Hafen frei. Das Segel in
    der Vitrine ragt aus der Ausstellung in den Eingangsbereich hinein.

    Foto: Werner Huthmacher

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    In der als Rundlauf konzipierte Ausstellung wechseln sich dunkle, inszenierte Schlüsselszenen der Hansegeschichte mit hellen Ausstellungsräumen ab.
    Foto: Werner Huthmacher

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    In der als Rundlauf konzipierte Ausstellung wechseln sich dunkle, inszenierte Schlüsselszenen der Hansegeschichte mit hellen Ausstellungsräumen ab.

    Foto: Werner Huthmacher

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    Der Außenraum und das begehbare Dach, von dem aus man auf Trave und Hafen schauen kann, sind öffentlich zugänglich und auch ohne den Gang ins Museum einen Besuch wert
    Foto: Werner Huthmacher

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    Der Außenraum und das begehbare Dach, von dem aus man auf Trave und Hafen schauen kann, sind öffentlich zugänglich und auch ohne den Gang ins Museum einen Besuch wert

    Foto: Werner Huthmacher

Das im Mai eröffnete Europäische Hansemuseum – EHM – ist ein Unternehmen der Lübecker Possehl-Stiftung. Die private Stiftung, die auch die Bau- und Einrichtungskosten nahezu allein trug und trägt, setzt sich unter anderem für den Erhalt des Lübecker Stadtbildes ein und trat bereits bei St. Annen, der Kunsthalle der Stadt (Bauwelt 23.2003), als Bauherr auf.
Das EHM befindet sich im Westhang des Burghügels am nördlichen Rand der Altstadt und nutzt auch das frühere Dominikanerkloster „zur Burg“. Die Wahl des Standorts begründet sich nicht mit auf die Hanse verweisender Geschichtsträchtigkeit, sondern setzt auf die städtebaulich attraktive Lage am hafenseitigen Stadteingang. Auf Wettbewerbe und Beteiligung der Öffentlichkeit hat der Bauherr verzichtet. Das vom Hamburger Architekturbüro Andreas Heller realisierte Projekt erfreute sich umfassender Beförderung durch Politik und Bauverwaltung.

Das Museum tritt im Außenbild nur mit einer langen, etwa zweieinhalb Geschosse hohen, die Straße „An der Untertrave“ begleitenden Klinkerfront in Erscheinung: hartkantig, geradlinig, großflächig, mit wenigen stumpfwinkligen Brechungen. Abwechslung bieten der akzentuierte Schlitz mit der zentralen, offenen Treppe, welche die Nutzungsebenen in einem Lauf verbindet, das lange Fensterband des Foyers im Obergeschoss sowie die Glaswand eines Veranstaltungssaals an der nördlichen Schmalseite. Dazu treten einige wenige, mit Bronzeblech verkleidete Tore von Technikräumen.

An dieser Seite des Burghügels gab es keine überkommene Parzellenstruktur, die Rücksichtnahme erfordert hätte, sondern eine drei- bis viergeschossige Gebäudegruppe aus den 1960er und 70er Jahren samt überbautem Kriegsbunker. Daran gemessen ist die an ihre Stelle getretene, ruhige und in der Höhe reduzierte Kubatur des Hansemuseums ein Gewinn. Sie ist allerdings kein Zitat der verschwundenen Stadtmauer, wie die Planer behaupten, denn die stand weiter westlich und war noch um die Hälfte niedriger. Eher lässt sich die Museumsmauer als städtebauliches Pendant zum großformatigen Hafenschuppen gegenüber verstehen. Sie erinnert aber auch an die Erdmassen, die abgetragen wurden, um das EHM-Baufeld zu schaffen. Der zu diesem Zweck teil-amputierte Hügel, auf dem einst die Burg Heinrichs des Löwen stand, wird nun von einer monumentalen Beton-Bohrpfahlwand gestützt.

Gezielte Abweichung

Der verbaute Klinker ist eine Sonderanfertigung. Er ist unregelmäßig teil-gesandet, -glasiert und -engobiert und wirkt aus der Nähe unruhig und bunt-scheckig, wozu auch die rustikale Weiß-Verfugung beiträgt. Aus der Ferne verwäscht sich die Vielfarbigkeit zu einem erdigen Gelb-Graublau-Braun. Der drohenden Monotonie einer solch langen Wand begegnen die Architekten mit gezielten Abweichungen von der Norm: Ziegel springen vor oder treten zurück, liegen schief und verkantet, es gibt unerwartete Rollschichten und dergleichen, sogar Zitate von „Gerüstlöchern“ in mittelalterlicher Art. Die nur halbsteinstarke Klinker-Folie schwebt vor dem in Dämmung verpackten Betonkern und klebt sogar unter der Decke im Treppendurchgang.

Hinter der Ecke zur Straße „Kleine Altefähre“ musste ein Anschluss an eine Reihe kleinvolu-miger Giebelhäuser definiert werden. Man steht vor einem hohen Eckbau mit aufgesetztem Satteldach, der sich im Maßstab aber nicht den Nachbarn zuwendet, sondern über fünf Kleinhausparzellen hinweg den Vergleich mit der hohen Giebelfront des Beichthauses sucht. Offenbar wird dieser Eckbau als visuelle Verbindung zum gotischen Burgkloster verstanden – vielleicht auch als eine Art Markenzeichen des Unternehmens EHM. Anders lässt sich das der Fassade vorgesetzte gotisierende Gitter aus Vierpass-Formsteinen kaum erklären.

Geführte Ausstellung

Das labyrinthische Innere des Neubaus besteht aus dunkel gehaltenen „Inszenierungen“ ausgesuchter Schauplätze hansekaufmännischen Wirkens. Chronologisch wird die Geschichte anhand entscheidender Ereignisse der Hanse und an fünf Stationen, Nowgorod, Lübeck, Brügge, London und Bergen, gezeigt. Da es keinerlei wertvolle Exponate gibt, die durch Tageslicht Schaden nehmen könnten, geht es in den Szenen eher darum, eine düstere Stimmung zu erzeugen. Zum Erlebnis gehören Dunkelheit und Enge, auch die oberen Raumgrenzen verlieren sich in nachtdunkler Schwärze. Diesen Szenen sind hell ausgeleuchtete Nach- oder Vorbereitungsräume zugeordnet. Der verwinkelte Grundriss ist weniger eine Antwort auf die Themen der Installationen, sondern hat eher mit dem begrenzten Raumangebot im Hang des Burghügels zu tun.
Beeindruckend ist sicherlich der Weg zur Ausstellung, hinunter in die Tiefe mit einem gläsernen Fahrstuhl, und über Stege durch mittelalterliche Mauerzüge. Diese Backsteinmauern sind zweifellos Originale. Weshalb bilden diese Reste den den Anfang des Rundgangs? Möchte man deren Authentizität auf die von den Babelsberger Filmstudios geschaffenen Themen-„Collagen“ übertragen wissen?

Räumliche Qualitäten hat der zu beiden Seiten sich öffnende Treppen-Absatz im Obergeschoss, wo gegenüber vom Eingang der Rundgang auch endet. Er erinnert ein wenig an hamburgischen „Klinker-Expressionismus“. Rechterhand betritt man das große Foyer mit geschosshoher Glaswand zur Hafenseite. Hier befinden sich Kasse, Café und Museumsshop. Die Möblierung, Theken und Regale sind weitgehend solide, mit betonten Ecken, die Farbigkeit hamburgisch-gediegen in Schoko-Brauntönen, die Saaldecke heller, die schweren Glastüren haben dunkle Bronze-Rahmen. Museum hat in den Köpfen vieler Menschen immer noch mit gehobener Bildung zu tun – das Design des Empfangsbereichs nutzt diese Vorstellung im Sinne einer Visitenkarte.

Einheitliches Erscheinungsbild

Die sanierten Bestandsbauten des Burgklosters gehören nun ebenfalls zum Hansemuseum. Von der 1818 abgebrochenen Dominikaner-Klosterkirche St. Maria-Magdalena ist allein die hochragende Wand des nördlichen Seitenschiffs erhalten. Die Architekten setzten ihr bündig eine Kulisse aus dunklem Bronzeblech vor. Diese Wand verdeckt nicht nur zu großen Teilen die gotische Architektur, sondern auch die zum einstigen Seitenschiff sich rundbogig öffnenden, gotisch ausgemalten Einsatz-Kapellen. Ein „interaktiv“ zu betätigendes kleines Schiebefensterchen sollte Einblick gewähren, doch Spiegelung und der begrenzte Einsicht-Winkel machen dies unmöglich. Die aufschlussreiche gotische Wand mitsamt ihren Memorialkapellen, wichtigen Zeugnissen der Dominikaner-Zeit, ist damit aus den Augen und aus dem Sinn.
Auch die Visualisierung des Umfangs der verschwundenen Klosterkirche St. Maria-Magdalena erfolgt in der Manier des Gesamtkonzeptes. Den West-Abschluss markieren monumentale weiße Betonblöcke. Deren Makellosigkeit dürfte in der norddeutschen Witterung kaum auf Dauer zu halten sein. Der neue „Kirchen-Fußboden“ (unter freiem Himmel) leuchtet ebenfalls weiß. In den Beton-Estrich eingelegte schwarze Streifen sollen als eine auf Boden-Niveau projizierte Planzeichnung von Gewölberippen, Gurt- und Scheidbögen gelesen werden, wirken aus Augenhöhe aber unruhig und störend. Diese Installation erreicht nicht die Qualität des 1986 geschaffenen Vor-Zustands. Dieser verdeutlichte die Stellung der einstigen Mittelschiffspfeiler mittels übereck gesetzter quadratischer Granitplatten in einem wetterfesten rotblauen Klinkerboden.
Zum Außenbild gehört auch die Terrasse auf dem Flachdach des Museums-Neubaus. Von ihr bietet sich ein wunderbarer Blick über das Hafen-Areal. Der sogenannte Gefängnishof (die Klausur wurde in den 1890er Jahren mit Gefängniszellen überbaut) wird am Südwest-Rand von einem Halbrund weißer Betonblöcke begrenzt, die wohl die Hofmauer von 1890 komplettieren sollen, aber eher wie überdimensionierte Zinnen anmuten.  Zum Gesamtprogramm gehört ein kleiner Kinderspielplatz zwischen Beichthaus und Burgtreppe. Die Freiflächen des Museumsareals, die sich von der großen Treppe über die Aussichtsplattform, den einstigen Gefängnishof, über das Bodenniveau der ehemaligen Kirche bis zum früheren Garten des Beichthauses erstrecken, sind als öffentliche Räume jederzeit zugänglich. Sie stehen den Lübeckern auch ohne Eintrittsbillets offen, was mit Begeisterung angenommen wird.



Fakten
Architekten Andreas Heller Architects & Designers, Hamburg
Adresse An der Untertrave 1, 23552 Lübeck


aus Bauwelt 31.2015
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